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FORSCHUNG/158: Wie Forscher Adria-Störe durch den "Flaschenhals" schleusen (idw)


Universität Bern - 07.04.2011

Wie Forscher Adria-Störe durch den «Flaschenhals» schleusen


Viele Tierarten stehen am Rande des Aussterbens und sind auf eine Wiederansiedlung durch den Menschen angewiesen. Damit aus wenigen Individuen ein stabiler Bestand gezüchtet werden kann, müssen einige Bedingungen erfüllt sein. Ein internationales Forscherteam mit Berner Beteiligung hat dafür eine passende Computer-Software erarbeitet.

Das Artensterben schreitet voran: Einige Tierarten wurden innerhalb weniger Jahre so stark dezimiert, dass nur noch ein paar Individuen überlebt haben. Vom Adria-Stör (Acipenser naccarii) existieren gerade noch 25 Tiere. Doch auch aus wenigen Exemplaren kann über gezielte Züchtungen wieder eine Population aufgebaut werden. Ein italienisch-bernisches Forscherteam hat nun herausgefunden, warum Naturschützer mit derartigen Versuchen bislang nicht den gewünschten Erfolg erzielten. «Die Fische geben aufgrund von Inzucht nur einen Teil der genetischen Vielfalt an die nächste Generation weiter», erklärt die an dem Projekt beteiligte Berner Bioinformatikerin Isabelle Dupanloup. Dieser «Flaschenhals-Effekt» verkleinert die Diversität mit jeder Generation. Ausserdem verringert die Paarung zwischen Verwandten Wachstum, Fortpflanzung und Lebensfähigkeit der neuen Generation. Die Software von Dupanloups Team erlaubt die gezielte Auswahl einzelner Tiere zur Fortpflanzung. Der Ansatz wurde für den Adria-Stör entwickelt, ist grundsätzlich aber auch auf andere bedrohte Arten anwendbar, schreiben die Forschenden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift «PLoS ONE».


Fortpflanzung im Zuchtprogramm

In Italien waren Störe bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts ein wichtiger Bestandteil der Fischfauna. Durch Kaviargewinnung, Wilderei, Eindämmung von Flüssen und Lebensraumzerstörung sind sie stark in Bedrängnis geraten. Die lange Generationszeit von bis zu zehn Jahren macht die Fische besonders anfällig für Störungen. Von drei Arten ist der Adria-Stör heute die einzige, welche noch in ihrem natürlichen Lebensraum zu finden ist. 1977 wurden im Rahmen eines Zuchtprogramms Wildfänge aus dem Fluss Po in eine Fischzuchtanlage in Brescia eingesetzt. Bemühungen, die Tiere zu verpaaren und die Jungen auszusetzen, wurden bis jetzt aber ohne eine gut ausgearbeitete Fortpflanzungsstrategie durchgeführt und waren dementsprechend erfolglos.

Dupanloup und ihre Kollegen haben nun bioinformatische Computerprogramme entwickelt, welche es erlauben, die Reproduktionsstrategie und die genetische Variabilität der Adria-Stör-Populationen einzuschätzen. Nach der genetischen Identifizierung der Individuen durch Züchter oder Naturschützer konstruiert die Software eine Matrix, aus der die Verwandtschaft der Fische ersichtlich wird. So kann sichergestellt werden, dass möglichst nicht-verwandte Individuen miteinander verpaart werden und die Züchtungen erfolgreich sind. Die noch vorhandene genetische Vielfalt der Störe müsse unbedingt erhalten bleiben, sagt Isabelle Dupanloup: «Sie ist das Ergebnis von Tausenden von Jahren der Anpassung.»


Quellenangabe:
Leonardo Congiu, Jose Martin Pujolar, Anna Forlani, Silvia Cenadelli, Isabelle Dupanloup, Federica Barbisan, Andrea Galli, Francesco Fontana: Managing Polyploidy in Ex situ Conservation Genetics: The Case of the Critically Endangered Adriatic Sturgeon (Acipenser naccarii). PLoS ONE vom 29. März 2011, doi: 0.1371/journal.pone.0018249

Weitere Auskunft:
Dr. Isabelle Dupanloup Duperret, Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern, Baltzerstrasse 6, 3012 Bern, Tel. +41 (0)31 631 45 49, isabelle.duperret@iee.unibe.ch

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.kommunikation.unibe.ch/content/medien/medienmitteilungen/news/2011/wie_forscher_adria_stoere_durch_den_flaschenhals_schleusen/

Die gesamte
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Bern, lic. rer. soc. Daniela Baumann, 07.04.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2011