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KOMMENTAR/228: Quadratische Dinge, olympische Ringe ... (SB)


Brot und Spiele: Global Player der Wirtschaft verteilen keine Geschenke - auch in Hamburg nicht!


Wer könnte das Greenwashing kommerzieller Megaevents wie der Olympischen Spiele besser betreiben als Bündnis 90/Die Grünen? "Hamburg ist eine gute Wahl. Denn dann können wir zeigen: Es geht ökologisch. Es geht nachhaltig. Es geht transparent", so die emphatischen Worte der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt am 26. März im Bundestag, nachdem der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) eine Woche zuvor Hamburg zur deutschen Bewerberstadt für die Sommerspiele 2024/28 bestimmt hatte. Die affirmative Grußadresse Richtung Hamburg wurde während einer einstündigen Diskussion um einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (18/3556) versandt, der unter anderem die Forderung enthält, die verbindliche Einhaltung menschen- und bürgerrechtlicher und ökologischer Standards bei der Vorbereitung und Durchführung von Sportgroßereignissen verpflichtend zur Voraussetzung von Vergabeentscheidungen zu machen und ihre Umsetzung "sanktionsbewehrt sicherzustellen". In der Antragsbegründung werden diverse Machenschaften der weltweit operierenden Sportkonzerne aufgeführt und grundlegende Reformen gefordert, ohne daß auch nur die Frage berührt wird, ob "nachhaltige, ökologische und sozial ausgewogene Spiele" unter den kapitalistischen Wachstums- und Verwertungsbedingungen überhaupt möglich sind. [1]

Die Wischi-Waschi-Kritik der Grünen am internationalen Sport lebt davon, daß sie zwar viel andeutet, aber in der realpolitischen Ambivalenz verbleibt, um das Versprechen, industrielle Megaprojekte wie Olympische Spiele oder Fußballweltmeisterschaften könnten gemein- und umweltverträglich sein, auf politisch opportune Weise auszuschlachten. Man schimpft und flucht über Organisationen wie das IOC oder die FIFA, über "Bestechung, Vetternwirtschaft und Intransparenz" als die "Merkmale der weltgrößten Festspiele" (Göring-Eckardt), verherrlicht aber gleichzeitig ihr kommerzielles Hochglanzprodukt, indem man in seliger Eintracht mit den Funktionären den "ritterlichen" oder "olympischen Geist" beschwört, der an den Orten "weltweiter Freude und Begeisterung" angeblich umgeht. Damit die Aufrechnung nicht ganz so einseitig gegen "undemokratische Regime" ausfällt, die laut Katrin Göring-Eckardt die "besten Partner von IOC und FIFA" seien, werden seit neuestem auch die Global Player des Sports in die Kritik miteinbezogen, ohne allerdings einzelne (auch deutsche) Partnerunternehmen, Investoren oder Großsponsoren beim Namen zu nennen. "Brot und Spiele als Geschenk von Diktatoren, korrupten Vereinen und globalen Playern in der Wirtschaft - das sage ich noch einmal - können wir nicht wollen. Das müssen wir ändern", eiferte Göring-Eckardt im Bundestag.

Daß man als globaler Player nicht "korrupt" sein muß, um "Schweigegelder" zu kassieren, haben die ehrenwerten Vereine ja gerade vorgemacht. Die Millionensummen, die vermeintlich gemeinnützige Wirtschaftsunternehmen wie UEFA oder FIFA an ihre Profiklubs ausschütten, damit sie die Weihnachts-WM im Wüstenstaat Katar nicht mehr grundsätzlich, sondern nur noch populistisch kritisieren, sind zweifellos gut angelegt. Um ein "Geschenk" von Diktatoren oder Global Playern, wie die Grünen halluzinieren, handelt es sich bei "Brot und Spielen" allerdings mitnichten. So wenig, wie auch die Spiele in Hamburg "eine gute Wahl" sind, wie Göring-Eckardt im Brustton der Überzeugung weiszumachen versucht. Was die Grünen mit dem Anspruch auf "transparente, saubere und nachhaltige Spiele" an der Elbe bemänteln, nachdem ihnen lukrative Posten im Hamburger Senat winken (Grünen-Sprecher und Sportausschußmitglied Özcan Mutlu: "Dank der absehbaren grünen Beteiligung im Hamburger Senat bin ich zuversichtlich, daß die Bewerbung einen guten Weg einschlagen wird."), könnte sich als weiteres Spiel mit gezinkten Karten erweisen.

