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TIERHALTUNG/580: Schwarz-Gelb leistet tierschutzpolitischen Offenbarungseid (tierrechte)


tierrechte 1.13 - Nr. 62, März 2013
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Landwirtschaftliche Tierhaltung
Schwarz-Gelb leistet tierschutzpolitischen Offenbarungseid

Christina Ledermann



Groß waren die Erwartungen an die schwarz-gelbe Tierschutzpolitik nie. Der große Einfluss der Lobbys auf die CDU/CSU und die neoliberale Wirtschaftshörigkeit der FDP sind bekannt. Im Laufe des Verhandlungsprozesses zur Novelle des Tierschutzgesetzes (TierSchG) wurde allerdings frappierend deutlich, wie stark der Deutsche Bauernverband (DBV), die Verbände der Fleisch-, Milch- und Ernährungsindustrie u.a. Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess nehmen. Doch auch jenseits des Tierschutzgesetzes verpasst oder blockiert die Bundesregierung einen besseren Schutz der Tiere. Zwar gibt es kleine Fortschritte - doch wenn es um die gravierenden Tierschutzprobleme im Nutztierbereich oder um die Förderung höherer Tierschutzstandards bei der EU-Agrarreform geht, lassen sich CDU/CSU und FDP vor den Karren der Agrar-Lobby spannen und ignorieren den Willen der Bürger. Denn die Mehrheit hat die Tierschutz- und Lebensmittelskandale satt. Sie wünscht sich eine andere Landwirtschaft mit deutlich höheren Tierschutzstandards.

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner bemüht gerne das Mantra der hohen deutschen Tierschutzstandards. Bilanziert man jedoch die Tierschutz-Leistungen dieser Regierung, zeigt sich, dass fast immer, wenn es um eine Abwägung zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Tierschutz ging, der Ökonomie der Vorrang gewährt wurde. Beispiel Hennen: Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) musste die Bundesregierung im Frühjahr 2012 die Haltungsvorgaben für Legehennen neu regeln. Dabei ging es de facto um die Abschaffung der beschönigend "Kleingruppenhaltung" genannten Käfige für Legehennen. Daraufhin legte das Bundeslandwirtschaftsministerium einen Entwurf vor, der die von Anfang an rechtsunsichere Kleingruppenhaltung zwar auslaufen lassen wollte, dafür aber unerhört lange Übergangsfristen bis 2035 vorsah. Der Bundesrat lehnte diesen Regierungsentwurf empört ab und stimmte stattdessen einem Kompromissvorschlag von Niedersachsen und Rheinland-Pfalz zu, der die Käfighaltung - mit Ausnahmen - bis Ende 2023 beenden sollte. Die Bundesregierung ignorierte diesen Kompromiss und lies die Frist des Gerichtes zur Neuregelung der Hennenhaltung verstreichen. Damit bleibt nun jedem Bundesland selbst überlassen, wie lange die Kleingruppenkäfige fortbestehen dürfen. Das Risiko eines schnellen Verbots werden viele Länder scheuen, denn sie riskieren aufgrund der unklaren Rechtslage Klagen der Kleingruppenbetreiber.

Der schmerzhafte Schenkelbrand - ein "schützenswertes Kulturgut"?

Auch bei der Novelle des Tierschutzgesetzes fielen die ohnehin geringen Verbesserungen in einigen speziellen Bereichen, wie der betäubungslosen Ferkelkastration und dem Brandzeichen bei Pferden, den wirtschaftlichen Interessen der Tiernutzer zum Opfer. Das schmerzhafte und völlig unnötige Brandzeichen bei Pferden, das längst durch eine moderne und seit 2010 von der EU vorgeschriebene Chip-Kennzeichnungsmethode ersetzt wird, soll erlaubt bleiben. Und warum? Weil der DBV und die Pferdezuchtverbände das Brandzeichen als Markenzeichen erhalten wollen; mit der Begründung, es handele sich um ein schützenswertes Kulturgut. Erst ab 2019 soll der Schenkelbrand ohne Betäubung verboten werden.

