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INSEKTEN/268: Auf der Kippe - dramatischer Schwund vieler Insekten (ARA Magazin)


ARA Magazin 22, 2016/17 - Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.

Auf der Kippe

Dramatischer Schwund vieler Insekten


Wenn über bedrohte Arten gesprochen wird, dann ist meist von Pandabären, Tigern, Gorillas oder anderen charismatischen Wirbeltieren die Rede. Insekten, zu denen die meisten ohnehin ein eher zwiespältiges Verhältnis haben, finden deutlich weniger Aufmerksamkeit. Dabei sind zahlreiche Arten ernsthaft gefährdet und ihr Verlust schädigt uns selbst deutlich mehr als der von Gorilla und Co.


Die älteren unter uns erinnern sich noch: Wer früher sommertags mit dem Auto in Urlaub fuhr, bei dem gehörte zu jedem Tankstop die Reinigung der Frontscheibe von den Überresten zahlloser Insekten. Heute erbeuten wir kaum noch Mücken oder Fliegen - was deutlich macht, dass die Bestände flugfähiger Insekten dramatisch zurückgegangen sein müssen.

Anders als bei vielen Wirbeltieren gibt es bei Insekten deutlich weniger systematische Untersuchungen zu ihrer Bestandsentwicklung. Von den europäischen Schmetterlingsarten wissen wir, dass jede dritte Art in ihrem Bestand abnimmt, jede zehnte vom Aussterben bedroht ist. Von den Libellenarten ist jede sechste existenziell gefährdet.

Deutlich dramatischer als der qualitative Verlust an Insekten, also der einzelner Arten, scheint sich heute der zahlenmäßige Verlust an Insekten zu vollziehen. Aufschlussreiche und weltweit beachtete Erkenntnisse darüber verdanken wir aktuell dem Entomologischen Verein Krefeld. Der hat an unterschiedlichen Stellen über mehrere Jahrzehnte mit speziellen Fallen Insekten gesammelt und mengenmäßig bestimmt. Ein Vergleich früherer und heutiger Fangzahlen zeigt, dass die Biomasse von Fluginsekten seit der Jahrtausendwende um bis zu 80 Prozent zurückgegangen ist. Es deutet sich auch an, dass sich der Verlust an Insektenvielfalt zunehmend schneller vollzieht. Einzelergebnisse zeigten etwa, dass dabei fast 60 Prozent der Tagfalter- und Hummelarten vollständig verschwunden sind.

Langzeitbeobachtungen fehlen

Solche systematischen Untersuchungen über längere Zeiträume gibt es bislang anderenorts kaum. Zur Zeit kann deshalb nur gemutmaßt werden, dass Bestandsentwicklungen wie die in Nordrhein-Westfalen auch für vergleichbare Regionen in anderen Teilen Deutschlands oder Europas zutreffen.

Über die Ursachen des Rückgangs der Insektenbestände gibt es bislang mehr Vermutungen als wissenschaftliche Erkenntnisse. Aber es darf als sicher gelten, dass neben der Zerstörung natürlicher Lebensräume die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung, die zunehmend engeren Fruchtfolgen und der Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln zu den wichtigen Ursachen zählen. Besonders in der Kritik steht dabei eine Gruppe neuer Insektizide, die Neonicotinoide, über deren weitere Zulassung innerhalb der EU trotz zahlreicher Belege für ihre z.B. Bienen-schädliche Wirkung immer noch heftig gestritten wird.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Ohne bestäubende Insekten wären auch die meisten unserer Blütenpflanzen bedroht.

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Quelle:
ARA Magazin 22, 2016/17, Seite 8
Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.
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Redaktion: Wolfgang Kuhlmann, Jürgen Wolters
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2017

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