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INSEKTEN/201: Wie Europas am stärksten gefährdete Schmetterlinge gerettet werden könnten (UFZ)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Pressemitteilung, 28. März 2012

Wie Europas am stärksten gefährdete Schmetterlinge gerettet werden könnten

von Tilo Arnhold



Sofia/Halle/Saale. Weiden und Wälder sollten aktiv gepflegt und so vielfältig wie möglich gestaltet werden, um Europas am stärksten gefährdete Tagfalter vor dem Aussterben zu bewahren. Diese und weitere Empfehlungen für 29 bedrohte Schmetterlingsarten, die in der EU-FFH-Richtlinie gelistet sind und die daher von jedem EU-Mitgliedsland geschützt werden müssen, hat ein Team von Wissenschaftlern unter Leitung der "Butterfly Conservation Europe" veröffentlicht. Der neue Fachbeitrag liefert wichtige Informationen darüber, wie dieses Ziel als Beitrag zu den internationalen Biodiversitätszielen erreicht werden kann.

Foto: © Chris van Swaay/Butterfly Conservation Europe

Der Blauschillernde Feuerfalter (Lycaena helle) geht in ganz Europa stark zurück, da er auf feuchte Wiesen mit dem Schlangen-Knöterich als Nahrungspflanze angewiesen ist. In Deutschland ist die Art vom Aussterben bedroht und in den meisten Bundesländern bereits ausgestorben. Nur in Süddeutschland hat die Art noch an wenigen Stellen überlebt. Die verbliebenen Lebensräume sollten beweidet werden, allerdings nur extensiv und außerhalb der Brutzeit, die von April bis August dauert.
Foto: © Chris van Swaay/Butterfly Conservation Europe

Der Beitrag mit dem Titel "Was man tun und nicht tun sollte für die Schmetterlinge der FFH-Richtlinie der Europäischen Union" wurde jetzt in der neuen Open-Access-Zeitschrift Nature Conservation veröffentlicht. Er enthält eine detaillierte Aufstellung der einzelnen Arten, deren Lebensraum und Nahrungspflanzen sowie eine Liste von positiven und negativen Maßnahmen bei der Bewirtschaftung ihrer Lebensräume.

Europäische Tagfalter sind stark im Rückgang begriffen, fast zehn Prozent sind bereits jetzt oder in Kürze als vom Aussterben bedroht einzuordnen. Der Europäische Grünland-Indikator zeigt, dass die Häufigkeit von 17 charakteristischen Schmetterlingsarten in den letzten 15 Jahren um über 70 Prozent zurückgegangen ist. Die Hauptgründe für den Rückgang sind Lebensraumverlust und falsche Landnutzung. Viele Lebensräume werden inzwischen entweder von der Landwirtschaft aufgegeben und wachsen mit Sträuchern zu oder werden zu intensiv bewirtschaftet. Die neue Publikation liefert somit entscheidende Hilfestellungen, um die verbliebenen Lebensräume durch angemessene Nutzung besser zu erhalten.

"Schmetterlinge sind empfindliche Indikatoren für Umweltprobleme und die Bedrohung von Arten, da sie sehr schnell auf Veränderungen ihres Lebensraumes reagieren. Das Management von Schmetterlingen wird dazu beitragen, das Überleben einer breiten Palette von anderen Insekten zu ermöglichen, die mit drei Viertel der gesamten Artenvielfalt das Fundament der biologischen Vielfalt in Europa bilden", sagt Dr. Martin Wiemers vom UFZ, einer der Koautoren. Die Richtlinien helfen sicherzustellen, dass die europäischen Lebensräume in einer nachhaltigen Art und Weise bewirtschaftet werden, die das Überleben von Menschen, Tieren und Pflanzen unterstützt.

Foto: © Chris van Swaay/ Butterfly Conservation Europe

Der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Phengaris nausithous) hat einen bemerkenswerten Lebenszyklus und verbringt die meiste Zeit des Jahres unterirdisch in Ameisennestern. Er brütet in feuchten Wiesen, wo die Futterpflanze der Jungraupen, der Große Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis), reichlich vorhanden ist. Nach einer kurzen Zeit in den Blütenknospen verbringen die Raupen den Rest ihres Lebens in den Nestern der Roten Gartenameise (Myrmica rubra). Die Wiesen müssen alle ein bis drei Jahre gemäht oder leicht beweidet werden, aber nur in Streifen, wobei einige Stellen mit höherer Vegetation stehen bleiben müssen, um die Nester der Ameisen zu schützen. Intensives Mähen oder starke Beweidung können die Populationen zerstören.
Foto: © Chris van Swaay/ Butterfly Conservation Europe

"Die Nutzung von Lebensräumen in der richtigen Art und Weise ist das größte Problem für das Überleben der europäischen Schmetterlinge. Es ist das erste Mal, dass praktische Informationen zur Lösung dieses Problems angemessen zusammengetragen und aufgearbeitet wurden. Wir hoffen, dass unsere Empfehlungen in ganz Europa aufgegriffen werden, um diese schönen Arten vor dem Aussterben zu retten", sagte der federführende Autor, Chris van Swaay der niederländischen Gesellschaft für den Schutz von Schmetterlingen ("De Vlinderstichting").