Ferkel: Kastration unter Betäubung ist Haltern zu teuer

Die betäubungslose Ferkelkastration, die Ministerin Aigner zunächst nur bis 2017 erlauben wollte, bleibt, nach der Einflussnahme der Agrar-Lobby, nun bis 2019 legal. Und dies, obwohl Alternativen vorhanden sind. Doch eine durch einen Tierarzt durchgeführte Kastration unter Narkose kostet etwa 5 Euro - dies ist dem DBV offensichtlich zu teuer. Die anderen möglichen Verfahren wie die Impfung gegen Ebergeruch (Immunokastration) oder die Ebermast in Verbindung mit Maßnahmen, die den Geruch reduzieren, werden als nicht praxistauglich abgelehnt. Die Verzögerung des Verbotes ist gut für die Schweinehalter, denn sie sparen bis 2019 mehrere hundert Millionen Euro, die sie nicht in Alternativen investieren müssen. Schlecht ist dies für die mehr als 20 Millionen männlichen Ferkel jährlich, die weiterhin ohne Betäubung und bei vollem Bewusstsein kastriert werden. Zu den anderen Amputationen, wie dem Kupieren von Ringelschwänzen, dem Kürzen von Schnäbeln, Zehen und Kämmen, der Enthornung von Kälbern und dem Abschleifen von Eckzähnen, die bei praktisch allen "Nutztieren" ohne Betäubung durchgeführt werden, schweigt das Gesetz weiterhin.

Qualzucht: Weiterhin möglich!

Die Novelle sollte auch das Problemfeld Qualzuchten neu regeln. Nach Paragraph 11b Tierschutzgesetz ist die Qualzucht für Wirbeltiere in Deutschland - außer für wissenschaftliche Zwecke - verboten. Bisher fehlen aber konkrete Definitionen, was unter Qualzucht bei den einzelnen Tierarten zu verstehen ist. Diese überfällige Konkretisierung bleibt das Gesetz weiterhin schuldig. Stattdessen enthält es lediglich ein Ausstellungsverbot für einige extreme Zuchtlinien bei Haustieren. Von den Qualzuchten im Nutztierbereich ist keine Rede. Dabei wäre gerade hier der Bedarf groß. Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kritisieren z. B. die agrarindustrielle Qualzucht bei "Masthühnern". Laut der EFSA ist u.a. die einseitige Zucht der Masthybriden auf schnelles Wachstum, permanente Nahrungsaufnahme und auf den überdimensionalen Brustfleischansatz verantwortlich für schmerzhafte Skeletterkrankungen, Lahmheit und plötzlichen Herztod. Ein weiteres Musterbeispiel für Qualzucht sind Mastputen, beispielsweise der überwiegend in Deutschland eingesetzten Zuchtlinie "Big 6", die - wie die "Masthühner" - auf Turbowachstum und eine überbreite Brustmuskulatur gezüchtet ist. Die Novelle des Tierschutzgesetzes taugt damit nicht einmal mehr als Feigenblatt. Was die sogenannten Nutztiere betrifft, gerät sie stattdessen zum tierschutzpolitischen Offenbarungseid.

Schweinehaltung: Deutschland droht Vertragsverletzungsverfahren

Völlig absurd klingt Aigners Tierschutz-Mantra, beachtet man die Tatsache, dass Deutschland derzeit ein Vertragsverletzungsverfahren der EU droht, weil es die ohnehin niedrigschwelligen EU-Tierschutzstandards in der Schweinehaltung nicht einhält. Nach der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung ist die durchgehende Einzel-Haltung von Muttersauen im Kastenstand für alle Zuchtbetriebe seit 2013 verboten. Tragende Sauen müssen nun im Zeitraum von vier Wochen nach dem Decken bis eine Woche vor der errechneten Geburt, also etwa elf Wochen, in einer Gruppe in größeren Boxen gehalten werden. Doch aktuell zeigt sich, dass viele - vor allem kleinere Betriebe in Deutschland - das Verbot nicht fristgerecht umgesetzt haben. Gemäß einer internen Tabelle der EU-Kommission haben fast alle anderen Länder die neuen Vorschriften zu 100 Prozent umgesetzt.

