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JUSTIZ/197: Im Dschungel der Gesetze, Verordnungen, Richtlinien (tierrechte)


tierrechte Nr. 49, August 2009
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Im Dschungel der Gesetze, Verordnungen, Richtlinien

Von Marion Selig und Lena Hildermann


Für Nicht-Juristen ist alles, was mit gesetzlichen Vorschriften zu tun hat, meistens erst mal abschreckend. Es stellt schon eine Herausforderung dar, einen Gesetzestext zu lesen - ihn auch zu verstehen, ist dann eine weitere Aufgabe.


Wer die Missstände im Tierschutz grundlegend verbessern will, dem bleibt es jedoch nicht erspart, sich mit dem Tierschutzgesetz und anderen Rechtsvorschriften, die Tiere betreffen, zu befassen. Denn dort ist u. a. festgelegt, unter welchen Bedingungen Tiere zu halten sind und was z. B. hinsichtlich der Tierversuche erlaubt ist. Die Vorschriften sind zum Teil völlig unzureichend - so z.B. was die Haltung sogenannter Nutztiere betrifft - und mit dafür verantwortlich, wie es um den Tierschutz und die Tierrechte bestellt ist. Die Gesetze zu ändern, ist daher eine wesentliche und notwendige Aufgabe, um die Situation der Tiere grundlegend und langfristig zu verbessern - allerdings eine Aufgabe, die dem Bohren meterdicker Bretter gleichkommt.

Dazu kommt, dass Deutschland als Teil der Europäischen Union an deren Vorgaben gebunden ist. EU-weite Vorschriften müssen mit 26 anderen Staaten - und zukünftig vermutlich noch mehr Mitgliedern - abgestimmt werden. National strengere Regelungen - z.B. was die Haltung von Legehennen oder Masthühnern betrifft - sind zum Teil zwar möglich, aber von der deutschen Politik selten gewollt.

Um aufzuzeigen, welche Rechtsvorschriften auf Ebene der EU, des Bundes, der Länder und Kommunen existieren, wo die Zuständigkeiten liegen und um damit den Zugang und das Verständnis zu erleichtern, sind hier die verschiedenen Ebenen und die dazugehörigen Rechtsquellen aufgeführt. Die Ausführungen sind zum Teil stark vereinfacht dargestellt und beziehen sich auf den Bereich des Tierschutzrechts.


Europäische Union

• Verträge zur Europäischen Gemeinschaft und zur Europäischen Union (z. B. Lissabon-Vertrag, der derzeit noch in der Diskussion ist)

Diese völkerrechtlichen Verträge binden alle Organe der EU (insbesondere die EU-Kommission und den Europäischen Gerichtshof) sowie alle Mitgliedstaaten.
Die Organe der EU (vor allem der Ministerrat) sind zum Erlassen von Richtlinien und Verordnungen ermächtigt.

• Verordnungen, z. B.Tiertransportverordnung

EU-Verordnungen sind ein sehr starkes gemeinschaftsrechtliches Instrument, da sie mit ihrem gesamten Inhalt und ihrer Ausgestaltung in den Mitgliedstaaten verbindlich sind.
Den Mitgliedstaaten kommt keinerlei Umsetzungsspielraum zu.

• Richtlinien, z. B. Tierversuchsrichtlinie, Richtlinie zur Haltung von Masthühnern

Eine EU-Richtlinie wirkt wie ein Rahmen, den die Mitgliedstaaten durch eigene Rechtsakte (Gesetze oder nationale Verordnungen) innerhalb einer bestimmten Frist ausfüllen - also in nationales Recht umsetzen - müssen. So wurde die EU-Richtlinie zur Haltung von Masthühnern von 2007 im Juni 2009 durch den Bundesrat in deutsches Recht umgesetzt (durch eine Änderung der deutschen Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung).
Bei der Umsetzung von Richtlinien kommt den einzelnen Mitgliedstaaten ein Umsetzungsspielraum zu. Enthält eine Richtlinie zum Beispiel Schutzvorschriften für Tiere, steht es den Mitgliedstaaten grundsätzlich offen, strengere Anforderungen festzusetzen.

