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BILDUNG/557: Klassenfahrt statt Digitalisierung (NABU HB)


NABU Landesverband Bremen - 9. März 2018

Klassenfahrt statt Digitalisierung


(Bremen, den 09.03.18) Als "gefährlichen Irrweg" sieht der NABU die drohende Digitaliserung in Schulen und Kindergärten. Das Suchtpotenzial der sozialen Medien und Spielkonsolen sei immens und der Nutzen bislang in keiner ernst zu nehmenden Studie bewiesen. Nachgewiesen seien dagegen eine massive Zunahme der Kurzsichtigkeit durch die Nutzung von Touchscreens und ein um rund ein Fünftel schlechteres Lernergebnis in digital-daddelnden Klassenzimmern. Bremen sollte seine Schüler umfassender und vermehrt in der Natur bilden, fordern die Naturschützer.

"Wie kann die Politik den falschen Versprechungen einer gewinnmaximierenden Unterhaltungsindustrie folgen, wenn alle Studien den Schaden für die Kinder belegen?", fragt NABU-Geschäftsführer Sönke Hofmann, der seit 18 Jahren ehrenamtlich das Schullandheim Dreptefarm leitet. Australien habe jüngst seine 2,4 Milliarden Dollar teuren Tablets in den Schulen wieder eingesammelt - die Schüler lernten nicht, sie daddelten herum. "Da sind Eltern stolz, wie flink ihr Dreijähriger über das Smartphone wischen kann, während die gleiche Kinderhand motorisch zu verkümmert ist, den eigenen Hintern sauber zu wischen."

"Zwei Millionen Jahre menschlicher Evolution haben in der Natur stattgefunden, dort müssen wir wieder hingehen", fordert Hofmann, "nur dort wird der gesamte Geist menschengerecht stimuliert und gefordert." Unterricht in der Natur mit Bewegung und Beispielen aus dem Leben sei immens effektiv, so der NABU. Wer die Höhe eines Baumes per Strahlensatz ermittle oder Grammatikspiele am Deich mache, erreiche die Kinder besser als im lebensfernen Klassenraum.

Eine gewichtigere Rolle in der Bremer Lernlandschaft sollten Klassenfahrten einnehmen. "Wir haben zehn Bremer Schullandheime mitten in der schönsten Natur, die genau auf die Bedürfnisse des Unterrichts ausgelegt sind", wirbt der Heimvorsitzende. Jede Woche wandert Sönke Hofmann dort nach Feierabend noch mit den Schülern durch die Nacht und erlebt die Folgen des naturfernen Lebens: "Die Fähigkeit, einfachste Probleme beim spielerischen Höhlenbau zu lösen hat ebenso enorm abgenommen wie motorische Grundfertigkeiten beim Schnitzen oder die Konzentrationsdauer."

Auch die sozialen Fähigkeiten der Kinder würden auf Klassenfahrten deutlich verbessert, weiß Hofmann durch die langjährige Begleitung der NABU-Kinderfreizeiten. "Viele Eltern missverstehen eine Klassenfahrt als lauen Kinderurlaub, dabei lernen die Kinder ganz intensiv miteinander umzugehen, Rücksicht zu üben und auch Enttäuschungen wegzustecken." Teamaufgaben wie der Tischdienst für alle stärkten den Zusammenhalt, so Hofmann.

Heute blieben die Fahrten hinter ihren Möglichkeiten, weil sie von Montag bis Freitag zu kurz seien. Kein Lehrer wolle mehr übers Wochenende auf Klassenfahrt gehen. "Wer jetzt die Lehrer vorschnell aburteilt, sollte sich fragen, ob er denn auch bereit wäre, ohne Bezahlung und Stundenausgleich ein Wochenende durchzuarbeiten?", fragt Hofmann. Auch stelle sich die Schulbehörde nicht genug hinter ihre Lehrer, wenn Hubschrauber-Eltern oder fragwürdige Ansichten aus anderen Kulturkreisen die Klassenfahrt torpedieren.

"Wenn Bremen den letzten Pisa-Platz loswerden will, können wir entweder abwarten, bis die anderen Bundesländer ihre Schüler digital verdummen und selbst diesen Fehler nicht machen oder sogar aktiv den Schulpakt um den Faktor Natur erweitern", fordert der NABU-Mann. Es müsse eine beispiellose Anstrengung und Kooperation der Schulen mit Umweltverbänden und Sportvereinen geben. "Wir müssen den Lehrern wieder das Wissen und Handwerkszeug für Unterricht in der Natur geben."

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Quelle:
Pressemitteilung, 09.03.2018
Herausgeber: Naturschutzbund Deutschland
Landesverband & Stadtverband Bremen e. V.
Vahrer Feldweg 185, 28309 Bremen
Tel.: 0421/33 98 77 2, Fax: 0421/33 65 99 12
E-Mail: Info@NABU-Bremen.de
Internet: www.NABU-Bremen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. März 2018

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