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BODEN/194: Leben, wo nichts lebt - Klebsormidium, die Alge des Jahres 2018 (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 204 - Juni / Juli 2018
Die Berliner Umweltzeitung

Leben, wo nichts lebt
Klebsormidium, die Alge des Jahres 2018, ist immer schon da, bevor andere kommen

von Leonhard Lenz


Nicht nur unter großen Bäumen, wilden Tieren und schönen Blumen werden jedes Jahr besondere Vertreter zur Natur des Jahres gewählt. Es gibt auch die Alge des Jahres, die jedes Jahr von der Sektion Phykologie der Deutschen Botanischen Gesellschaft gekürt wird. Dieses Jahr ist es die Gattung Klebsormidium. Wer eine solche Alge sehen will, benötigt dafür jedoch ein gutes Mikroskop, denn sie bildet zwar lange, aber nur eine Zelle breite Fäden. Klebsormidium-Algen treten aber häufig in großen Ansammlungen auf Sandböden auf, dann kann man sie als grüne Färbung erkennen.

Die schon sehr früh in der Evolution eigenständige Grünalgen-Gattung umfasst 17 bekannte Arten. Sofern sie nicht mit Salz in Kontakt kommen, können die Algen mehrere Monate ohne Wasser auskommen. Hierzu produziert eine Alge, sobald sie bemerkt, dass das Wasser knapp wird, in nur einer halben Stunde einen Zucker, der die Zellwände stabilisiert, sie jedoch weiterhin elastisch hält. So kann die Alge wie eine Ziehharmonika zusammenschrumpfen, ohne dass die Zellwände beschädigt werden. Damit auch das Innere der Zelle nicht beschädigt wird, bildet die Alge einen eigenen Sonnenschutz, der die erbgutschädigende UV-Strahlung in Wärme und Licht umwandelt.

Sobald jedoch wieder Wasser an die Alge kommt, erwacht sie in wenigen Minuten zum Leben und dehnt sich aus, um ihre Photosyntheseleistung anzukurbeln. Damit sich alle Zellen des langen Fadens gemeinsam ausdehnen und schrumpfen, tauschen sie, genauso wie höhere Pflanzen, Hormone aus.

Durch diese Eigenschaften konnten sich Klebsormidium-Algen auf dem ganzen Planeten ansiedeln. Gerade in den Trockenwüsten und den Eiswüsten an den Polen sind sie, neben einigen anderen Algen und Pilzen, die einzigen Lebewesen. Dabei bilden sie sogenannte Bodenkrusten. Bodenkrusten sind ein stark von Algen und Pilzen durchwachsener Oberboden - in vielen Wüsten die einzige Lebensform. Dennoch tragen sie weltweit zu acht Prozent der Umwandlung von CO2 in Sauerstoff bei, was etwa dem durch Menschen verursachten CO2-Ausstoß entspricht.

Rekordverdächtige Bodenkrusten

Dabei sind Bodenkrusten gleich in mehrfacher Hinsicht Pioniere. Sie waren die erste Lebensform, die vor etwa 450 Millionen Jahren begann, vom Meer aus die Landmassen der Erde zu erobern. Noch heute stellen sie die erste Stufe der Besiedlung neu aufgetauchter Inseln oder auch erstarrter Lava dar. Erst wenn die Algen zusammen mit Bakterien und Pilzen den Boden für höhere Pflanzen fruchtbar gemacht haben, können diese beginnen das Land zu besiedeln. Dabei kann es passieren, dass sie etwa durch Beschattung die Kruste zerstören.

Die Pioniereigenschaft der Algen macht sich der Mensch heute auch gezielt zunutze. In Trockenwüsten sollen sie die Ausbreitung der Wüstenzone verhindern oder sogar eine landwirtschaftliche Nutzung möglich machen.

Weitere Informationen:
www.dbg-phykologie.de
(Alge des Jahres)

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Quelle:
DER RABE RALF
29. Jahrgang, Nr. 204, Seite 8
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
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Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2018

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