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ATOM/760: Atommüll-Desaster ASSE II (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 102/3.2009
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

energie
Atommüll-Desaster ASSE II

Von Udo Sorgatz, ROBIN WOOD


Atommüllentsorgung - made in Germany? Die Vorgänge im Atommülllager ASSE II erinnern eher an eine Bananenrepublik: Was unter dem Deckmantel der Forschung getarnt wurde, ist inzwischen als Atommüll-Billigentsorgung entlarvt. Von Anfang an war den Beteiligten aus Politik, Wirtschaft und Forschung bekannt, dass die Asse instabil und feucht ist.

Immer unappetitlichere Details kommen ans Tageslicht: Die Einlagerung von tausenden bei Tierversuchen verstrahlter Affen und anderer Versuchstiere. Die Einlagerung von Pestiziden und weiteren Giften. Das Eingeständnis, dass die Inventarlisten der eingelagerten Stoffe nicht stimmen. Die Erkenntnis, dass der größte Teil des Inventars ursprünglich aus Atomkraftwerken stammt. Weitere Funde radioaktiv belasteter Laugen. Ein Ende der Horrormeldungen ist nicht absehbar und der nun anlaufende Parlamentarische Untersuchungsausschuss im niedersächsischen Landtag wird trotz der ausgesprochen schlechten finanziellen Ausstattung in den kommenden Monaten sicherlich weitere erschreckende Erkenntnisse bringen.

Um die vom Atommüll ausgehenden Gefahren zu minimieren, sind derzeit drei Optionen in der Diskussion, die in zwei Kategorien eingeordnet werden können:

Nicht korrigierbare Konzepte, nämlich die Umlagerung des Atommülls in tiefere Schichten der Asse und die Verfüllung mit Spezialbeton (sowie als Notfalloption die Flutung mit Magnesiumchlorid-Salzlauge) und ein korrigierbares Konzept: Die Rückholung der Atomabfälle.

Nur bei der Rückholung können Irrtümer später korrigiert und neue Erkenntnisse berücksichtigt werden. Bei den anderen Konzepten müsste erneut darauf vertraut werden, dass Prognosen und Gutachten dieses Mal tatsächlich für eine Million Jahre Bestand haben. Eine gewagte Annahme. Schließlich haben sich die bisherigen Sicherheitsversprechen innerhalb weniger Jahrzehnte als falsch herausgestellt. Der sehr enge Zeitrahmen (der Abschluss des Optionenvergleichs wird bis zum Jahresende angestrebt) verringert die Gefahr von erneuten Fehlentscheidungen nicht.

Vielleicht ist es an der Zeit einzugestehen, dass bei derart komplexen Systemen über so große Zeiträume keine verlässlichen Prognosen möglich sind? Wir sollten uns an den Gedanken gewöhnen, auf den Atommüll dauerhaft aufpassen zu müssen. Ein weiterer Grund, nicht noch mehr davon zu produzieren.


Rückholung jetzt vorbereiten

Ein Vergleich der möglichen Optionen ist wichtig und richtig. Die Verhältnisse in der Asse können sich aber kurzfristig und unvorhersehbar deutlich verschlechtern. Die Zeit arbeitet gegen die Optionen, deren Umsetzung am längsten dauern würde. Schlimmstenfalls bliebe die Schnellverfüllung mit Beton oder Salzlauge. Wie kann also der Prozess beschleunigt werden, ohne zusätzliche Risiken einzugehen? Die Antwort lautet "zweistufiger Optionenvergleich" und "Simultaneous Engineering".

In einer ersten Stufe des Optionenvergleichs sollte geprüft werden, ob eines der nicht korrigierbaren Konzepte (Betonverfüllung, Umlagerung) auch unter Berücksichtigung möglicher Fehlprognosen, das Potenzial hat, deutlich sicherer als die Rückholung zu sein. Falls nicht, kann umgehend mit der Vorbereitung der Rückholung begonnen werden.

Unverständlich ist, weshalb nicht längst mit Planungen zur Rückholung der radioaktiven Abfälle begonnen wurde. Dieses parallele Bearbeiten traditionell zeitlich aufeinander folgender Arbeitsschritte ist das Simultaneous Engineering und zur Beschleunigung komplexer Prozesse erprobt. Mit dieser Methode können Probleme frühzeitig aufgedeckt und damit die Qualität der Planungen verbessert werden.

Für die Rückholung müsste z.B. geklärt werden, wie die Fässer aus dem Salz gelöst und im Bergwerk transportiert werden können, welche Spezialmaschinen bestellt oder erst konstruiert werden müssen und vieles mehr. All dies kann schon jetzt vorbereitet werden. Dieses Verfahren ist zwar ein wenig teuer, aber wenn es wirklich um die sicherste Lösung für die Asse geht, ist dieses Geld gut angelegt.

Der öffentliche Druck hat dazu geführt, dass das Bundesamt für Strahlenschutz nun Betreiber der ASSE geworden ist. Die Chance, das Desaster in der ASSE in den Griff zu bekommen, haben sich seitdem verbessert. In den nächsten Monaten werden nun die Weichen gestellt. Gerade jetzt heißt es aufpASSEn! Damit Sicherheit oberste Priorität hat, wird weiterhin öffentlicher Druck gebraucht.

Udo Sorgatz, ROBIN WOOD Braunschweig,
rg-braunschweig@lists.robinwood.net


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 102/3.2009, S. 12
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2009