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INITIATIVE/377: Das LBV-Life-Projekt Große Hufeisennase in der Oberpfalz (Vogelschutz)


Vogelschutz - 2/2013
Magazin für Arten- und Biotopschutz

Das LBV-Life-Projekt Große Hufeisennase in der Oberpfalz

von Rudolf Leitl



Die in Deutschland hochbedrohte Fledermausart "Große Hufeisennase" besitzt neben Einzeltieren im Grenzbereich zu Frankreich und Luxemburg in ganz Deutschland nur mehr ein einziges Fortpflanzungsvorkommen, welches sich isoliert im Oberpfälzer Jura befindet. Da diese einzige Kolonie aber durch ein einzelnes Schadereignis (beispielsweise Blitzschlag ins Quartiergebäude) ausgelöscht werden könnte, ist es das Ziel des nun angelaufenen LIFE-Projektes, dass sich durch ein weiteres Anwachsen der Population mehrere Kolonien bilden können.

Verbreitung der Großen Hufeisennase

Weltweit gilt die Art als nicht bedroht, da es von Vorderasien bis nach Japan ungefährdete Vorkommen in unwirtlichen, nicht vom Menschen besiedelten Regionen gibt. In dünn besiedelten Macchien-Gebieten Spaniens und Frankreichs konnten sich ebenso einigermaßen stabile Populationen halten. Im Südwesten Englands hat ein großes Schutzprogramm einen Bestand von etwa 6.600 Großen Hufeisennasen erhalten. Dagegen weisen die Vorkommen in Südeuropa, v.a. im Balkangebiet durch Intensivierung der Landwirtschaft starke Rückgänge gerade erst in jüngerer Zeit auf. Z.B. steigt durch die Klimaerwärmung der Intensivobstanbau in Südtirol nun fast bis auf 1.000 Meter über Meereshöhe und schmälert die Lebensräume der Fledermäuse.
In Mitteleuropa ist die Große Hufeisennase fast ausgestorben. Neben der oberpfälzer Kolonie gibt es nur noch jeweils eine Kolonie in Österreich und Luxemburg und 3 Kolonien in der Schweiz. In der Slowakei und in Ungarn existieren vermutlich noch weitere Kolonien, hier sind aber keine aktuellen Zahlen bekannt.

Das Vorkommen in der Oberpfalz

Erstmals wurden die Großen Hufeisennasen im jetzigen Vorkommensgebiet 1961 durch die Winterquartierkontrollen von Dr. Manfred Kraus dokumentiert. Nach 1980 wurden in den Höhlen des Oberpfälzer/Fränkischen Jura noch etwa zwölf Tiere gefunden. Hierauf begründete sich die Hoffnung, dass womöglich noch eine Wochenstube existieren könnte. Über Telemetrie konnte 1992 das Wochenstubenquartier (mit 21 Alt- und zehn Jungtieren) in einem alten Fachwerkstadel gefunden werden.
Das zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bewohnte Anwesen wurde umgehend von der Regierung der Oberpfalz angepachtet. Parallel dazu wurden alle bekannten Winterquartiere gegen unbefugten Zugang gesichert.
Bis zum Jahr 2001 blieb die Koloniegröße ungefähr gleich, was schon als Erfolg gesehen wurde. Seither ist jedoch eine mehr oder weniger stetige Zunahme der Individuenzahl zu beobachten. 2008 gelang mit finanzieller Unterstützung des Bayerischen Naturschutzfonds, des Landkreises Amberg-Sulzbach und dreier Naturschutzverbände (LBV, BN und VSL) der Ankauf des einsturzgefährdeten Quartiergebäudes einschließlich einer baulichen Notsicherung. Übereignet wurde es dem Markt Hohenburg, der sich für den nötigen Unterhalt bereit erklärte.