Schon 2008 hatte sich die Beteiligung der Grünen an der CDU-Landesregierung in Hamburg als ökologisches Desaster herausgestellt. Das entschiedene Nein zum klimaschädlichen Kohlekraftwerk Moorburg, mit dem die Grün-Alternative Liste in Wahlkampfzeiten noch Stimmen fischte, verwandelte sich unter der grünen Umweltsenatorin Anja Hajduk zum Plazet für die "Kohle von Beust" - nachträgliches Zähneknirschen über vermeintliche Sachzwänge eingeschlossen.

Um sich der SPD als Koalitionspartner anzuempfehlen, gaben die Grünen kürzlich auch ihren Widerstand gegen die Elbvertiefung in Hamburg auf. Welche Deals, so fragen sich viele Olympiakritiker, wird nun der rot-grüne Senat aushecken, damit die Feuer-und-Flamme-Spiele auch für die profitgesteuerte Hafenwirtschaft "nachhaltig" brennen? Um Platz für die geplanten Sportflächen zu schaffen, müssen diverse Hafenbetriebe in Hamburg umgelagert werden. Die in den Medien kursierende Zahl von fünf bis sieben Milliarden Euro, die der Steuerzahler allein für diese Zwangsumsiedlung berappen muß, wurde vom obersten Vertreter der Hafenwirtschaft, Gunther Bonz, als "nicht unrealistisch" bezeichnet. [2]

Während Die Linke im Landesverband Hamburg die Bewerbung der Hansestadt für die Spiele 2024/28 aus auf der Hand liegenden Gründen ablehnt, haben SPD, CDU, FDP und Grüne vor einem Jahr mit einem gemeinsamen Antrag in der Bürgerschaft beschlossen, eine Bewerbung vom Senat "ergebnisoffen" prüfen zu lassen. Passiert ist seitdem nichts - einmal abgesehen von dem dazu im Widerspruch stehenden Bekenntnis der Grünen zu Olympia. In ihren Koalitionsverhandlungen sollen sich SPD und Grüne lediglich darauf verständigt haben, ein Olympia-Referendum in der Stadt durchzuführen.

Als die Olympischen Winterspiele 2018 bzw. 2022 in München und Umgebung auf dem Wunschzettel von Sport, Politik und Wirtschaft standen, hatten die bayerischen Landtagsgrünen um Ludwig Hartmann noch vehementen Widerstand gegen die Bewerbungspläne geleistet und "Öko-Argumente" schnell als "grüne Deckmäntelchen" der Olympiamacher entlarvt. Erinnert sei auch daran, daß auf einem Grünen-Parteitag 2010 in Freiburg die pro Olympia eingestellte Parteispitze eine schallende Ohrfeige von der Basis bekam. Diese hatte mehrheitlich gegen die Winterspiele 2018 in München votiert, worauf sich die Bundesvorsitzende und Olymiabefürworterin Claudia Roth aus dem Olympia-Kuratorium zurückzog. Der frühere sportpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Winfried Hermann, hatte sein Ja zu Olympia u.a. mit Umweltauflagen und Regelungen zur Nachnutzung von Sportanlagen verteidigt, die die Grünen durchgesetzt hätten. "Das ist das beste, ökologisch nachhaltigste Konzept, das es jemals gegeben hat", behauptete Hermann damals, ohne rot zu werden. [3]

Was also ist davon zu halten, wenn die Parteiführung im Bundestag erneut jubiliert: "Es geht ökologisch. Es geht nachhaltig. Es geht transparent." und Hamburg als "gute Wahl" besingt?

