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JAGD/157: Zur Auseinandersetzung über die Dezimierung von Kormoranen (BBU AK Wasser)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 902 vom 26. Oktober 2008 28. Jahrgang

Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Kormorane: Schlaflos im Ried


Erstaunlicherweise hat eine "Allgemeinverfügung" des Regierungspräsidiums Freiburg vom 18. Juli 2008 in der deutschsprachigen Presse bundesweiten Widerhall gefunden. Das Freiburger RP hatte mit der Allgemeinverfügung erneut den gezielten Abschuss einzelner Kormorane am Bodensee und am südlichen Oberrhein über das Winterhalbjahr 2008/2009 gebilligt. Mit den so genannten "Vergrämungsabschüssen" soll dem Niedergang von Edelfischbeständen im Bodensee und am südlichen Oberrhein begegnet werden. Bereits im April wollte das RP am Bodensee die Kormorane um ihre Nachtruhe bringen. Nach Ansicht der dortigen Berufsfischer und Angler am badischen und schweizerischen Ufer hätten die "übersommernden" Kormorane am Bodensee-Untersee überhand genommen. Deshalb sollte in der Kormoran-Brutkolonie im Naturschutzgebiet "Radolfzeller Achried" in einer Nacht während der Brütungsphase im April 2008 eine gezielte Störung durchgeführt werden, um angebrütete Eier auskühlen zu lassen. Hierzu werden mit Licht aus stark gebündelten Halogenlampen die brütenden Kormorane derart genervt, dass sich die Vögel vom Nest entfernen. Nach Erfahrungen aus Brandenburg soll sich mit dieser Methode eine Reduktion der Schlupfrate von 90% ergeben. Am Bodensee war die Blendaktion jedoch ein Schlag ins Wasser. Da die Aprilnächte bereits zu warm waren, gab es keinen beobachtbaren Schlüpfverlust. Wie das RP Freiburg am 17.03.08 mitteilte, sei zusätzlich geplant, die Wintervergrämung der Kormorane durch Jäger auf dem Gnadensee, Zeller See und Untersee außerhalb von Naturschutzgebieten versuchsweise bereits ab dem 1. August 2008 zu genehmigen (2007 war das Vergrämen erst ab dem 1. September zugelassen). Bis dahin ist die Aufzucht der Jungvögel aus normalem Bruten abgeschlossen, sofern sie den nach den Störversuchen in der Brutkolonie überhaupt erfolgreich verlaufen sind. Inwieweit wegen Bootsfahrern und Feriengästen im Sommer überhaupt auf dem See geschossen werden kann, muss bei diesem Versuch noch ermittelt werden.

Weitere Auskunft:
RP Freiburg - Pressestelle
79098 Freiburg i. Br.
Tel.: 0761 208-0, Telefax 0761 208-1006
E-Mail: pressestelle@rpf.bwl.de
Internet: www.rp.baden-wuerttemberg.de


Den Meerraben geht es an den Kragen

Der Name "Kormoran" kommt aus dem lateinischen und bedeutet Meerrabe. Unverkennbar sind die schwarzen Vögel, wenn sie - oft stundenlang - mit weit ausgestreckten Flügeln auf Pfosten oder Felsen am Ufer sitzen, um ihr Gefieder zu trocknen. Denn anders als bei fast allen anderen Wasservögeln sind ihre Federn nicht wasserabweisend. Durch menschliche Verfolgung waren Kormorane nicht nur in Deutschland vom Aussterben bedroht. Noch in den 80er-Jahren stand es sehr schlecht um den Bestand der Wasservögel, weshalb sie unter nationalen und internationalen Schutz gestellt wurden. Trotz Erholung der Bestände zählt der Kormoran (Phalacrocorax carbo sinensis) - zum Verdruss der Teichwirte und Angler - offiziell weiterhin zu den gefährdeten Vogelarten Deutschlands. Der Vogel ist gemäß EU-Vogelschutzrichtlinie und Bundesnaturschutzgesetz geschützt. Ausnahmen von diesem generellen Schutz sind nur gemäß Artikel 9 der Vogelschutzrichtlinie "zur Abwendung erheblicher Schäden an Fischereigebieten und Gewässern" zulässig. Angler und Fischer weisen u.a. darauf hin, dass die Kormorane nicht nur zwischen 300 und 500 Gramm Fische am Tag vertilgen. Viele Fische werden durch die Kormorane nur verletzt - und gehen dann an ihren Verletzungen ein. Vom Fraßdruck der Kormorane seien vor allem die mittleren Fischgenerationen betroffen, so dass ausgerechnet die Fische im besten Vermehrungsalter weggefressen würden. Die meisten Bundesländer haben Kormoranverordnungen erlassen, nach denen - zur Entrüstung der Vogelschützer - Vergrämungsabschüsse im Winterhalbjahr zulässig sind.

Mehr zum Kormoran auf der Homepage des Naturschutzbundes Deutschlands: www.nabu.de


Über die immer heftiger eskalierenden Auseinandersetzungen zwischen Anglern und Vogelschützern über die Dezimierung der gefräßigen Kormorane ("die schwarze Pest") haben wir eine Materialsammlung zusammengestellt, die bei uns gegen VOREINZAHLUNG von 13 unter dem Stichwort "Kormoran" angefordert werden kann.


Den Kormoranüberschuss weglasern

Während in Baden-Württemberg an Hoch- und Oberrhein sowie am Bodensee einige Hundert Kormorane - nach Ansicht der Angler - ihr Unwesen treiben, geht das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium in Schwerin von 12.000 Brutpaaren an den Küsten von Mecklenburg-Vorpommern aus. Hinzu kommt ein auf 5.250 Tiere geschätzter Rastbestand im Binnenland. Mit einer am 1. August 2007 in Kraft getretenen Kormoran-Landesverordnung wollte das Ministerium in Mecklenburg-Vorpommern ein "Populationsmanagement der Kormoranpopulationen ermöglichen". Dazu sollte eine Vergrämung mit Hilfe von Lasergeräten "und anderen geeigneten Maßnahmen" dienen, um die Neugründung von Brutkolonien zu verhindern. Ein Abschuss ist nunmehr auch in FFH- und Vogelschutzgebieten grundsätzlich möglich. Nicht am Brutgeschäft beteiligte Vögel können ganzjährig geschossen werden. Der zum Abschuss bzw. zur Vergrämung berechtigte Personenkreis wurde erweitert; so darf künftig auch der zur Fischereiausübung Berechtigte mit Zustimmung des Jagdausübungsberechtigten Kormorane standrechtlich erschießen. Die gezielte Störung von Kormoranen ist zur Verhinderung von Brutkolonieneugründungen auch im Februar/März erlaubt. Die früher zulässige Vergrämung mit Bleischrot wurde untersagt. (Details in der Landesverordnung zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden durch Kormorane und zur Übertragung der Ermächtigung nach Paragraph 43 Abs. 8 Satz 4 des Bundesnaturschutzgesetzes - KormLVO - vom 12. Juli 2007, GVOBl. M-V 2007, Nr. 12, S. 258.) Da ein erfolgreiches "Kormoranmanagement" auf der Fläche eines Bundeslandes aber nicht möglich ist, setzt sich Mecklenburg "im übergeordneten Rahmen weiter für ein gesamteuropäisches Management" ein. Dazu hat sich der Schweriner Landwirtschaftsminister an die zuständigen Bundesministerien gewandt mit der Bitte, "die Zulässigkeit der Aufnahme des Kormorans in das Jagdrecht zu prüfen". Außerdem will man in Mecklenburg-Vorpommern - auf der Grundlage eines Gutachtens - "wissenschaftlich fundierte Aussagen über die aus Naturschutzgründen erforderliche Populationsgröße des Kormorans" zusammenstellen. Der "Überschuss" an Kormoranen könnte dann dezimiert werden.

Weitere Auskunft:
Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und
Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorp.
Paulshöher Weg 1
19061 S c h w e r i n
Telefon: 0385 588-6003; Fax: 0385 588-6022
E-Mail: k.schmekel@lu.mv-regierung.de
Internet: www.mv-regierung.de/lu


Den Angriff der Kormorane konsequent zurückschlagen!

Den Ingrimm der Angler gegen den Kormoran hat Gerhard Polt aufgespießt. Der sarkastische Kormoran-Sketsch von Polt gibt es zum Anschauen auf: http://www.youtube.com/watch?v=Bx9Ew-E1Kto


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 902/2008
Herausgeber:
Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband
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Rennerstr. 10, D-79106 Freiburg
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E-Mail: nik@akwasser.de
Internet: http://www.akwasser.de

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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2009