Ein kleines Wunder

Dann passierte ein kleines Wunder: Auf einen Antrag der Höheren Naturschutzbehörde der Regierung der Oberpfalz zur Sanierung des Hufeisennasen-Anwesens mit Mitteln des Konjunkturpaketes II wurden 2009 knapp eine Million Euro zur Verfügung gestellt. Sofort wurden alle nötigen Planungen in die Wege geleitet, und seit November 2009 (nach Abflug der letzten Hufeisennase ins Winterquartier) wurde mit Hochdruck, aber auch größter Rücksicht auf die Kolonie, das "Fledermaus-Haus" hergerichtet. In einem enormen Kraftakt aller Beteiligten (Höhere Naturschutzbehörde der Regierung der Oberpfalz, Staatliches Bauamt Amberg-Sulzbach, Architekt und v.a. der Handwerker) wurde nicht nur das Gebäude statisch gesichert, sondern es wurden auch Optimierungsmaßnahmen für die Hufeisennasen durchgeführt. So wurde ein windgeschützter Hangplatz (eine sogenannte Wärmeglocke) geschaffen, in dem die Hufeisennasenmütter nun ihre Jungen aufziehen. Ein kleiner Gewölbekeller wurde entsprechend isoliert, so dass er v. a. in den Übergangszeiten von den Hufeisennasen als Zwischenquartier genutzt werden kann. In der Kühle des Kellers übertagen sie hier mit reduziertem Stoffwechsel und sparen sich die Energien für den langen Winterschlaf auf. Sämtliche Einflüge wurden mardersicher gestaltet.
Die Hufeisennasen honorierten dies mit einem deutlichen Populationszuwachs: Von 2009 auf 2010 konnte ein Anstieg von 31 auf 50 adulte Tiere im Quartiergebäude gezählt werden. Es wurden 29 Jungtiere geboren, von denen 25 überlebten. Im Jahr 2012 konnten 79 Individuen bei der Winterzählung und maximal 83 Adulte im Quartiergebäude mit 34 Jungen (die alle überlebten) gezählt werden. Der "Überhang" adulter Tiere erklärt sich dadurch, dass es sich hier um eine wachsende Kolonie handelt. Es ist ein hoher Anteil noch nicht geschlechtsreifer Tiere dabei. Große Hufeisennasenweibchen bekommen ihr erstes Junges meist erst mit 5 oder 6 Jahren. Zudem werden in der Kolonie auch noch die Söhne des letzten und vorletzten Jahres geduldet, die auch bei der sozialen Thermoregulierung mithelfen.
Hatte man vor einigen Jahren noch mit dem Aussterben dieser letzten kleinen Kolonie gerechnet, so zeigen die aktuellen Zahlen den Erfolg des Hilfsprogramms. Für das isolierte Vorkommen im Oberpfälzer Jura gibt es aufgrund der jüngsten Zunahmen und der aktuell durchgeführten Hilfsmaßnahmen eine berechtigte Hoffnung zum Überleben. Da diese einzige Kolonie aber durch ein einzelnes Schadereignis (beispielsweise Blitzschlag ins Quartiergebäude) ausgelöscht werden könnte, muss es Ziel sein, dass sich durch ein weiteres Anwachsen der Population mehrere Kolonien bilden können.

Beginn des Life-Projekts

Dies waren die Voraussetzungen für den Start des Life-Projektes "Große Hufeisennase in der Oberpfalz - Optimierung der Habitate und der öffentlichen Wahrnehmung", für das der LBV - unterstützt durch die Höhere Naturschutzbehörde der Regierung der Oberpfalz und den Bayerischen Naturschutzfonds - 2012 den Zuschlag von der EU-Kommission bekommen hat. Es wurde ein Büro in Hohenburg eingerichtet und eine Personalstelle geschaffen, um die Umsetzung vor Ort zu erreichen.
Will man dieser besonderen Fledermausart wieder eine Ausbreitung ermöglichen, müssen entsprechende Lebensräume und Quartiere bereitgestellt werden. Dies setzt voraus, dass die hier lebenden Menschen ihre Häuser oder zumindest Dachböden öffnen und die Bauern ihre Flächen möglichst ökologisch bewirtschaften, um eine hohe Strukturvielfalt zu schaffen. Erfreulicherweise genießt die Große Hufeisennase bei der Bevölkerung in der Ortschaft Hohenburg und der Umgebung nun bereits große Sympathien. Über Infrarot-Kameras und beim abendlichen Ausflug kann das Treiben der Tiere live und fast hautnah beobachtet werden. Das Interesse und der Grundstein für eine breite Akzeptanz sind gelegt. Bei Vorgesprächen haben die Landwirte eine große Bereitschaft gezeigt, mitzuhelfen und in eine "neue-alte" Landbewirtschaftung mit Rinderbeweidung und Streuobstwiesen einzusteigen. Viele Grenzlinien und viel Dung in der Landschaft sind nämlich bedeutende Schlüsselfaktoren für die Hufeisennase, die sich hauptsächlich von dungbewohnenden Insekten ernährt.
Als Besonderheit ist herauszustellen, dass das Life-Projekt auch auf großen Flächenteilen des 160 km² großen Truppenübungsplatzes Hohenfels der amerikanischen Streitkräfte durchgeführt wird. Letztlich ist das der Hauptgrund für das Überleben der Großen Hufeisennase in diesem Gebiet, denn dort liegen nicht nur die bedeutendsten Winterquartiere, sondern auch die Hauptjagdgebiete. Die hier äußerst strukturreiche und vor allem pestizidfreie Juralandschaft, auf der bis zu 12.000 Schafe und Rotwild weiden, bietet der Art ein reichhaltiges Angebot verschiedenster großer Insektenarten. Schon seit vielen Jahren zeigen die Umweltabteilung der amerikanischen Streitkräfte und der Bundesforstbetrieb Hohenfels, der assoziierter Partner des LIFE-Projektes ist, größten Einsatz beim Schutz und Erhalt der seltensten Fledermaus Deutschlands.
Daneben zeigen die diesjährigen Winterkontrollen erste Ausbreitungstendenzen: In 4 Jurahöhlen in etwa 30-40 km Entfernung konnten erstmalig nach 30 Jahren wieder winterschlafende Hufeisennasen gefunden werden. Ein weiterer "Vagabund", ein letztjährig in Hohenburg geborenes Männchen, flog sogar bis ins 60 km entfernte Weißenburg und verbrachte dort den Winter.