"Der Verlust an Biodiversität ist eines der wichtigsten Themen für die Zukunft unseres Planeten. Unsere neue Open Access Zeitschrift Nature Conservation soll die wissenschaftlichen Informationen frei verfügbar zu machen, die zur Erhaltung der Natur beitragen. Die Zeitschrift zielt insbesondere darauf, den Informationsfluss zwischen Wissenschaftlern und Praktikern zu verbessern. Eines unserer wichtigsten Ziele ist es, Synergien zwischen Wissenschaft, Politik und Behörden zu unterstützen", sagt Dr. Klaus Henle vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), der die neue Zeitschrift in Zusammenarbeit mit Ljubomir Penev von Pensoft (Bulgarien) im Rahmen des vom UFZ koordinierten EU-FP7-Projektes "SCALES" etabliert hat.
http://www.ufz.de/index.php?de=30346


Publikation:
van Swaay C, Collins C, Dusej G, Maes D, Munguira ML, Rakosy L, Ryrholm N, Sasic M, Settele J, Thomas JA, Verovnik R, Verstrael T, Warren M, Wiemers M, Wynhoff I (2012): Dos and Don'ts for butterflies of the Habitats Directive of the European Union. Nature Conservation 1: 73-153. http://dx.doi.org/10.3897/natureconservation.1.2786

Die Untersuchungen wurden u.a. von der EU über die Projekte ALARM, SCALES und CLIMIT sowie nationale Institutionen gefördert.


Weitere fachliche Informationen:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Dr. Martin Wiemers
martin.wiemers[at]ufz.de,
PD Dr. Josef Settele
http://www.ufz.de/index.php?de=817
und
PD Dr. Klaus Henle
Telefon: 0341-235-1270
http://www.ufz.de/index.php?de=1868

oder über
Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1635
www.ufz.de/index.php?de=640

sowie auf Englisch:
Butterfly Conservation Europe / Dutch Butterfly Conservation
Chris van Swaay (chris.vanswaay[at]vlinderstichting.nl)
http://www.vlinderstichting.nl/english.php
http://twitter.com/#!/chrisvanswaay
&
Pensoft Sofia
Dr. Ljubomir Penev
http://www.pensoft.net/contact_us.php

Weiterführende Links:
Nature Conservation - a new open-access, peer-reviewed, interdisciplinary journal launched (Pressemitteilung vom 16.03.2012):
http://www.eurekalert.org/pub_releases/2012-03/pp-nc031612.php
Vögel und Schmetterlinge "flattern" dem Klimawandel hinterher (Pressemitteilung vom 9. Januar 2012)
http://www.ufz.de/index.php?de=30100
Alarm für seltene Schmetterlinge in Europa (Pressemitteilung vom 5. Oktober 2011)
http://www.ufz.de/index.php?de=22156
Ein Drittel der Schmetterlinge Europas gefährdet (Pressemitteilung vom 18. März 2010)
http://www.ufz.de/index.php?de=19465


Butterfly Conservation Europe
Butterfly Conservation Europe ist ein Dachverband, der sich zum Ziel gesetzt hat, den Rückgang der Schmetterlinge und ihrer Lebensräume in ganz Europa aufzuhalten und das weitere Artensterben zu verhindern. Er konzentriert sich darauf, die Umsetzung der UN-Konvention zur biologischen Vielfalt in Bezug auf den Schutz von Schmetterlingen und deren Lebensräume zu unterstützen und damit einen Beitrag zum EU-Ziel zu leisten, den Verlust an biologischer Vielfalt zu bremsen.
http://www.bc-europe.eu

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 1000 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.
http://www.ufz.de/

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit über 31.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3,4 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).
http://www.helmholtz.de

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Quelle:
UFZ-Pressemitteilung, 28.03.2012
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tilo Arnhold
Permoserstraße 15, 04318 Leipzig
Telefon: (0341) 235-2278, Telefax: (0341) 235-2649
E-Mail: presse@ufz.de
Internet: www.ufz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2012