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MELDUNG/2321: Schwergewicht - welch unverhoffte Allianz ... (SB)



Top Rank nimmt den Bulgaren Kubrat Pulew unter Vertrag

Wie ESPN berichtet, hat Top Rank mit dem bulgarischen Schwergewichtler Kubrat Pulew einen mehrjährigen Vertrag als Co-Promoter abgeschlossen. Pulew, der in der Vergangenheit um die Weltmeisterschaft gekämpft hat, firmiert derzeit als Pflichtherausforderer der International Boxing Federation (IBF), deren Champion der allseits heißbegehrte Brite Anthony Joshua ist. Für Bob Arum ist das ein gelungener Coup, der ihm Teilhabe an einem der einträglichsten Auftritte bescheren könnte, die gegenwärtig in der Königsklasse des Boxsports an Land zu ziehen sind. Daß dem 37 Jahre alten Bulgaren, für den 26 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, tatsächlich die Chance winken konnte, von Joshua und dessen einflußreichem Promoter Eddie Hearn auserwählt zu werden, ist so abwegig nicht. Schließlich stand Pulew schon einmal kurz davor, mit dem Briten in den Ring zu steigen, doch mußte er im Oktober 2017 nur zwei Wochen vor dem Kampftermin aufgrund einer Armverletzung, die er sich im Trainingslager zugezogen hatte, den hochdotierten Auftritt kurzfristig absagen. An seiner Stelle trat Carlos Takam am 28. Oktober 2017 vor 78.000 Zuschauern im Principality Stadium von Cardiff gegen Joshua an, dem er sich in der zehnten Runde geschlagen geben mußte. Dem Bulgaren entging durch dieses Mißgeschick die größte Börse seiner Karriere wie auch die langersehnte Gelegenheit, sich international wieder ins Gespräch zu bringen. Wenngleich er als Außenseiter gehandelt wurde, hätte er doch im Falle eines respektablen Auftritts vermutlich auch bei einer Niederlage von seiner aufgefrischten Popularität zehren können.

Am 27. Oktober 2018 behielt Kubrat Pulew vor heimischem Publikum in Sofia einstimmig nach Punkten die Oberhand gegen den Briten Hughie Fury, Cousin des früheren Weltmeisters Tyson Fury, der jüngst mit einem Unentschieden gegen den WBC-Champion Deontay Wilder von sich reden machte. Der Bulgare dominierte den jüngeren Fury und trug völlig zu Recht den Sieg davon, auch wenn das gegnerische Lager wie üblich behauptete, von den Punktrichtern benachteiligt worden zu sein. Da es sich um einen Ausscheidungskampf der IBF handelte, konnte sich Pulew nach der verletzungsbedingten Zwangspause auf kürzestem Weg wieder in Position für einen Titelkampf manövrieren. [1]

Mit seinem bislang alleinigen Promoter Epic Sports strebte der Bulgare bislang auf direktem Wege einen Titelkampf gegen Anthony Joshua an, wohl wissend, daß er für dessen nächsten Auftritt am 13. April im Londoner Wembley-Stadion nicht im Gespräch ist. Da Geduld zu den Tugenden zählt, die Pulew im Laufe seiner Karriere lernen mußte, als es mit seinem damaligen Promoter Universum nach dem Ende des Vertrags mit dem ZDF bergab ging, wäre es keine unvertraute Situation, viele Monate auf einen Kampf gegen Joshua zu warten. Bob Arum wälzt jedoch offenbar andere Pläne und will dem Bulgaren bereits im ersten Quartal 2019 einen bedeutenden Auftritt verschaffen, um ihn auf ein Duell mit dem Briten vorzubereiten. Der Kampf soll voraussichtlich im März über die Bühne gehen und wie alle Veranstaltungen von Top Rank über den Sender ESPN ausgestrahlt werden.

