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MELDUNG/2328: Supermittelgewicht - aufs sportliche Altenteil ... (SB)



Chris Eubank gewinnt Prestigekampf gegen James DeGale

In einem innerbritischen Prestigekampf hat Chris Eubank jun. den früheren IBF-Weltmeister James DeGale nach Punkten besiegt (114:112, 115:112, 117:109) und sich den vakanten Titel des kleinen Verbands IBO im Supermittelgewicht gesichert. Dank seines verdienten Erfolgs in der Londoner O2 Arena baute der 29jährige Sohn der gleichnamigen englischen Legende der 90er Jahre seine Bilanz auf 28 gewonnene und zwei verlorene Auftritte aus, während für seinen vier Jahre älteren Kontrahenten nunmehr 25 Siege, drei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen. Dabei machte DeGale einen derart desolaten Eindruck, daß er wohl gut beraten wäre, ein Ende seiner Karriere in Erwägung zu ziehen. [1]

Chris Eubank kratzte mit einer soliden Leistung noch einmal die Kurve und brachte vorerst die Zweifel an seiner Zugehörigkeit zur Spitze in dieser Gewichtsregion zum Schweigen. Allerdings hatte er es in North Greenwich mit einem körperlich eingeschränkten und offenbar auch mental angeschlagenen Widersacher zu tun, was die Bedeutung seines Titelgewinns relativiert. Zudem ist der Gürtel der IBO natürlich eine Trophäe, die man nicht mit jenen der vier maßgeblichen Verbände gleichsetzen kann. Immerhin scheint es sich ausgezahlt zu haben, daß Eubank erstmals in seiner Karriere mit einem Vollzeittrainer zusammengearbeitet hat. Nachdem er bislang seine Trainingspläne selbst aufgestellt hatte und von seinem Vater sowie dem in die Jahre gekommenen Coach Ronnie Davies beraten worden war, konnte er in der Vorbereitung mit Nate Vasquez offenbar manche Schwächen ausbügeln.

Er ging von Beginn an energisch zur Sache und raubte DeGale bereits in der zweiten Runde mit einem Niederschlag den Nerv. Der ehemalige Champion wirkte in der Folge verunsichert und schaffte es nicht, sich Eubank mit dem Jab vom Leib zu halten, der ihn immer wieder mit wuchtigen Einzelschlägen traktierte. Spätesten zur Hälfte des Kampfs dominierte der jüngere Boxer, zumal er regelmäßig kurz vor der Pause noch einmal aufdrehte und damit den besseren Eindruck bei den Punktrichtern hinterließ. Nachdem DeGale in der zehnten Runde ein zweites Mal auf den Brettern gelandet war, konnte er nach Punkten nicht mehr gewinnen, wenngleich Eubank nach einer Ringereinlage im folgenden Durchgang mit einem Abzug bestraft wurde. [2]

James DeGale schien die Beweglichkeit und Widerstandsfähigkeit, die ihn früher ausgezeichnet hatten, weitgehend eingebüßt zu haben. Er wirkte mehrfach angeschlagen und unsicher auf weichen Beinen, so daß er immer wieder zum Klammern Zuflucht nehmen mußte, um den Schlagabtausch zu verhindern. Daß der Ringrichter ihn gewähren ließ, machte den Kampf gewiß nicht besser und schien Eubank derart in Rage zu versetzen, daß er den Gegner schließlich packte und wie ein Wrestler zu Boden warf. DeGale hatte dieselbe Taktik bereits bei der Revanche gegen Caleb Truax im April 2018 praktiziert, die er umstritten gewann, obwohl er nur weggelaufen war oder geklammert hatte. Daß er gegen Eubank genauso zu Werke ging, läßt darauf schließen, daß er inzwischen nicht mehr anders boxen kann.

Er hatte sich beim Kampf gegen Badou Jack im Jahr 2017 an der rechten Schulter verletzt und nie wieder vollständig davon erholt. Heute ist er im Grunde ein einhändiger Boxer, da er nur mit der Linken nennenswerte Wirkung entfalten kann. Daher hatte er keine Chance gegen Eubank, dessen begrenzte Möglichkeiten trotz des Erfolgs recht deutlich zutage traten. Wie James DeGale hinterher einräumte, habe er schlichtweg zu wenig getan und viele Schläge nicht kommen gesehen. Vermutlich sei es an der Zeit, an den Abschied von einer Laufbahn zu denken, in der er doch einige bedeutende Akzente setzen konnte. Er werde sich nun mit seiner Familie zusammensetzen, um alles weitere zu beraten. Verletzungen an der Achillessehne und zuletzt an der rechten Schulter hatten ihn seit geraumer Zeit beeinträchtigt.

Auf eine Revanche gegen Chris Eubank sollte DeGale gar nicht erst hoffen, da sie erstens kaum anders ausgehen würde und zweitens für Eubank nicht von Interesse wäre. Sollte der frühere IBF-Weltmeister doch in Erwägung ziehen, seine Karriere fortzusetzen, wäre vielleicht ein zweiter Kampf gegen George Groves vorstellbar, der ihn 2011 knapp nach Punkten besiegt hatte. Diese Niederlage hatte ihn in den folgenden Jahren doch sehr beschäftigt, da er immer wieder darauf zu sprechen kam und sich revanchieren wollte. Groves, der seine Karriere inzwischen offiziell beendet hat, sah sich den Auftritt seines alten Rivalen vor Ort an, ließ aber kein Interesse erkennen, deswegen noch einmal aus dem Ruhestand zurückzukehren. [3]

Wie Chris Eubank verkündet, wolle er fortan die "großen Namen" im Mittelgewicht und Supermittelgewicht zum Gegner haben. Den prestigeträchtigsten und einträglichsten Kampf böte Saul "Canelo" Alvarez, der gegenwärtig Titel in beiden Gewichtsklassen hält. Der Mexikaner tritt am 4. Mai in einem Duell zweier Weltmeister gegen Daniel Jacobs an und könnte einem dritten Kräftemessen mit Gennadi Golowkin im Herbst nicht abgeneigt sein. Für Eubank bliebe unter diesen Umständen im Mittelgewicht entweder WBO-Champion Demetrius Andrade oder der reguläre WBA-Weltmeister Rob Brant mit seinem sekundären Titel. [4]


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2019/02/chris-eubank-jr-defeats-james-degale-results/

[2] www.espn.com/boxing/story/_/id/26064723/chris-eubank-tops-james-degale-points-wants-major-title-bouts

[3] www.boxingnews24.com/2019/02/degale-to-contemplate-retirement-after-loss-to-eubank-jr/

[4] www.boxingnews24.com/2019/02/eubank-jr-wants-big-names-at-160-168/

28. Februar 2019


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