Puten: Regierung hält bessere Haltungsvorgaben für unnötig

Die Haltungsbedingungen, die in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung festgeschrieben sind, verstoßen - wenn man es genau nimmt - größtenteils gegen das Tierschutzgesetz. Für einige Tierarten wie für "Milchkühe", Puten in Vermehrungs- und Mastbetrieben oder für "Mastkaninchen" gibt es jedoch noch nicht einmal gesetzliche Mindestanforderungen. Besonders die intensive Putenmast ist außerordentlich tierquälerisch. Eklatante Missstände sind an der Tagesordnung. Deswegen brachten Bündnis 90/Die Grünen Mitte Dezember 2012 einen Antrag (17/11667) zur Verbesserung der Haltungsbedingungen für Puten ein. Während Grüne, SPD und Die Linke für den Antrag stimmten, lehnten CDU/CSU und FDP den Antrag ab. Begründung: Der Antrag sei vor dem Hintergrund der aktuellen Novellierung des Tierschutzgesetzes "entbehrlich" und den Behörden stünden bereits alle notwendigen Möglichkeiten und Mittel zur Verfügung, um Missstände abzustellen.

Kaninchen: Käfighaltung soll erlaubt bleiben

In Deutschland leiden und sterben jedes Jahr Millionen Kaninchen für die "Fleischproduktion". Sie vegetieren unter katastrophalen Bedingungen, dicht gedrängt in trostlosen Drahtgitterkäfigen ohne Rückzugsmöglichkeiten. Für die Kaninchenhaltung zu Erwerbszwecken gib es weder auf EU-Ebene noch national verbindliche Haltungsvorgaben. Nachdem der Bundesrat die Regierung schon 2009 aufgefordert hatte, den Tierschutz bei der Haltung von Kaninchen zu Erwerbszwecken endlich durch eine Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zu regeln, legte die Regierung Ende März 2012 einen Entwurf zur Kaninchenhaltung vor. Der Bundesverband, der zur Stellungnahme aufgefordert wurde, hält die darin enthaltenen Haltungsvorgaben für inakzeptabel, weil sie die Käfighaltung weiterhin ermöglichen statt sie zu verbieten. Ähnlich wie bei den Hennen sollen auch die Kaninchen weiterhin in Käfigen, die wenig größer sind als die alten Käfigsysteme, gehalten werden dürfen. Auch eine Einzelhaltung soll möglich bleiben. Die Verordnung der Regierung kommt den Kernforderungen der Tierschutzverbände an eine artgemäße Kaninchenhaltung nicht nach. Allerdings stellt sie im Vergleich zu den derzeitig üblichen und völlig ungeregelten Haltungsbedingungen eine Verbesserung dar.

Bundesregierung fördert Intensivtierhaltung

Obwohl Umfragen, wie eine im Januar veröffentlichte Infratest dimap-Befragung, immer wieder aufzeigen, dass die Mehrheit der Verbraucher (89 Prozent) beim Einkauf Wert darauf legen, dass tierische Produkte aus tiergerechter Haltung stammen, fördert Deutschland die tierquälerische Intensivtierhaltung mit mehr als 80 Millionen Euro jährlich. Hintergrund ist das erklärte Ziel der Bundesregierung, Deutschland zu einem wichtigen Fleischlieferanten für den Weltmarkt zu machen - mit Erfolg: Deutschlands Fleischexport steigt. Eine sogenannte Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion zeigte kürzlich, dass der Netto-Export von Schweinefleisch im ersten Halbjahr 2012 um 120.600 Tonnen zunahm. Betrugen die Exporte 2001 noch 1,5 Millionen Tonnen, hat sich die Ausfuhr von Schweine-, Rind- und Hühnerfleisch mittlerweile mehr als verdoppelt. Dadurch ist es zu einer immensen Überproduktion beispielsweise beim Schweinefleisch gekommen: Die Folgen sind Preisdumping und ein Fleisch-Überschuss, der vernichtet wird. Allein dafür sterben jedes Jahr in Deutschland etwa 20 Millionen Schweine.

Skandalös: Hermesbürgschaft für verbotene Legebatterien im Ausland

Im Sommer letzten Jahres wurde darüber hinaus bekannt, dass die Regierung auch die Intensivtierhaltung außerhalb von Deutschland fördert. Das Wirtschaftsministerium bestätigte im Herbst 2012 in seiner Antwort auf eine Anfrage der Grünen die Vergabe einer sogenannten Hermesbürgschaft(**) über 26 Millionen Euro für Legebatterien in der Ukraine mit drei beziehungsweise fünf Millionen Hennen. Die Tatsache, dass Deutschland eine Haltungsform im Ausland fördert, die in Deutschland seit 2009 aus Tierschutzgründen verboten ist, ist skandalös. Aigners Mär von Deutschland als Taktgeber in Sachen Tierschutz wird hier ad absurdum geführt.

