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RAUBBAU/085: Fracking nicht mit uns - Umkehr in den USA ... (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. September 2015

Umwelt: Fracking bedroht 'schönes Pennsylvania' - Widerstand gegen Bohrungen wächst

von Emilio Godoy


Bild: © Emilio Godoy/IPS

Der Umweltaktivist Ray Kimble protestiert auf seinem Grundstück im US-Bundesstaat Pennsylvania gegen Fracking
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MONTROSE, PENNSYLVANIA(IPS) - Bereits vier Mal ist die US-amerikanische Umweltaktivistin Vera Scroggins von der Erdölindustrie vor Gericht gebracht worden. Seit Oktober 2013 darf sie Grundstücke, die Eigentum der 'Cabot Oil & Gas Corporation' sind oder von dem Unternehmen gepachtet werden, nicht mehr betreten. "Firmen können tun und lassen, was sie wollen", kritisiert die ehemalige Immobilienmaklerin. "Sie verstoßen gegen Umweltgesetze und dürfen trotzdem weiterarbeiten."

Seit sieben Jahren kämpft die zweifache Großmutter als Mitglied des Netzwerks 'Shaleshock Media' gegen das umstrittene Fracking in Montrose im US-Bundesstaat Pennsylvania. Dabei werden mit hohem Druck Wasser, Chemikalien und Sand in Schiefergestein gepumpt, um Risse zu erzeugen und zu erweitern. Auf diese Weise können Erdöl und -gas leichter extrahiert werden. Die Technik gilt als umwelt- und gesundheitsschädlich.

Im Umkreis der Kleinstadt Montrose mit etwa 1.600 Einwohnern wird auf 600 Gasfeldern an ungefähr 1.100 Stellen gebohrt. Dort befinden sich auch 43 Verdichterstationen, die Erdgas komprimieren, um Druckverluste auszugleichen und den Transport durch Pipelines zu erleichtern. Die von sieben Unternehmen betriebenen Förderanlagen liegen in der Nähe von Wohnhäusern und Schulen.


Riesige Schiefergasvorkommen

Die so genannte 'Marcellus-Formation' aus Schiefergestein, die sich im Osten der USA über eine Fläche von knapp 250.000 Quadratkilometern erstreckt, verläuft mitten durch den Staat Pennsylvania. Teils tief im Untergrund lagern dort riesige Schiefergasvorkommen, die den Vereinigten Staaten den Spitznamen 'Frackistan' eingebracht haben.

Beim Fracking fallen große Mengen an Abwässern an, die vor der Wiederverwendung geklärt werden müssen. Zudem wird das Treibhausgas Methan freigesetzt, das ein größerer Klimakiller ist als CO2.

"Durch die Bohrungen wird das Wasser verunreinigt, und das Methangas entweicht. Viele Leute wissen gar nicht, was hier vor sich geht. Ich fühle mich nicht sicher, wenn ich sehe, wie hier Fracking betrieben wird", sagt Scroggins. Nur einen Kilometer von ihrem Haus entfernt befindet sich ein Bohrloch.


Explosionsgefahr und Gesundheitsschäden

Die hohen Bohrtürme aus Stahl sind nicht zu übersehen. Die Anwohner mussten sich auch an den ständigen Verkehr der vielen LKWs gewöhnen, die Erde, Sand und Wasser zu den Bohrstellen schaffen. Aktivisten kritisieren, dass die industrielle Entwicklung in ländlichen Gebieten wie Montrose die Landschaft ruiniert. Die hohe Konzentration von Methangas birgt zudem ein erhebliches Explosionsrisiko und kann bei Menschen Atemwegsbeschwerden verursachen.


Bild: © Godoy/IPS

Bohrungen im Schiefergestein in Montrose, Pennsylvania
Bild: © Godoy/IPS

In dem Energiebericht für 2015 der US-Behörde EIA wurden im Jahr 2013 in den Vereinigten Staaten mehr als 324 Milliarden Kubikmeter Trockengas direkt aus Schiefer gewonnen. Dies entspricht etwa 47 Prozent der gesamten Produktion trockenen Naturgases in den USA. Zudem wurden 2014 täglich etwa 4,2 Millionen Barrel Öl aus Schiefer- oder Leichtöl erzeugt - 49 Prozent der gesamten Rohölproduktion.

Öl ist mit einem Anteil von 36 Prozent die Hauptenergiequelle des Landes, gefolgt von Erdgas (27 Prozent) und Kohle (19 Prozent). In Pennsylvania erhöhte sich die Gasproduktion von 276 Kubikmeter im Jahr 2008 auf 86.366 Kubikmeter 2013. In dem Bundesstaat entstanden 9.200 Bohrlöcher. Zudem wurden mehr als 16.000 Genehmigungen für Fracking erteilt.


Energiegesetz fördert 'Fracking'-Boom

Die USA zählen weltweit zu den größten kommerziellen Produzenten von Schiefergas- und -öl. Fracking erlebt seit 2005 einen Boom. Ein damals in Kraft getretenes Energiegesetz schließt die Anwendung von sieben wichtigen, föderalen Umweltgesetzen im Fall von Fracking aus. Somit sind die Unternehmen nicht mehr an Auflagen für die Reinhaltung von Wasser und Luft gebunden.

Das neue Gesetz sorgte dafür, dass die Firmen eine Vielzahl von Klagen einreichten, um Umwelt- und Gesundheitsschutzgesetze auf lokaler und bundesstaatlicher Ebene auszuhebeln. Im Fall von Pennsylvania nahm das Bundesstaatenparlament im Spetember 2012 den umstrittenen 'Oil and Gas Act (Act 13) an, der die Möglichkeiten lokaler Regierungen, die Gasförderung zu regulieren, einschränkte. Stadtverwaltungen haben seither kaum noch Möglichkeiten, die Erdgasbohrungen abzuwehren.

Stadträte, Anwohner und Umweltorganisationen kämpfen seitdem gegen das Energiegesetz und können erste Erfolge vorweisen. 2013 erklärte der Oberste Gerichtshof von Pennsylvania Teile des Gesetzes für ungültig, da sie gegen die Verfassung verstoßen und die Umweltrechte der Bürger verletzen. Gemeinden konnten daraufhin bei der Vergabe von Förderlizenzen für Schiefergas wieder eigene Regelungen zugrundelegen.

Dennoch haben die Bewohner der Region weiterhin allen Grund, sich gegen das Fracking zu wehren. Ray Kimble, ein 59-jähriger Mechaniker, berichtet, dass das Wasser in seinem Wohnort Dimock nahe Montrose seit 2009 durch Bohrungen und Fracking verseucht werde. "Sie schaden der Stadt, wir wollen sie hier nicht mehr sehen", sagt er über die Unternehmen. Kimble leidet an chronischem Husten. Seine Knöchel sind angeschwollen, weil er als Fahrer in der Industrie in Berührung mit Giftmüll kam. Er trinkt inzwischen kein Leitungswasser mehr.

Dimock, eine Gemeinde mit 1.500 Einwohnern, ist einer der Schauplätze des preisgekrönten Dokumentarfilms 'Gasland' von Josh Fox, der die Gefahren durch Fracking eindringlich vor Augen führt. Der Film half Betroffenen, die ersten Klagen gegen die Industrie voranzubringen. Die Streitfälle endeten mit außergerichtlichen Einigungen.

Die Branche ist inzwischen mit einem deutlichen Rückgang des internationalen Ölpreises, den Folgen einer Kreditklemme und dem wachsenden Widerstand gegen Fracking konfrontiert. In den vergangenen acht Monaten sind in etwa 400 Städten in 28 US-Bundesstaaten Verbote oder Moratorien für Fracking in Kraft getreten. Vorreiter sind die Staaten Vermont und New York, in denen die umstrittene Fördermethode seit 2012 beziehungsweise seit Dezember 2014 nicht mehr gestattet ist. (Ende/IPS/ck/22.09.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/09/activists-say-fracking-fails-to-keep-pennsylvania-beautiful/

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IPS-Tagesdienst vom 22. September 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. September 2015

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