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TIERHALTUNG/681: Kaninchenleid europaweit (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 2/2016
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Kaninchenleid europaweit

Von Kathrin Kofent


Späte Haustiere

Kaninchen wurden in Europa erstmals 1.100 vor Christus auf der Iberischen Halbinsel gesichtet. Alle Wildkaninchenpopulationen die heute in Nordeuropa vorkommen sowie unsere Hauskaninchen stammen von dieser Population ab. Als Haustiere wurden Kaninchen erst relativ spät, nämlich ab 500-300 vor Christus, gehalten. Gezielte Züchtungen fanden jedoch erst im Mittelalter statt. Zu dieser Zeit erklärte Papst Gregor I. neugeborene Kaninchen kurzerhand zu Fischen. Diese durften die Mönche auch während der Fastenzeit essen. So wurden die "hoppelnden Fische" zur Fleischproduktion in Klöstern und Burggärten gehalten.


Kuscheltiere und Tiefkühlbraten

Heute gehören Kaninchen zu den beliebtesten Haustieren. Aus vielen deutschen Kinderzimmern sind sie nicht mehr wegzudenken. Rund 3,9 Millionen der fröhlichen, geselligen "Langohren" hoppeln derzeit durch deutsche Haushalte. Konträr dazu starben in deutschen Schlachthöfen 2013 nach Schätzungen der Welternährungsorganisation (FAO) 22 Millionen Mastkaninchen.


Haltung von Hauskaninchen

Ursprünglich wurden die Tiere in der hobbymäßigen Rassekaninchenzucht und der traditionellen Hauskaninchenhaltung aufgezogen. In den letzten 20 Jahren ist die Nachfrage nach Kaninchenfleisch so gestiegen, dass im In- und Ausland zudem große Käfig-Mastanlagen entstanden sind. Für in Deutschland gemästete und gezüchtete Kaninchen gelten seit dem 11. August 2014 Mindestanforderungen für die Haltung. Die neue Nutztierhaltungsverordnung sieht aber für viele Altanlagen mit Batteriekäfigen noch Übergangsfristen von bis zu zehn Jahren vor. In der deutschen Gesetzgebung sind außerdem nach wie vor Käfige zugelassen, wenn auch in ausgestalteter Form. Die Käfige werden den bewegungsfreudigen Kaninchen aber in keiner Weise gerecht, denn die Tiere werden viel zu stark in ihrem natürlichen Bewegungs- und Sozialverhalten beschränkt. Die Zustände in den Käfiganlagen sind überdies häufig katastrophal: Viele Tiere leiden an wunden Pfoten und haben teils schwere Verletzungen durch Aggressionsverhalten und Kannibalismus. Etliche Mast - und Zuchttiere sind apathisch oder krankhaft aktiv. Trotz Grenzwerten für die maximale Belastung mit Ammoniak kommt es außerdem weiterhin zu Schleimhaut- und Augenreizungen, da die Tiere direkt über ihren Exkrementen leben müssen.


Hohe Sterblichkeit

Grundsätzlich sind die Bedürfnisse unserer Hauskaninchen mit denen des Wildkaninchens fast identisch. Auch hochgezüchtete Mastkaninchen - ebenso wie Kuschel-Hauskaninchen - wollen Hoppeln, Hakenschlagen und Männchen machen. Sie benötigen soziale Kontakte und gleichzeitig Freiraum zum Ausweichen. Kaninchen sind sehr empfindsame und empfindliche Tiere. Sie reagieren sehr sensibel auf äußere Einflüsse. Das macht die Haltung unter industriellen Bedingungen besonders schwer. Bei keinem anderen "Nutz"tier gibt es eine so hohe Sterblichkeitsrate wie beim Kaninchen.

Trotzdem ist das Kaninchen in Europa, ausgehend von der Anzahl an Individuen, die zweithäufigste "Nutz"tierart. Pro Jahr werden in der EU über 326 Millionen Kaninchen gemästet und geschlachtet. 70 Prozent der Mast findet in Frankreich, Italien und Spanien statt.

Trotz dieser hohen Tierzahlen steht auf EU-Ebene eine gesetzliche Regelung nach wie vor aus. Es gibt keinerlei verbindliche Vorgaben zu Bodenbeschaffenheit, Besatzdichte, Gruppengröße und Mindestfläche je Tier.


Hoffnung

PROVIEH sieht hier dringenden Handlungsbedarf, am besten auf europäischer Ebene, denn die genannten Hauptproduzentenländer sowie viele osteuropäische Staaten haben überhaupt keine Regelungen. Das Recht, gesetzgeberische Initiativen für die EU zu ergreifen, liegt in Brüssel allerdings nicht bei den gewählten Parlamentariern des Europaparlaments (EP), sondern allein in der Hand der von den Mitgliedsstaaten ernannten EU-Kommissare. Aus diesem Grunde unterstützt PROVIEH aktuell die Arbeit des Europaabgeordneten Stefan Eck. Er verfasst derzeit einen "Initiativbericht", um die EU-Kommission zum Entwurf einer Kaninchenhaltungsrichtlinie zu bewegen. Zu weit hinken die Zustände in der Tierhaltung, bei Transport und Schlachtung hinter den gesellschaftlichen Ansprüchen an die "Nutz"tierhaltung hinterher. In diesem Bericht sollen nach Vorstellungen von Stefan Eck und PROVIEH möglichst strengere Regeln verankert werden, als die deutsche Nutztierhaltungsverordnung von 2014 für Kaninchen beinhaltet, da sie einige gravierende Tierschutzprobleme nicht löst. Wünschenswert wäre ein Verbot der Käfighaltung auf EU-Ebene. Darauf werden wir gemeinsam hinarbeiten.


INFOBOX

Gemeinsam mit weiteren Tierschutzorganisationen wird PROVIEH auf Einladung von Stefan Eck am 21.06.2016 bei der Veranstaltung "End the Cage Age: for Rabbits!" im EU-Parlament für die Kaninchen sprechen. Mit einer Ausstellung soll aufgezeigt werden, dass eine EU-Gesetzgebung für Mastkaninchenhaltung und Kaninchenzuchtbetriebe sowie speziesspezifische Regeln für Transport und Schlachtung dringend erforderlich sind. Die EU-Abgeordneten werden über die bereits vorhandenen Gesetze für die kommerzielle Kaninchenhaltung in einigen Mitgliedstaaten sowie über die derzeitigen Bedingungen in der Kaninchenhaltung informiert. Wir hoffen mit dieser gemeinsamen Aktion Interesse zu wecken und die EU-Abgeordneten zu animieren, sich für ein Verbot der Käfighaltung einzusetzen.

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 2/2016, Seite 32-34
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Telefon: 0431/248 28-0
Telefax: 0431/248 28-29
E-Mail: info@provieh.de
Internet: www.provieh.de
 
PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2016

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