Beschränkung von Mastanlagen: Gesetz reicht nicht aus

Dank dem wachsenden Protest von Bürgern, Kommunen und Landkreisen gegen den Bau neuer Mastanlagen dämmerte es der Regierung, dass die Privilegierung der Intensivtierhaltung durch das Bundesbaugesetz nicht länger tragbar war. Ende Februar 2012 legte das Verkehrsministerium einen Entwurf für eine Novellierung des Bundesbaugesetzes vor. Diese wurde jedoch im Laufe des Verhandlungsprozesses wiederum verschlechtert. Künftig soll für Mastanlagen, die der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen, ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Dieser ermöglicht den Kommunen, steuernd einzugreifen. Die Archillesverse der Regelung: Sie greift erst ab einer bestimmten Anlagengröße. Dadurch besteht die Gefahr, dass die Einschränkungen umgangen werden, indem zukünftig Ställe beantragt werden, die knapp unter den entsprechenden Tierzahlen und damit einer verpflichtenden Umweltverträglichkeitsprüfung liegen. Die neue Regelung stellt zwar eine Verbesserung dar, diese ist jedoch zu schwach. Nötig wären Regelungen für die gesamte Tierhaltung - ohne Unterscheidung zwischen landwirtschaftlicher und gewerblicher Tierhaltung. Zudem müsste die kommunale Steuerungsfähigkeit deutlich erhöht und die Möglichkeit fiktiver Futteranbauflächen unterbunden werden.

Chance für Verbesserungen verpasst: Die Schlachtverordnung

Die gravierenden Tierschutzverstöße auf den Schlachthöfen, wie unzureichende Betäubungen, sind bekannt. Im Januar 2013 trat die neue EU-Schlachtverordnung ((EG) Nr. 1099/2009) in Kraft, an die die deutsche Verordnung nun angepasst werden muss. Die Regierung legte dazu im Juli 2012 einen Entwurf vor. Insgesamt ist die neue EU-Verordnung enttäuschend. Sie sieht zwar die Ernennung von Tierschutzbeauftragten in den Schlachthöfen vor, überlässt aber zu viel der Selbstkontrolle. Notwendig wäre es, strengere unabhängige Kontrollen vorzuschreiben. Zudem bleibt die billige tierquälerische Gasbetäubung bei Schweinen mit hohem CO2-Anteil weiter zulässig, statt Alternativen voranzubringen. Auch für die schmerzhafte und stressige Elektrowasserbadbetäubung ("Shackling") von Geflügel sieht die neue Schlachtverordnung keine Abschaffungsfrist vor, obwohl es serienreife Alternativen gibt. Die neue Verordnung schiebt aus ökonomischen Gründen die Abschaffung von überholten und tierquälerischen Schlachttechniken weiter hinaus. Die deutsche Verordnung geht über die EU-Vorgaben hinaus und ist geringfügig besser als die vorher geltenden nationalen Vorgaben. Beispielsweise hat Deutschland strengere Vorschriften für die Tötung von Tieren außerhalb von Schlachthöfen festgeschrieben. Immerhin konnte durch Annahme der Empfehlungen der EU-Kommission vermieden werden, dass die EU-Verordnung die geltenden Standards in den Mitgliedsländern verschlechterte. Die Mitgliedstaaten sind zumindest in bestimmten Bereichen berechtigt, strengere nationale Bestimmungen zu erlassen.

Schächten: Regierung bleibt weiter untätig

Diese Möglichkeit nutzte die Regierung beim betäubungslosen rituellen Schlachten (Schächten) allerdings nicht. Damit gelten - wie bisher - die unzureichenden Bestimmungen des Tierschutzgesetzes, die das Schächten in Ausnahmefällen erlauben. Trotz wiederholter Bundesratsbeschlüsse ist Deutschlands Regierungskoalition in Punkto Schächten seit Jahren untätig. Auch im Hinblick auf das Staatsziel Tierschutz fordert der Bundesverband Menschen für Tierrechte, das Schächten konsequent zu verbieten und eine Elektrobetäubung vor dem Schächtschnitt vorzuschreiben.