Raute

STECKBRIEF


Große Hufeisennase (Rhinolophus ferrumequinum)

Gestalt und Färbung
Mit knapp 7 cm Körperlänge, 35-40 cm Spannweite und etwa 24 g Normalgewicht größte der 5 europäischen Hufeisennasen; grau-, gelblich- oder rötlichbraunes Rückenfell; Bauchseite heller; Jungtiere dunkler aschgrau; Flughäute graubraun; Ohren hell graubraun, spitz und sehr beweglich; Nasenaufsatz und Mundpartie rosa schimmernd; Beine sehr lang, dadurch ziemlich breite Flügel

Laute
Echoortungsrufe bei ca. 80 kHz, klingen im Detektor wie kurze Pfeiftöne; Soziallaute von Adulten zirpend oder keckernd, von Jungtieren ein hohes Wispern

Fortpflanzung, Altersentwicklung
Paarung im Herbst; auch im Winter oder Frühjahr möglich; Speicherung der Spermien im Genitaltrakt der Weibchen; Befruchtung im April; Geburt des einzigen Jungen (5-6 g) Juni/Juli; ausgewachsen mit etwa 4-5 Wochen; geschlechtsreif erst im Alter von 3-5 Jahren; bisher nachgewiesenes Höchstalter 30,5 Jahre

Wanderungen
Ortstreue Art; Entfernungen meist nur wenige, aber auch bis zu 50 km vom Sommer- zum Winterquartier

Quartiere
Im Winterschlaf frostfreie unterirdische Quartiere, bevorzugt große Karsthöhlen; frei hängend in die Flughäute eingehüllt; bilden auch Cluster; im Sommer in warmen Regionen meist Höhlen, in kälteren Regionen warme ungestörte Dachböden

Lebensraum und Nahrungserwerb
Strukturreiche (Weide-)Landschaften mit hohem Angebot großer Insekten; Flugjagd oder Wartenjagd; Aktionsradien i.d.R. bis 4 km um das Quartier; meist ein Jagdflug nach der Abend- und vor der Morgendämmerung

Verbreitung; Gefährdung
Von Portugal, Nordafrika und Südwest-England in einem schmalen Band mit mediterranem Klima bis nach Japan; weltweit nicht bedroht, da ungefährdete Vorkommen in unwirtlichen Gebieten; in Mitteleuropa vom Aussterben bedroht (je 1 Kolonie in Deutschland, Österreich und Luxemburg, 3 in der Schweiz); in Südeuropa und v. a. dem Balkan aktuell starke Rückgänge durch Intensivierung der Landwirtschaft mit hohem Pestizid-Einsatz


Der Autor:
Rudolf Leitl
Projektleiter
Fledermaushaus Hohenburg
Marktplatz 32, 92277 Hohenburg
Email: r-leitl[at]lbv.de
Tel. 09626-9299772


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

• Auf der Jagd nach einem Nachtfalter

• Schlafende Hufeisennase in einer Jurahöhle

• Charakteristisch: die eigentümlich gebogene Nasenform gab der Art ihren Namen

• Das Fledermaushaus in Hohenburg: Oberhalb des Torbogens ist der Giebel des Fachwerkstadels zu erkennen, in dem die Hufeisennasen ihre Heimat haben. Das Haus selbst wird zum Info-Zentrum ausgebaut.

• Überwinternde Hufeisennasen im historischen Gewölbekeller des Fledermaushauses


weitere Informationen siehe
www.fledermaushaus-hohenburg.de

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Quelle:
Vogelschutz - 2/2013, Seite 6-9
Magazin für Arten- und Biotopschutz
Herausgeber:
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. -
Verband für Arten- und Biotopschutz
LBV-Landesgeschäftsstelle
Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein
Tel.: 09174 / 47 75-0, Fax: 09174 / 47 75-75
E-Mail: info@lbv.de
Internet: www.lbv.de
 
Vogelschutz ist das Mitgliedermagazin des LBV
und erscheint vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. September 2013