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WALDSCHADEN/006: Grüne Lunge - trinken, atmen, quellen ... (SB)



Während in den USA, Kanada und Südeuropa Wälder durch Feuersbrünste großflächig vernichtet werden, sorgt die Kalte-Putsch-Regierung Brasiliens dafür, daß die Entwaldungsrate im Amazonasbecken wieder Fahrt aufnimmt. Die Holz-, Agrar- und Bergbaulobby hat in Präsident Michel Temer einen willfährigen Sachwalter ihrer kurzsichtigen Profitinteressen gefunden. Da bleiben die Wälder und die traditionell darin lebenden Bewohner auf der Strecke. Einigen von ihnen, die als "unkontaktierte Völker" gelten, waren in Brasilien bislang einige Waldgebiete als Refugium zugestanden worden; ob dieser Status noch lange Relevanz hat, ist fraglich.

Vor kurzem hat Temer einen Gesetzesvorschlag ins Parlament eingebracht, wonach der Nationalpark Jamanxim im Tropischen Regenwald um ein Viertel verkleinert werden soll. Das war nicht der erste Vorstoß und dürfte auch nicht der letzte sein, den die brasilianische Regierung gegen den Erhalt des Regenwalds führt. Kritiker sagen, daß sich der mit Korruptionsvorwürfen überhäufte Präsident mit seinem Vorschlag das Wohlwollen der Volksvertreter erkaufen will.

Die Bedeutung der Tropischen Regenwälder, unter denen das Amazonasbecken das größte zusammenhängende Waldgebiet birgt, für die Verfügbarmachung von lebenswichtigem Sauerstoff in der Atmosphäre kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Neben dieser globalen Bedeutung erfüllt der Amazonas-Regenwald aber noch sehr wichtige regionale Funktionen. Beispielsweise als Regenmacher.

Forscher haben "erstmals", wie sie sagen, direkt beobachtet, daß der Tropische Regenwald im südlichen Amazonasbecken den Beginn seiner eigenen Regenzeit, unter der er gedeiht, auslöst. Noch während der Trockenzeit beginnt der Wald zu ergrünen - auf eine für die Forscher noch nicht vollständig verstandene Weise -, wodurch sich die Verdunstungsrate erhöht. Es bilden sich Wolken, die dann wieder abregnen und dabei natürlich auch jenen Wasseranteil mitnehmen, der in Folge einer ozeanischen Verdunstung zur Wolkenbildung beigetragen hat.

Die Forschergruppe um Jonathon Wright von der Tsinghua University, Beijing, und Rong Fu von der Universität von Kalifornien in Los Angeles haben Daten des Tropospheric Emission Spectrometers (TES) des NASA-Satelliten Aura sowie andere Quellen ausgewertet und ihre Studie nun in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.

Normalerweise wird die Regenzeit in den Tropen von zwei Faktoren bestimmt: Den Monsunwinden, die von einer Saison zur nächsten ihre Hauptwindrichtung umkehren, und der Innertropischen Konvergenzzone (auch Kalmenzone genannt), in der sich die Passatwinde der Nord- und Südhalbkugel treffen und eine aufsteigende Luftströmung mit einer meist sehr starken Quellwolkenbildung auslösen.

Die Wolkenbildung südlich der Kalmenzone werde zwar schon länger mit einer Verdunstung durch Blätter (Evapotranspiration) erklärt, aber man habe bislang noch keinen "harten Beweis" dafür gewonnen, sagte Fu laut terradaily.com. Die Forschergruppe hat sich den Umstand zunutze gemacht, daß leichtere Wasserstoffisotope schneller verdunsten als schwerere. Somit weist Wasser, das an der Ozeanoberfläche verdunstet, einen geringeren Anteil des schwereren Wasserstoffisotops Deuterium auf als das im Ozean verbliebene Wasser.

Pflanzen hingegen ziehen Wasser aus dem Boden und lassen es an ihren Blattoberflächen verdunsten, ohne daß zwischen den Wasserstoffisotopen unterschieden wird. Vergleicht man nun den Deuteriumanteil in den Wolken mit dem im Wasser des Ozeans und auf Land, kann man die Herkunft der Quelle bestimmen. Auf diese Weise konnte mittels Satellitenmessungen festgestellt werden, daß die Wolken während des Übergangs von der trockenen zur niederschlagsreichen Saison hauptsächlich durch Pflanzen gebildet werden. Das war besonders deutlich in den Wolken der mittleren Troposphäre zu erkennen, von wo aus normalerweise der Startschuß für die Regensaison gegeben wird.

Noch nicht richtig verstanden haben die Forscher, wie es den Bäumen im südlichen Amazonasbecken gelingt, noch während der Trockenzeit - also ohne Regen - zu ergrünen, was die Voraussetzung für eine zunehmende Verdunstung und die damit einhergehende Wolkenbildung ist. Vielleicht können die Pflanzen die bevorstehende Regenzeit antizipieren, da sie an die Jahreszeiten angepaßt sind, mutmaßt Fu.

An dieser Stelle müßte der doch recht unscharfe Begriff "angepaßt" sicherlich noch präzisiert werden, doch spricht die Wissenschaftlerin damit indirekt eine Gefahr für den Tropischen Regenwald an. Die Jahreszeiten verschieben sich. Die Regenzeit im südlichen Amazonasbecken setzt heute fast einen ganzen Monat später ein als in den 1970er Jahren.

Andere Forschungen zeigen, daß Bäume sterben, wenn die Trockenzeit länger als fünf bis sieben Monate dauert. Dann können die Wälder nicht mehr ihren eigenen Regen produzieren, sterben ab und lassen eine Savannenlandschaft entstehen. In der Studie wird die Vermutung geäußert, daß Waldrodungen zur Verkürzung der Regenzeit im südlichen Amazonasbecken beigetragen und dort nicht mehr wiedergutzumachende Spuren hinterlassen haben. Die Bäume sind unter Streß geraten, was einige von ihnen nicht überlebten. Wald wird gerodet, um Holz zu gewinnen, Platz für landwirtschaftliche Flächen zu schaffen und Rohstoffe abzubauen. Der Verlust größerer Waldgebiete im Amazonasbecken erhöht die Dürregefahr für Brasilien und beeinflußt sogar das Niederschlagsmuster im weit entfernten Texas.

Seit Beginn des vorigen Jahrzehnts wird Brasilien immer wieder von schweren Dürren heimgesucht. Wie weitreichend die Folgen heute schon sind, zeigt sich daran, daß das Land als weltweit führender Kaffeeproduzent in diesem Jahr aufgrund der anhaltenden Trockenheit im Hauptanbaugebiet von Kaffeebäumen erstmals in seiner Geschichte Kaffee importieren mußte.

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zählt den Amazonas-Regenwald zu den sogenannten Kippelementen: Regional auftretende, sich selbst verstärkende Prozesse haben globale Auswirkungen. Schreitet der Waldverlust im Amazonasbecken voran, könnte der Zeitpunkt kommen, daß eine Dürre weitere Dürren nach sich zieht und der Vorgang nicht mehr aufzuhalten ist. Die jetzige brasilianische Regierung erweckt nicht den Eindruck, als nähme sie darauf irgendeine Rücksicht.

27. Juli 2017


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