Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → ABFALL


ATOM/1311: Endlagerökonomie (Gorleben Rundschau)


Gorleben Rundschau IV-VI/2019 - 42. Jahrgang, Ausgabe 1070
Wir sind die Wenden: Energie · Klima · Mobilität · Gesellschaft

Endlagerökonomie
Auch finanziell könnte die Endlagerung ein Fass ohne Boden werden

von Wolfgang Ehmke


Finanzen
Wer zahlt am Ende die Zeche für die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle, die Betriebs- und Nachbetriebsphase, die Zwischenlagerung atomarer Abfälle, fragt Wolfgang Ehmke. Und: Gibt es überhaupt eine längerfristige, solide Finanzplanung für die Lagerung des Atommülls?

Entsprechende Fragen hat die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) an das Bundesumweltministerium und die Verwalter des Atomfonds gerichtet, aus Sorge, ob die 24,1 Mrd Euro, die die Atomstromkonzerne in den Fonds eingezahlt haben, für die Zwischenlagerung, Konditionierung und Endlagerung hochradioaktiver Abfälle überhaupt reichen. Die 24,1 Mrd. Euro sind schon geschrumpft, denn der Anlageerfolg beim Atom-Entsorgungsfonds will sich einfach nicht einstellen. Sowohl auf der Aktien- als auch auf der Anleiheseite verzeichnete das prestigeträchtige Portfolio 2018 ein sattes Minus. Das geht aus einem Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, berichtete der Berliner "Tagesspiegel" vorliegt. Bis zum Jahresende verloren die Aktien im Fonds demnach 8,6 Prozent an Wert. Bei den Anleihen waren es im selben Zeitraum 3,2 Prozent.

Ein Grund für die schlechten Zahlen ist demnach die anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Allein 2018 musste der Atomfonds, der von Anja Mikus - der langjährigen Star-Fondsmanagerin in Diensten von Allianz Global Investors und Union Investment - gelenkt wird, rund 125 Millionen Euro an Negativzinsen an die Bundesbank respektive die EZB überweisen. Dennoch blicken die Autoren zuversichtlich in die Zukunft: "Mittlerweile haben sich die Märkte erholt und die Anlagen des Entsorgungsfonds an Wert zugenommen", heißt es in dem Bericht. Der Fonds habe die aktuelle Situation genutzt, um günstigere Einstiegspreise für weitere Investitionen zu erreichen."

Das Standortauswahlgesetz (StandAG) hat einen - höchst umstrittenen - zeitlichen Rahmen für die Endlagersuche gesetzt. Bis zum Jahr 2050 soll ein Endlager für hochradioaktive Abfälle startklar sein. Bis zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme, aber auch während der Betriebszeit in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts und natürlich auch in der Nachbetriebszeit fallen enorme Kosten an. Kommt der Betriebsbeginn für die Endlagerung, wie zu erwarten ist, ins Rutschen, steigen gleichzeitig auch die Kosten für die oberirdische Zwischenlagerung der Abfälle, für die die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) zuständig ist; inzwischen sei nicht mehr von 40 Jahren, sondern von 100 Jahren Zwischenlagerung auszugehen. Die BGZ hat Anfang 2019 alle 13 dezentralen und kraftwerksnahen Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle übernommen, ab 2020 kommen noch die Lagerstätten für schwach- und mittelaktive Abfälle hinzu.

Da es keine Nachschusspflicht der Stromkonzerne gibt, wird die Ausgestaltung der Endlagersuche, aber auch die notwendige Forschung am Ende von Haushaltsberatungen der Parteien bestimmt, und bei einer klammen Kasse wird es unglaubliche Verteilungskämpfe geben - zu befürchten ist eine "Endlagersuche light", ohne die Möglichkeit von Rücksprüngen, ohne ein notwendige finanzielle Ausstattung von Kommunen, Umweltgruppen und Einzelpersonen, die zu Teilgebiets- und Regionalkonferenzen eingeladen werden und auf Augenhöhe mitreden und Entscheidungen treffen sollen. Infrage steht vor allem eine breit angelegte untertägige Untersuchung mehrerer Standorte in der Schlussphase und natürlich die wachsende Gefahr, dass auf das Bergwerk im Salzstock Gorleben jeder Zeit wieder zurückgegriffen werden kann, weil es im Stand-By-Betrieb gefahren wird.

Jährlich werde akribisch ermittelt, welche Kosten für die Endlagersuche beim Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE), bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) und der bundeseigenen Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) anfallen, betont das BMU. Diese Gelder werden jährlich verauslagt.

Alexander Quekwer (BMU) schreibt: "Am Ende eines Haushaltsjahres ermittelt das BfE über eine entsprechende Kosten-Leistungs-Rechnung, welche der ihr bei der Aufgabenwahrnehmung entstandenen Kosten refinanzierbar sind (z.B. Kosten für das Standortauswahlverfahren) und welche nicht refinanzierbar sind (z.B. bloße Unterstützungstätigkeit für das BMU). Die jeweilige Refinanzierbarkeit einer Aufgabe ergibt sich aus dem StandAG."

Eine längerfristige Planung, die über eine fünfjährige Finanzplanung des Bundes hinausgeht gibt es offensichtlich nicht. Quekwer: "Der BfE-Haushalt und die für die Aufgabenwahrnehmung von BGE und BGZ veranschlagten Haushaltstitel sind unmittelbarer Bestandteil des jeweils vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Bundeshaushalts und der fünfjährigen Finanzplanung des Bundes."

Vor dem Hintergrund derartiger Berichte erscheint die Prognose, dass das Geld beispielsweise für eine vergleichende Endlagersuche und dabei auch eine weitere untertägige Erkundung weiterer Standorte neben Gorleben ausreiche, doch sehr kühn.

Ein erster kleiner Anhaltspunkt, wie lange das Geld reichen könnte, wäre eine Abrechnung für das Jahr 2018.

Deshalb hakt die BI nach:

1. Gibt es aktuelle Zahlen, was wurde seitens des Bundes an BfE, BGE und BGZ im Jahr 2018 für die genannten Aufgaben gezahlt?

2. Für welchen Zeitraum sollen die 24,1 Mrd. Euro die notwendigen Aufgaben überhaupt abdecken, wer bestimmt über den Umfang der "notwendigen" Aufgaben und ab wann ist damit zu rechnen, dass dann der Bund nachschießen muss?

3. Sind BfE, BGE und BGZ überhaupt aufgefordert worden, eine Abschätzung vorzulegen, welche Kosten bei der Zwischenlagerung bis zu Beginn einer Endlagerung, welche Kosten bei einer vergleichenden Endlagersuche und welche Kosten bei Inbetriebnahme eines Endlagers, der Konditionierung der Abfälle und des Betriebs entstehen könnten?

*

Quelle:
Gorleben Rundschau - April-Juni 2019, Seite 18 - 19
Lizenz: CC BY NC SA
Die Gorleben Rundschau it ein kostenloses Informationsblatt der
Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.
Rosenstr. 20, 29439 Lüchow
E-Mail: redaktion@gorleben-rundschau.de
Internet: www.gorleben-rundschau.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2019

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang