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VÖGEL/559: Rückgang der Ortolane in Südwestfrankreich (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 1/2010

Illegaler Fang in Südwestfrankreich: Ursache für den Rückgang der Ortolane?

Von Peter Herkenrath


Der illegale Fang von Ortolanen in Frankreich ist Vogelschützern in ganz Europa schon seit geraumer Zeit ein Dorn im Auge. Während diese Art vielerorts zu einer echten Rarität geworden ist, wandern in Südfrankreich noch immer Tausende Ortolane buchstäblich in den Kochtopf. Tradition hin oder her - dieser Zustand ist untragbar.


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Nach BirdLife Internationals Publikation Birds in Europe gehen die europäischen Bestände des Ortolans fast überall zurück. Aufgrund einer rapiden historischen Abnahme, von der sich die Art nie erholt hat, stuft BirdLife den Ortolan in Europa als "dezimiert" (depleted) ein. Immer wieder sind Stimmen laut geworden, die die mangelnde Bestandserholung teilweise auf den massiven Fang auf dem Zug in Frankreich zurückführen.

Mitglieder der Ligue pour la Protection des Oiseaux (LPO, BirdLife Partner in Frankreich) und der Umweltorganisation SEPANSO starteten im August 2009 eine groß angelegte Aktion gegen den Ortolanfang im Département Les Landes in Südwestfrankreich. Mehr als 200 Fallen wurden dabei zerstört und mehrere Dutzend Ortolane befreit. Ortolane sind seit 1999 in Frankreich geschützt, wegen ihres guten Geschmacks aber als illegale Beute nach wie vor sehr begehrt. In jedem Jahr werden zwischen Mitte August und Ende September im Süden von Les Landes und im Norden des Département Pyrénées-Atlantiques 30000 bis 50000 Ortolane zu Speisezwecken gefangen, wie Bougrain erläutert. Das entspricht der gesamten Brutpopulation der Beneluxstaaten, Deutschlands, Dänemarks, Österreichs, der Tschechischen Republik und der Slowakei zusammengenommen.



Gezielter Schutz ab 2010?

Der Präsident von LPO, Bougrain Dubourg klagt die "inakzeptable Toleranz" der Behörden gegenüber den Vogelfängern an: Im Jahr 2008 wurden lediglich in acht Fällen Ermittlungsverfahren eingeleitet, während die LPO die Zahl der Vogelfänger auf über 1200 schätzt. "Wir verlangen von der Regierung, hier Verantwortung zu zeigen", sagte Bougrain Dubourg der Agence France-Presse (AFP). Er hätte vom Umweltminister, Jean-Louis Borloo die Zusage erhalten, dass die Behörden etwas unternehmen, aber geschehen sei kaum etwas. "Es hat zwanzig Jahre gedauert, den Fang von Turteltauben zu unterbinden. Ich hoffe, der Ortolan muss nicht so lange auf seinen Schutz warten", setzte Bougrain Dubourg fort.

Die Umweltstaatssekretärin Chantal Jouanno gab AFP gegenüber zu, dass die Regierung 30 Jahre lang tatenlos zugesehen habe, bekräftigte jedoch, dass es von 2010 an, dem Internationalen Jahr der Biologischen Vielfalt, keine Toleranz für den Ortolanfang mehr geben würde. Nachdem diese Vogelart in den letzten 20 Jahren 70 bis 90 Prozent der Population eingebüßt hat, steht der Ortolan recht nahe am Rand des Aussterbens. 2008 wären 17 Mitarbeiter der Staatlichen Jagdbehörde ONCFS beauftragt worden, 1200 bis 1500 Vogelfänger in 60 Gemeinden der Region aufzuspüren.

Früher galten Ortolane als Delikatesse am königlichen Hof, heute erlangen die Vögel noch hohe Preise auf dem Schwarzmarkt. Gefangene Ortolane werden in Käfigen gehalten und gemästet, bevor sie auf dem Speisetisch landen.

Unter http://www.lpo.fr/comm/2009/comm2009-08-30.shtml
kann ein LPO-Video von der Operation Ortolan abgerufen werden.



Literatur zum Thema:

Bernardy P. 2009: Ökologie und Schutz des Ortolans (Emberiza hortulana) in Europa - IV. Internationales Ortolan-Symposium. Naturschutz Landschaftspfl. Niedersachs. H. 45.

Lang M. 2007: Niedergang der süddeutschen Ortolan-Population Emberiza hortulana - liegen die Ursachen außerhalb des Brutgebiets? Vogelwelt 128: 179-196.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 1/2010
57. Jahrgang, Januar 2010, S. 38
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Januar 2010