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BODEN/110: Boden - Verbindung zwischen Klimawandel, Biodiversität und Desertifikation (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter September 2010

Die Verbindung zwischen Klimawandel, Biodiversität und Desertifikation ist der Boden

Interview mit Dr. Luca Montanarella, EU Joint Research Centre

Interview: Doris Böhme


Eine Ihrer Aufgaben in der Abteilung Land Management und Natural Hazards des JRC ist es, die Politik in Sachen Bodenschutz zu informieren und wissenschaftlich zu beraten. Warum gibt es bis heute keine EU-Bodenschutzstrategie und Bodenrahmenrichtlinie?

Das ist eine wunderschöne Frage, vor allem wenn sie aus Deutschland kommt. 2006 wurde auf Initiative der Kommission ein Paket legislativer Maßnahmen zum Bodenschutz vorgeschlagen. Die Bodenschutzstrategie ist dargelegt als Mitteilung der Kommission an das Parlament und an den Rat. Sie befindet sich seit vier Jahren in der Umsetzung. Innerhalb der Strategie gibt es vier Hauptsäulen (Aktionen, Pillars). Eine davon ist der verbindliche Teil für die EU-Mitgliedsstaaten: die Bodenrahmenrichtlinie. Das Parlament hat sie mit Mehrheit in der ersten Lesung angenommen. Im Rat haben noch fünf Länder Bedenken: Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Österreich und die Niederlande. Das heißt aber längst nicht, dass wir in der Kommission nicht die anderen drei Säulen der Strategie implementieren. Das ist erstens die systematische Integration des Bodenschutzes in andere legislative Instrumente, z. B. in die Agrar-, Klima- und Biodiversitätspolitik und - ganz aktuell - in die Erneuerbare Energien-Richtlinie, denn viele Nachhaltigkeitskriterien für die Bioenergieproduktion basieren auf Bodenschutzkriterien. Das ist zweitens die Forschung. Die Kommission hat viel Geld für neue Projekte zur Verfügung gestellt. Eins davon ist ISoil, das vom UFZ geleitet wird (siehe Infokasten). Die dritte und aus meiner Sicht wichtigste Säule ist die Bewusstseinsbildung. Dafür haben wir auf europäischer Ebene eine Arbeitsgruppe gegründet, haben Publikationen wie den Soil Atlas of Europe (siehe Infokasten) veröffentlicht. Wenn die Botschaft in der Öffentlichkeit ankommt, dass Bodenschutz genauso wichtig ist wie der Schutz von Wasser oder Luft, könnte uns das mehr helfen als eine Bodenrahmenrichtlinie.

Der Stern-Report und der Weltklimarat IPCC haben den Klimawandel auf die Tagesordnung von Politik und Medien gebracht. hnliches versuchen die TEEB-Studie (The Economics of Biodiversity and Ecosystems) und IPBES, eine Art Weltbiodiversitätsrat, mit dem Thema Biologische Vielfalt. Brauchen wir einen Weltbodenrat?

Ich glaube nicht, dass wir einen eigenen Weltbodenrat brauchen. Der Bodenschutz rückt in den internationalen Abkommen zum Klimawandel, zum Schutz der Biologischen Vielfalt oder der Bekämpfung der Deserti fikation immer mehr in den Vordergrund. Boden spielt überall eine wichtige Rolle und muss deshalb in Verbindung mit den anderen Themen diskutiert werden, nicht separat. In diesem Jahr, dem Internationalen Jahr der Biodiversität, hat die Europäische Kommission viel Zeit und Kraft investiert, um zur Biodiversitätskonferenz im Oktober in Nagoya (Japan) einen Soil Biodiversity Atlas auf den Tisch zu legen. Wir werden auf einem gemeinsamen Event in Nagoya deutlich machen, dass die Verbindung zwischen den drei Konventionen Klimawandel, Biodiversität und Desertifikation der Boden ist. Der Boden ist eine wichtige Kohlenstoffsenke, ein wichtiger Biodiversitätspool - hier ist die Biodiversität größer als über dem Boden - und einer der Hauptfaktoren für die Wüstenbildung. Ich würde auch gern eine starke Vertretung von Bodenkundlern im neuen Weltbiodiversitätsrat IPBES (In tergovernmental Panel on Biodiversity and Ecosystem Services) sehen.

Die Anforderungen an die Landwirtschaft werden in Zeiten des globalen Wandels - des wachsenden Energie- und Nahrungsbedarfs und Klimawandels - größer werden. Wachsen damit auch die Konflikte zwischen Landwirten und EU-Agrarpolitik?

Ich glaube, hier gibt ein riesiges Missverständnis, gerade in Deutschland. Die Bodenschutzstrategie richtet sich nicht gegen die Landwirtschaft und Landwirte. Die Landwirtschaft hat doch ein natürliches Eigeninteresse daran, den Boden zu schützen. Landwirte arbeiten mit dem Boden und hängen von seiner Fruchtbarkeit ab. Der Landwirt wäre doch der Letzte, der dem Boden schaden würde. Abgesehen davon ist Landwirtschaft nur eine Art der Landnutzung. Denken Sie nur an Infrastruktur, Urbanisierung oder Bergbau! Man muss sich darüber im Klaren sein, dass der Boden sehr unterschiedliche Funktionen hat. Deshalb brauchen wir einen Kriterienkatalog, ein Indikatorensystem, um die einzelnen Bodenfunktionen besser abwägen zu können. Daran arbeitet die Forschung mit Hochdruck. Was ist ein guter, was ist ein schlechter Boden? Dann können Entscheidungen viel besser getroffen werden, ob der Boden landwirtschaftlich genutzt werden sollte, um Biomasse und Nahrung zu produzieren, oder zum Wohnen, Arbeiten, Erholen oder für den Naturschutz. Der Boden ist eine begrenzte Ressource. Man kann mit dem Boden auf eine viel intelligentere und - vom ökonomischen Standpunkt - ertragreichere Art und Weise umgehen als bisher. Ökonomische Entwicklung und Bodennutzung müssen kein Widerspruch sein.