Das ist ein riskantes Unterfangen, sofern dem 86jährigen Promoter tatsächlich ein namhafter und entsprechend gefährlicher Gegner vorschweben sollte. Pulews aktuelle Bedeutung steht und fällt mit seinem Rang als Pflichtherausforderer, so daß es äußerst bedauerlich wäre, ginge ihm die Chance, sich mit Joshua zu messen, ein zweites Mal durch die Lappen. Der Bulgare war mit Hughie Fury im Ausscheidungskampf vergleichsweise gut bedient, da ihn Dillian Whyte oder gar der Kubaner Luis Ortiz zweifellos vor größere Probleme gestellt hätten. Ohne die Qualitäten Pulews im geringsten in Abrede zu stellen, die er oftmals unter Beweis gestellt hat, muß er doch inzwischen mit seinen Möglichkeiten insofern haushalten, als er wesentlich jüngere Kontrahenten nicht auf die leichte Schulter nehmen darf, auch wenn sie ihm an Erfahrung und technischen Fertigkeiten nicht das Wasser reichen können.

Falls Arum der Auffassung sein sollte, daß es derzeit keinen Sinn macht, Pulew von Joshua abschlachten zu lassen, was nicht ganz aus der Luft gegriffen ist, bleibt doch nebulös, was der Bulgare durch einen zwischenzeitlichen Aufbaukampf noch verbessern sollte. Mit fast 38 Jahren ist sicherlich ausgereift und wird seine Kampfesweise nicht mehr wesentlich ändern. Eher schon wäre zu befürchten, daß er sich in einem schweren Gang mit einem jungen und starken Kontrahenten verschleißt und aufreibt, womöglich sogar abermals eine Verletzung davonträgt. Im Jahr 2014 hat Pulew den damaligen Weltmeister Wladimir Klitschko herausgefordert und dabei die bislang einzige Niederlage seiner Karriere bezogen. Der Ukrainer schlug damals noch einen gefürchteten und kaum vorherzusehenden linken Haken, den der Herausforderer mehrfach einstecken mußte, worauf es bereits in der vierten Runde um ihn geschehen war. Da der Weltmeister zu dieser Zeit noch als nahezu unbesiegbar galt, nahm die Reputation des Bulgaren trotz dieses Rückschlags keinen nachhaltigen Schaden.

Seither hat Pulew sechs Kämpfe in Folge gewonnen und dabei recht anspruchsvolle Gegner wie Samuel Peter, Maurice Harris, George Arias, Kevin Johnson, Dereck Chisora und zuletzt Hughie Fury besiegt. Peter, Johnson, Chisora und Fury haben mit Weltmeistern im Ring gestanden, Harris galt nach wie vor als talentiert, wenngleich seine beste Zeit schon weit zurücklag und er den Sprung in die höchste Kategorie nie geschafft hatte. Der Bulgare hat stets eine gute Figur gemacht, wenn er es mit hochwertigen Kontrahenten zu tun hatte, und Chisora wie auch Fury klar in die Schranken gewiesen. Seine gefährlichste Waffe ist ein steif geschlagener Jab, er gilt als robust und konditionsstark. Daß es ihm gelungen ist, die Widrigkeiten und großen Lücken in seiner Karriere so gut zu überstehen, dürfte indessen das maßgeblichste Qualitätszeugnis sein, das er ins Feld führen kann.

Nachvollziehbar wäre allenfalls das Argument, Kubrat Pulew müsse zwischenzeitlich aktiv bleiben, um die möglicherweise lange Wartezeit auf Anthony Joshua angemessen zu überbrücken. Vielleicht sollte man sich schlichtweg darauf verlassen, daß Bob Arum mehr als die meisten seiner Zunftgenossen weiß, was er tut, und seinen Neuzugang keinesfalls einem unkalkulierbaren Risiko aussetzen wird. Der mittlerweile 87jährige Promoter ist bereits 53 Jahre und damit schon viel zu lange im Geschäft, als daß er seinen Vorteil jemals aus dem Blick verlieren würde, der sich bis auf weiteres mit dem Fortkommen Kubrat Pulews zur Deckung bringen läßt.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2018/12/kubrat-pulev-signs-multi-year-deal-with-top-rank/

12. Dezember 2018


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