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GEFAHR/023: Brandsatz Fukushima - Strahlenfilze greifen an ... (SB)


Schweres Erdbeben vor ostjapanischer Küste - Atomkraftwerke erschüttert

Grafische Darstellung der Strahlenausbreitung von Fukushima im gesamten Pazifischen Ozean, hinterlegt mit dem Symbol für Radioaktivität und der Überschrift: 'Noch 10 Jahre?' - Grafik: © 2013 by Schattenblick

Brandsatz Fukushima
Grafik: © 2013 by Schattenblick

Wie gut, daß Japans Premierminister Shinzo Abe mit Godzilla und anderen naturgewaltigen Ungeheuern oder ungeheuren Naturgewalten auf so gutem Fuße steht, sonst müßte man ihn gar der bewußten Täuschung bezichtigen. Hatte er doch behauptet, im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi sei alles unter Kontrolle, woraufhin das IOC Japan den Zuschlag für die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2020 erteilte. Ohne seinen offenbar persönlichen Kontakt zu Godzilla und Konsorten hätte Abe nicht wissen können, daß ausgerechnet das Akw Fukushima Daiichi von allen Erdbeben, die Nordjapan zukünftig erschüttern werden, verschont bleiben würde.

Einen glasklaren Beweis für Abes submarine Sonderbeziehungen lieferte das schwere Erdbeben, das am Montag vor der Ostküste auftrat, aber das Akw Fukushima Daiichi verschont hat. Obgleich doch das Beben in eben jener Bruchzone lokalisiert wurde, in der am 11. März 2011 ein Erdbeben der Stärke 9,0 aufgetreten war, das dem Akw-Komplex Fukushima Daiichi den ersten Schlag versetzte, bevor ein 15 Meter hoher Tsunami den Rest besorgte.

Hatte es ursprünglich seitens der Atomlobby geheißen, daß eine unkontrollierte Kernschmelze statistisch vielleicht einmal in einer Million Jahren auftreten wird, also praktisch unmöglich sei, so fanden hier drei Kernschmelzen zeitgleich statt - nachdem der letzte Vorfall eines solchen Schadensausmaßes, die Explosion des Akw Tschernobyl, erst 25 Jahre zurücklag! Eine glatte Fehleinschätzung also, an die man sich immer erst dann wieder erinnert, wenn die Statistik eigentlich korrigiert werden müßte. Nicht einmal in einer Million, sondern einmal in 25 Jahren kommt es irgendwo auf der Welt zu einem GAU, und je mehr Atomkraftwerke gebaut oder in Betrieb genommen werden, desto kürzer die Frist.

Die japanischen Behörden teilten mit, daß das Erdbeben am Montag eine Stärke von 7,3 besaß. Das Epizentrum lag in zehn Kilometer Tiefe. Es entstand ein Tsunami, der an der Küste der Präfektur Miyagi eine Höhe von etwas über einen Meter erreichte. Im Akw Fukushima Daini, das sich rund zwölf Kilometer südlich des zerstörten Akw Fukushima Daiichi befindet, stellte sich automatisch eine Pumpe für den Kühlkreislauf ab. Das System wurde einige Stunden später wieder angeschaltet. [1]

Jenes Akw verfügt über vier Reaktoren, die seit der "3/11-Katastrophe" nicht mehr in Betrieb sind. Aber die Brennstäbe in den Abklingbecken müssen nach wie vor gekühlt werden. Würde die Kühlung längere Zeit ausfallen, begänne das Wasser zu kochen und zu verdampfen, was zu einem Brand und zur Zerstörung von Tausenden dort lagernden Brennstäben und wahrscheinlich einer Freisetzung riesiger Mengen an Spaltmaterial führen würde. Trotz Abschaltung ist die Gefahr noch längst nicht gebannt. [2]

Naohiro Masuda, Präsident der Fukushima Daiichi Decontamination & Decommissioning Engineering Co., erklärte am Dienstag bei einer Pressekonferenz im Firmensitz der Betreibergesellschaft Tepco in Tokio, daß durch das Erdbeben "wahrscheinlich" kein radioaktives Wasser aus dem Akw ausgelaufen ist. So genau konnte er das allerdings zu dem Zeitpunkt gar nicht wissen, denn die Arbeiter waren aufgefordert worden, sich aus Sicherheitsgründen von den niedriger gelegenen in die höheren Gebiete zurückzuziehen, wie Asahi Shimbun berichtete. [3]

Das größte Risiko stelle ein Tsunami dar, durch den radioaktives Wasser aus den Reaktorgebäuden in die Umwelt gelange, erklärte Masuda. Aus dem Grund habe man entschieden, den Wasserzufluß [Anm. d. SB-Red: zu den Reaktoren] zu stoppen. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist jedoch, was der Manager nicht gesagt hat: Nach wie vor fließen tagtäglich mehrere hundert Tonnen radioaktiv belastetes Grundwasser, das von unten in die zerstörten Reaktorgebäude einströmt, sich dort mit dem Kühlwasser mischt und dabei radioaktive Partikel aufnimmt, weiter ins Meer.

Beim Erdbeben am 11. März 2011 war der tektonische Graben, an dem sich die Pazifische Platte unter die Eurasische Platte, auf der wiederum Japan liegt, schiebt, auf einer Länge von 400 Kilometern aufgerissen worden. Das hatte zur Folge, daß sich die japanische Hauptinsel Honshu um zwei Meter verschob und die Erdachse um ein paar Zentimeter gekippt wurde. [4]

Durch das aktuelle Beben wurde ein anderer Teil dieses Tausende Kilometer langen tektonischen Grabens ruckartig bewegt und ein klein wenig Spannung abgebaut. Niemand weiß, wieviel Druck sich entlang der aneinander reibenden Platten noch aufgebaut hat. Aber eines ist gewiß: Das nächste schwere Beben kommt bestimmt, und es spricht vieles dafür, daß das noch in einer Zeit geschieht, in der Atomkraftwerke samt Abklingbecken an der Küste Japans aufgereiht sind.

Die Abe-Regierung ist sich der Gefahren durch die Atomkraftwerke durchaus bewußt, aber sie glaubt, den "Gorilla-Wal" Godzilla zähmen zu können, so daß er nach ihrer Pfeife tanzt. Anders gesagt, sie geht davon aus, daß der Streßtest, dem die Atomkraftwerke unterzogen werden, bevor sie wieder ans Netz gehen, diesmal aber wirklich als Zaumzeug für das nukleare Feuer genügt.


Übermannsgroße Godzilla-Figur auf meterhohen Steinquader - Foto: Subcommandante, freigegeben als CC BY-SA 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/] via Wikipedia

Godzilla-Statue in Tokio
Foto: Subcommandante, freigegeben als CC BY-SA 3.0
[https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/] via Wikipedia


Fußnoten:

[1] http://www.bloomberg.com/news/articles/2016-11-21/tsunami-warning-issued-as-quake-strikes-off-fukushima-in-japan

[2] http://www.japantimes.co.jp/news/2016/11/22/national/quake-prompts-temporary-halt-cooling-spent-fuel-rods-fukushima-no-2-pool/#.WDQQa7rhBxE

[3] http://www.asahi.com/ajw/articles/AJ201611220063.html

[4] http://www.zeit.de/wissen/2011-03/erddrehung-beben-japan


22. November 2016


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