Welche Bedeutung haben Dauerfeldversuche und Monitoring für den Schutz des Bodens?

Veränderungen im Boden können nicht in Zeiträumen entdeckt werden wie Veränderungen in Wasser oder Luft. Um Basisparameter wie z. B. die organische Bodensubstanz oder andere chemische oder physikalische Eigenschaften des Bodens zu beobachten, muss über zehn, 50 oder 100 Jahre hinweg gemessen werden, denn der Boden hat eine viel größere Pufferkapazität. Eine Finanzierung für derart langfristige Monitoringaktivitäten ist nicht leicht zu finden. Deshalb ist es gut, dass solch kostbare Dauerfeldversuche wie die von Rothamsted in England (seit 1843 und damit der älteste Dauerfeldversuch der Welt) oder Bad Lauchstädt in Deutschland (seit über 100 Jahren) noch existieren. Das sind die einzigen Experimente, bei denen wir entdecken können, was langfristig unter verschiedenen Nutzungsmethoden mit dem Boden passiert.

Sie sind Projektleiter des European Digital Archive on Soil Maps of the World (Eu-DASM). Welche Ziele werden mit diesem Archiv verfolgt?

In der Welt gibt es tausende, wenn nicht hunderttausende von Bodenkarten, in denen fast hundert Jahre Arbeit von Bodenkundlern stecken, besonders aus den Kolonialperioden in Afrika, Asien und Südamerika. Und unsere Kollegen in Afrika und den Entwicklungsländern wussten nicht, welches Kapital wir hier in Europa über deren Länder in den Händen haben. Also haben wir diese Kartenarchive digitalisiert und frei übers Internet zur Verfügung gestellt, damit das Wissen über den Boden von diesen Ländern genutzt werden kann. Es ist noch sehr viel zu tun, beispielsweise sind viele Karten der ehemaligen Sowjetunion noch nicht digitalisiert. Aber das Archiv ist schon heute ein riesiger Erfolg.

Mit welchen Problemen des Bodenschutzes hat Italien zu kämpfen?

Italien hat die typischen Probleme mediterraner Länder. Kontaminationen, Bodenerosion. Aber das Hauptproblem sind die Erdrutsche, meist verbunden mit vielen Toten. Die ganze italienische Landschaft ist eine anthropogene, vom Menschen geschaffene Landschaft. Und wenn diese heute nicht mehr so instand gehalten wird, wie die letzten 200, 300 Jahre, und an vielen Stellen gebaut wurde, wo nicht hätte gebaut werden dürfen, dann muss man sich nicht wundern, wenn der Regen Land wegspült. Wenn man in Italien von Bodenschutz spricht, meint man hauptsächlich den Schutz vor Erdrutschen.


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Soil Atlas of Europe

Der erste Europäische Bodenatlas der European Commission ist das Ergebnis von mehr als 20 Jahren Zusammenarbeit zwischen europäischen Bodenforschern. Basierend auf Bodendaten und -informationen, die im Rahmen des vom JRC entwickelten European Soil Information System (EUSIS) zusammengetragen wurden, illustriert der Atlas auf 128 Seiten mit zahlreichen Karten, Grafiken, Abbildungen und Tabellen, wie reich Europa an Bodenressourcen und wie notwendig deren nachhaltiges Management ist. Der Atlas richtet sich an eine breite Öffentlichkeit und soll ein Brückenschlag zwischen Bodenwissenschaften und öffentlichem Wissen sein. Er soll helfen, ein größeres Bewusstsein und Verständnis für die Diversität von Böden und seinen Schutz zu schaffen.

Review: "an essential acquisition for any library supporting teaching and research in all subjects related to soil science ... excellent value for money." - R. J. Parkinson, European Journal of Soil Science, December 2006.

A Jones, L Montanarella and R Jones; Joint Research Centre, 2006 128 pages, maps, tabs, figs., approx. 27 Euro, ISBN-10: 928948120X


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iSoil

ISOil - Interactions between soil related sciences - Linking geophysics, soil science and digital soil mapping. Am Projekt, das vom UFZ-Department Monitoring- und Erkundungstechnologien koordiniert wird, sind 19 Partner (sieben Universitäten, sieben Forschungs einrichtungen und fünf Firmen) aus neun europäischen Ländern beteiligt. Ziel des Projektes ist die Entwicklung, Anwendung, Validierung und Verbreitung einer kostengünstigen und effizienten Methodik zur Erstellung von digitalen Bodenkarten unter Einbeziehung geophysikalischer Methoden. www.isoil.info


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Quelle:
UFZ-Newsletter September 2010, S. 6-7
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2010