Deutschland

• Grundgesetz

Das Grundgesetz stellt die rechtliche und politische Grundordnung Deutschlands dar.
Es enthält insbesondere die Grundrechte wie z. B. das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Daneben legt es die Staatsform fest, indem es z. B. das Demokratieprinzip als unabänderlich in die Verfassung aufgenommen hat.
Für den Tierschutz interessant ist weiterhin das Staatsziel Tierschutz in Artikel 20 a. Ein Staatsziel richtet sich ausschließlich an den Staat und schreibt diesem die Erfüllung bestimmter Aufgaben oder die Verfolgung bestimmter Ziele vor. Ein Staatsziel ist also kein Recht, auf das sich ein Bürger berufen kann, sondern ein Programmauftrag an den Staat, der vom Gesetzgeber, der Verwaltung und den Gerichten zu beachten ist.

• Parlamentsgesetze, z. B. Tierschutzgesetz oder Arzneimittelgesetz

Von Parlamentsgesetzen spricht man in Abgrenzung zur Verfassung. Ein Parlamentsgesetz liegt vor, wenn das gesetzgebende Organ über das Gesetz abgestimmt hat.
Bis zu einem gewissen Maß kann der Gesetzgeber auch die Verfassung ändern (z.B. wurde 2002 das Staatsziel Tierschutz in die Verfassung aufgenommen).
Bei der Gesetzgebung haben sowohl die Bundesregierung (bzw. auf Landesebene die Landesregierung), der Bundesrat als auch der Bundestag das Recht, Gesetzesentwürfe in den Bundestag einzubringen. Allein der Bundestag (bzw. der Landtag) hat jedoch das Recht, ein Gesetz zu beschließen.
Bei einigen Bundesgesetzen muss nach dem Beschluss durch den Bundestag noch der Bundesrat zustimmen. Dies betrifft Gesetze, die die Verfassung, die Finanzen oder die Verwaltung von Bundesländern berühren. Verweigert der Bundesrat seine Zustimmung, kommt das Gesetz nicht zustande.
Die meisten Gesetze enthalten einen allgemeinen Teil, der grundsätzliche Vorgaben macht (z.B. Paragraf 1 des Tierschutzgesetzes: Zweck ist der Schutz der Tiere). Im besonderen Teil der Gesetze sind dann spezielle Regelungen für bestimmte Situationen vorgesehen (z.B. Tierhaltung ab Paragraf 2). Weiter konkretisiert wird das Tierschutzgesetz in Rechtsverordnungen (z.B. genaue Platzangaben zur Haltung bestimmter Tierarten).

• Rechtsverordnungen, z. B. Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, die konkrete und verbindliche Vorgaben bislang zur Haltung von Kälbern, Schweinen, Legehennen, Masthühnern und Pelztieren macht

Rechtsverordnungen (auch materielle Gesetze genannt) sind Vorschriften, die ausschließlich von der Regierung, von Ministern oder von Verwaltungsbehörden erlassen werden dürfen. Der Bundes- bzw. Landtag ist also nicht beteiligt.
Rechtsverordnungen dienen vor allem der Konkretisierung von Gesetzen und sollen den Gesetzgeber davon entlasten, sämtliche Detailfragen selbst regeln zu müssen. Der Erlass von Rechtsverordnungen ist daher weniger aufwendig als die Schaffung von Gesetzen. Zu bestimmten Rechtsverordnungen muss der Bundesrat zustimmen.
Wie Gesetze auch, haben Bundesverordnungen bundesweite Geltung, während Landesverordnungen nur in dem jeweiligen Bundesland wirken.

Bundesländer

• Landesgesetze, z. B. Landesjagdgesetze, Landesfischereigesetze, Landeshundegesetze

Die Kompetenz, Gesetze zu schaffen, ist zwischen dem Bund und den Ländern verteilt, wobei sich die Verteilung aus dem Grundgesetz ergibt. In einigen Bereichen (z. B. im Jagdrecht) ermächtigen Bundesgesetze die Länder zu einer eigenen Gesetzgebung.

