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TIERVERSUCH/767: Lichtblick - Tierversuchsfreie Methoden (tierrechte)


Magazin tierrechte - Ausgabe 1/2018
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

Lichtblick: Tierversuchsfreie Methoden

von Carolin Spicher


Für die Forschungsgebiete, in denen vorwiegend Frettchen eingesetzt werden, ist die Entwicklung von tierversuchsfreien Methoden noch nicht sehr weit, es gibt jedoch Lichtblicke, wie menschliche Krankheitsmodelle und die Human-on-a-Chip-Technologie.


Gerade die Infektionsbiologie bietet schon viele in-vitro-Modelle, in denen die molekularen Mechanismen bei einer Infektion, sei es mit Bakterien oder Viren, entschlüsselt und so mögliche Strategien zur Bekämpfung entwickelt werden können. Allerdings gibt es noch kein ganzheitlich systemisches Modell, das beispielsweise das Symptomspektrum bei der Infektion mit einem neuartigen Influenzavirus abbilden kann. Hierzu bedarf es noch mehr Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Human-on-a-Chip-Modelle.

Identifizierung von Grippe-Viren im Hochdurchsatz

In Bezug auf die Typisierung von Grippeviren wurde im Oktober 2017 das vielversprechende FluType-Projekt mit dem Landespreis Berlin für Alternativmethoden zu Tierversuchen in Forschung und Lehre ausgezeichnet. Momentan müssen jährlich die Zusammensetzungen der Grippeimpfstoffe überprüft und angepasst werden, um gegen das sich ständig verändernde Virus wirksam zu sein. Für diese Tests finden weltweit Tausende Tierversuche an Frettchen und anderen Tieren statt. Das neue System ist zwar noch in der Entwicklung, es basiert jedoch auf einem einfachen, schnellen in-vitro-Testsystem, mit dem die verschiedenen Virenarten aufgrund ihrer Proteinstruktur erkannt werden können. Basierend auf diesen Ergebnissen, könnten dann bei jeder Grippewelle die passenden Impfstoffe empfohlen werden und es müssten keine Frettchen mehr dafür infiziert werden.

Hoffnungsträger: Mini Organe und Organchips

Zur Erforschung der Wirksamkeit von Arzneimitteln werden immer häufiger Krankheitsmodelle in der Petrischale verwendet. Dabei ist es nach dem heutigen Stand auch schon möglich, aus einer Hautzelle eines Patienten zum Beispiel ein völlig anderes Organgewebe herzustellen und damit in-vitro-Untersuchungen anzustellen. So wie die CRISPR/Cas-Technik* genutzt wird, um transgene Tiere "herzustellen", lässt sich diese Technik auch nutzen, um Stammzellen für die Produktion kranken Gewebes in der Petrischale oder auf dem Mikrochip zu verändern, wenn die entsprechende Patientenhautspende nicht zur Verfügung steht. Die Möglichkeiten der verschiedenen Gewebe und Mini-Organe sind mittlerweile äußerst umfangreich, und die Systeme werden laufend verfeinert, um die Situation im menschlichen Körper noch realistischer zu simulieren. Ziel ist, irgendwann einen Minimenschen auf dem Chip optional mit einzelnen Organerkrankungen abzubilden. Auch Hormon- und Immunsystem werden dann integriert sein und könnten für die Forschung zu multisystemischen Fragestellungen, wie der Infektionsforschung verwendet werden. Der bekannte 4-Organ-Chip, entwickelt von der Firma TissUse in Berlin, wird bereits als Krankheitsmodell genutzt.

Etablierte Zelllinien aus Frettchen, an denen in-vitro-Versuche stattfinden könnten, gibt es bislang zwei. Sie sind natürlich keine echten tierleidfreien Ersatzverfahren einer humanbasierten Wissenschaft, sie verhindern jedoch das Experimentieren am lebenden Tier. Trotzdem werden sie hier der Vollständigkeit wegen angesprochen. Die sogenannte MpF Zelllinie stammt aus Hirnzellen eines sechs Wochen alten Frettchens und ihre Reaktion auf eine Infektion mit diversen Viren-Vertretern wurde bereits untersucht. Außerdem wurde vor einigen Jahren die Zelllinie FtAEpC aus alveolaren Epithelzellen (aus der Lunge) etabliert.

Aussicht: Mehr tierversuchsfreie Verfahren

In den letzten zehn Jahren hat sich auf dem Gebiet der Ersatzverfahren zum Tierversuch viel getan. Auch in Deutschland ist dieser Trend zu beobachten. Schrittweise werden immer mehr Projekte finanziert. Die intensiven Forschungen der letzten Jahre haben eine Vielzahl an neuen Methoden für die regulatorische Toxikologie, also die gesetzlich vorgeschriebenen Giftigkeitstests, erbracht. Diese positive Entwicklung bestätigt die Planung der Niederlande, als erstes Land Tierversuche zu regulatorischen Zwecken abzuschaffen. Dabei ist es unerheblich, ob der Ausstieg tatsächlich bis 2025 gelingen kann oder länger braucht. Entscheidend ist, dass zielstrebig daran gearbeitet wird. Die Industrie hat ein großes Interesse an humanspezifischen Verfahren, sodass in-vitro-Entwicklungen zur Nachbildung der besonders komplizierten systemischen Abläufe entschlossen verfolgt werden dürften.


(*) CRISPR/Cas ist eine molekularbiologische Methode, um DNA gezielt zu schneiden und zu verändern (Genome Editing). Gene können mit dem CRISPR/Cas-System eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet werden. CRISPR steht für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats, also kurze, sich wiederholende DNA-Sequenzen. Diese werden synthetisch hergestellt und so modifiziert, dass sie gezielt auf eine bestimmte Stelle im Ziel-Genom passen. Gekoppelt an ein Cas-Protein, welches DNA schneidet, kann der Komplex so ganz bestimmte Abschnitte im Genom finden und ausschneiden.

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Quelle:
Magazin tierrechte - Ausgabe 1/2018, S. 13
Menschen für Tierrechte
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
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Internet: www.tierrechte.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2018

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