Aigner kontra ökologische Agrar-Reform

Ein weiterer Bereich, in dem die Regierung bezüglich Tierschutz versagt, ist die ökologische Agrar-Reform der EU. Hier bieten sich diverse Möglichkeiten, die wichtigen Direkthilfen neben sozialen und ökologischen auch an Tierschutzkriterien zu binden. Zudem könnten Agrarinvestitionen nach der sogenannten ELER-Verordnung(**) nur noch für tiergerechte Haltungssysteme vergeben werden. Grundlage müssten allerdings weitaus strengere Vorgaben als die der EU-Nutztierhaltungsrichtlinie sein. Doch die Regierung zeigt daran offensichtlich kein Interesse - im Gegenteil. Ende Januar setzte sich Deutschland im Agrarausschuss gegen Öko-Auflagen, wie dem "Greening", ein. Danach sollen Bauern z.B. sieben Prozent ihrer Flächen für ökologische Zwecke bereitstellen. EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos warf Deutschland vor, den Aufbau einer umweltverträglichen Landwirtschaft zu blockieren. Glücklicherweise ist Deutschland damit im Februar im Rat gescheitert. Der Vorschlag der EU-Kommission, 30 Prozent der Direktzahlungen unmittelbar an die Einhaltung von ökologischen Kriterien zu binden, konnte gestärkt werden.

Mit ihrem Widerstand gegen eine Ökologisierung der Landwirtschaft handelt die Regierung wiederum gegen den erklärten Willen ihrer Bürger. Nach einer aktuellen, repräsentativen Umfrage der Umweltschutzorganisation WWF stehen 86 Prozent aller Deutschen für eine Bindung der Agrarzahlungen an Maßnahmen, die Umwelt und Nachhaltigkeit dienen. Aigners Rezept, um den Schutz der "Nutztiere" auf EU-Ebene voranzubringen, ist stattdessen die Einführung eines Tierschutzsiegels, vergleichbar mit der neuen Kennzeichnung für Schweine- und Hühnerfleisch, die sie zusammen mit dem Deutschen Tierschutzbund im Januar in Berlin vorstellte. Statt gesetzlicher Regelungen und einer effektiven Förderpolitik spielt die Regierung dem Verbraucher einfach den "schwarzen Peter" zu, um für Tierschutz zu sorgen.

Neue Bewegung fordert eine andere Landwirtschaft

Trotz dieser katastrophalen politischen Bilanz in Sachen Tierschutz gibt es Entwicklungen, die Hoffnung machen. Ereignisse wie die Landwirtschaftsdemo "Wir haben es satt!" zu Beginn der "Grünen Woche" in Berlin, der "Good Food March" 2012 nach Brüssel und die intensive gesellschaftliche Diskussion zeigen, dass die Menschen die Tierschutz- und Lebensmittelskandale satt haben. 1.000 deutsche Professoren fordern im "Berliner Appell", EU-Agrar-Subventionen an die Einhaltung höherer Tierschutzstandards zu koppeln. Der Widerstand gegen neue Mastanlagen formiert sich. Ein breites Bündnis aus Tierschützern, Umwelt- und Naturschutzgruppen, bäuerlich ökologischer Agraropposition, Biolandwirten, Gentechnikgegnern, Entwicklungshelfern und Slow Food-Aktivisten bildet eine neue europäische Bewegung, die nichts weniger fordert als Ernährungssouveränität. Die Landwirtschaft ist kein Expertenthema mehr, sondern ein zentrales Anliegen der Zivilgesellschaft. Auch wenn wir wahrscheinlich noch bis zur nächsten Etappe der EU-Agrarreform warten müssen, die Politik kann den Willen der Bürger nicht ewig ignorieren. Und was den Tierschutz in Deutschland angeht: Es sind ja glücklicherweise bald Wahlen.


ANMERKUNGEN

(*) Eine Hermesbürgschaft ist eine Exportkreditgarantie der Bundesrepublik Deutschland. Die staatliche Exportkreditversicherung gilt als bedeutender Bestandteil der Außenwirtschaftsförderung. Die Versicherung schützt die deutschen Unternehmen vor Verlusten, wenn die Zahlungen der ausländischen Geschäftspartner ausbleibenden.

(**) Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums.

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Quelle:
tierrechte 1.13 - Nr. 62/März 2013, S. 7-11
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
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Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2013