Statt sich wie die Landtagsgrünen in München klar gegen Olympia zu positionieren, begeben sich die Rathausgrünen in Hamburg, angefeuert von der Berliner Spitze, in den Koalitionsspagat und machen gute Miene zum bösen Spiel. Es riecht förmlich nach faulen Kompromissen, Konzessionen und Kooperationen. Das größte gemeinsame Projekt sei, so SPD-Bürgermeister Olaf Scholz, die Olympia-Bewerbung unserer Stadt für 2024 oder 2028. Diese wollen beide Seiten vorantreiben, dabei aber auf Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Bürgerbeteiligung und solide Finanzplanung achten, schreibt die grünennahe taz unter der vernichtenden Überschrift "Gezähmt und ausgezahlt". [4]

Die SPD um den wirtschaftsnahen Law-and-Order-Mann Olaf Scholz hat sich bei den Koalitionsverhandlungen auf ganzer Linie durchgesetzt: Keine neue Stadtbahn, keine autoreduzierte Umweltzone, kein kollektives Bleiberecht für Lampedusa-Flüchtlinge, vorerst keine Kennzeichnungspflicht für Polizisten, keine Abschaffung der "Gefahrengebiete" mit "anlaßunabhängigen" Polizeikontrollen. Statt dessen einige sozialökologische Trostpflaster wie den Ausbau des Fahrradverkehrs sowie Maßnahmen zur Luftreinhaltung und der Ökologisierung des Hafens. Obwohl die Olympischen und Paralympischen Spiele als zentrales Projekt der kommenden fünf Jahre propagiert werden, machen die Koalitionäre keine Angaben zu Kosten und Auswirkungen des Großevents auf Stadtteile und Milieus, berichtet das Hamburger Abendblatt. "Nur: Der Senat werde die Planung 'weiter vorantreiben, und auf dieser Grundlage die Kosten so weit wie möglich ermitteln'." [5]

Solcherlei Formulierungen machen deutlich, daß unter Rot-Grün keine Olympia-Opposition zu erwarten ist, die über eine Mainstream-Kritik am Gigantismus des IOC hinausgeht und den Geschädigten des national- wie lokalpatriotischen Fieberwahns Stimme und Gesicht verleiht. Die ambivalente Ja-Aber-Haltung der Grünen zu Olympia wird der Hamburger Wirtschaft genau die Feigenblätter liefern, die sie braucht, um das neoliberale Megaprojekt durchziehen zu können. Besser hätte es die abgehalfterte CDU niemals zu tun vermocht. Die Leistung der Grünen könnte indessen sein, die berechtigten Vorbehalte der Bürgerinnen und Bürger mit dem euphorischen Aufbruchsversprechen, "es geht auch anders", aufzusaugen und in der gutgeölten Maschinerie olympischer Verheißungen abtropfen zu lassen. Es wäre nicht das erste Mal, daß bürgerliche Mitmachfallen so gut funktionierten.

Fußnoten:

[1] https://www.bundestag.de/blob/367106/c517124a6ec3b74ba562ff59a71c6c58/18097-data.txt. Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/97, Stenografischer Bericht, 97. Sitzung, 26.03.2015.

[2] http://www.welt.de/print/wams/hamburg/article132691462/Olympia-darf-nicht-schaden.html. 28.09.2014.

[3] http://www.welt.de/politik/article11098928/Gruene-gegen-Olympia-Schlappe-fuer-Parteispitze.html. 20.11.2010.

[4] http://www.taz.de/!157793/. 08.04.2015.

[5] http://www.abendblatt.de/hamburg/article205245521/Was-der-Koalitionsvertrag-fuer-Hamburg-bedeutet.html. 09.04.2015.

10. April 2015


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