• Verordnungen

Auch auf Landesebene gibt es landesweit geltende Verordnungen. Einige Bundesländer regeln z.B. die Hundehaltung nicht in einem Gesetz, sondern in einer Verordnung. Andere Beispiele sind Verordnungen zur Wildfütterung oder zur Jagdhund-Prüfung.

• Erlasse

Eine weitere Möglichkeit, mit der die Vorgaben von Gesetzen konkretisiert werden können, sind Erlasse.
Darunter versteht man Anordnungen, die von Behörden an nachgeordnete Dienststellen gegeben werden können.
Das hessische Landwirtschaftsministerium hat z.B. den sogenannten Qualzuchterlass herausgegeben. Damit werden den Veterinärämtern konkrete Anweisungen gegeben, wie der Qualzuchtparagraf des Tierschutzgesetzes auszulegen ist und welche Rassen bzw. Zuchtlinien einzelner Rassen unter das Qualzuchtverbot fallen. So dürfen in Hessen z. B. keine Nackthunde gezüchtet und ausgestellt werden. Erhält das Veterinäramt Kenntnis von auf Ausstellungen in Hessen gezeigten Nackthunden, kann es ein Verfahren gegen den Züchter in die Wege leiten.


Kommunen

Unter den Begriff der Kommune fallen Gemeinden oder Städte.

• Satzungen

Die Kommunen sind ein Teil der Verwaltung, weshalb der Gemeinde- oder Stadtrat auch keine Parlamentsgesetze, sondern nur materielle Gesetze erlassen kann. Auf kommunaler Ebene spricht man dabei von Satzungen (z. B. Hundesteuersatzung).
Lokale Probleme, z.B. mit frei lebenden Tieren wie Stadttauben, können auf kommunaler Ebene gelöst (Konzept zum Stadttaubenmanagement) oder auch verschärft werden (durch kommunale Taubenfütterungsverbote).

• Veterinärämter

Meist sind auf kommunaler Ebene auch die Veterinärämter angesiedelt, also die Ämter, die für die Überwachung landwirtschaftlicher oder gewerblicher Tierhaltungen sowie auch Tierhaltungen in Instituten, Laboren oder der Industrie zuständig und verantwortlich sind. Wenn man den Verdacht hat, dass Tiere vernachlässigt oder gequält werden, ist das kommunale Veterinäramt - oder auch die Polizei - zu verständigen.

Verstoß gegen Gesetze

Ein Verstoß gegen Vorschriften, die die Haltung oder den Umgang mit Tieren regeln oder ihrem Schutz dienen, wird in den meisten Fällen als Ordnungswidrigkeit eingestuft und mit einem Bußgeld belegt. Eine Straftat, die auch eine Freiheitsstrafe zur Folge haben kann, liegt laut Tierschutzgesetz dann vor, wenn ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund getötet wird oder einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche, länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt werden. In der Realität ist es in den meisten Fällen schwer nachzuweisen, dass Tiere aus Rohheit vernachlässigt, falsch gehalten oder gequält werden.


Bessere Gesetze für Tiere

Der Weg, Tieren durch bessere Gesetze zu helfen, ist lang und beschwerlich und bedeutet, sich mit Politikern, Tiernutzern, Behörden, Gerichten und anderen Beteiligten auseinanderzusetzen. Doch er ist notwendig, um nachhaltig etwas zu erreichen. Ein wichtiges Mittel hierbei ist der Druck der Bürger, die in diesen Tagen auch Wähler sind.

Der Bundesverband wird sowohl die politische Arbeit als auch die Öffentlichkeitsarbeit konsequent weiterverfolgen.


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Quelle:
tierrechte - Nr. 49/August 2009, S. 10-11
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de

tierrechte erscheint viermal jährlich.
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2009