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BUCH/658: Mit grünem Kapitalismus die Welt retten? - "Rotes Grün", von Hans Thie (Der Rabe Ralf)


DER RABE RALF
Nr. 177 - Dezember 2013 / Januar 2014
Die Berliner Umweltzeitung

Mit grünem Kapitalismus die Welt retten?
Oder braucht es einen Systemwechsel?

Buchbesprechung von Jörg Parsiegla



Sattes Grün verlangt kräftiges Rot - behauptet Autor Hans Thie, promovierter Wirtschaftspolitiker und in dieser Funktion Referent der Bundestagsfraktion Die Linke. Und man kann davon ausgehen, dass der frühere wissenschaftliche Mitarbeiter des renommierten, die Bundesregierung beratenden Thünen-Instituts (Braunschweig) weiß, wovon er spricht.

Die ersten beiden Kapitel des sechsteiligen Buchs dienen im Wesentlichen der Bestandsaufnahme grüner Szenarien (reicht grüner Kapitalismus, also mehr grüne Technik und mehr ökologische Moral, die Welt zu retten?) und der Veranschaulichung dessen, "was die ökologische Überdehnung gesellschaftlich bedeutet". So richtig spannend wird es erst ab Kapitel drei: Trügerische Erwartungen.

Überspitzt formuliert, bekommen hier unter anderen einige Koryphäen grünen Denkens, darunter Harald Welzer, Niko Paech und Tim Jackson als angelsächsischer Vertreter, ihr Fett ab. Sie hätten zwar alle das Problem eines nötigen Paradigmenwechsels erkannt, gingen aber in ihren Schlussfolgerungen - vorausgesetzt Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit (Fairness) gehörten im Transformationsprozess zusammen - nicht weit genug.

Eine grüne und gerechte Wirtschaft, lässt sich für Thie "letztlich nur im linken Geist durch Kooperation, Gleichheit und Planung herstellen". Bei diesen Leitprinzipien ginge es, nicht um (gescheiterte) zentrale Verwaltungswirtschaft, sondern um die "Planung der Bedingungen, die Kooperationen unter Gleichen ermöglichen." Ein solches Verständnis von Planung als bewusstes Herstellen ökologischer Lebensmöglichkeiten für alle könne Märkte und Unternehmen in vielfältigster Form einschließen. Hinzu kommt, so der Autor, dass es zentrale Ansätze für Kooperation, Gleichheit und Planung schon im Hier und Jetzt gibt - zum Beispiel Open-Source-Projekte, die Vielzahl kommunaler Versorger (Stadtwerke) oder, im Sinne von Planung, das Setzen von Grenzen. Alles nachzulesen in Kapitel vier: Signale der Hoffnung.

In Kapitel fünf - Modellwechsel - geht es ums Systemische und damit dem Wachstum als Grundlage des kapitalistischen Gesellschaftssystems an den Kragen. Zur Ableitung eines ökologiebasierten Systems in einer vollen Welt bedient sich der Autor Rückblenden zu Marx, Keynes, Ostrom und anderen ökologischen Ökonomen und schlägt harte Einschnitte vor, darunter eine drastische Korrektur der Vermögensverhältnisse, den Aufbau von Belegschaftseigentum in den Unternehmen und den Ausbau des öffentlichen Sektors - all das, versteht sich, "wenn sie (diese Erfordernisse) nicht gegen die Bevölkerung, sondern mit ihr auf den Weg kommen sollen."

Und so wachsen bei Thie die Umrisse einer ökologischen Wirtschaftsordnung, in der erneuerbare Energien die öffentlichen Verkehrsmittel öffentlich bezahlbar machen, die Unternehmen (die den Produzenten gehören) - unkaputtbare Dinge herstellen und wo die Kommune für ein gutes Leben sorgt. Ach ja, Demokratie in des Wortes Bedeutung wäre angesagt. "Die Bevölkerung hätte nicht nur Parteien, Kandidatinnen und Kandidaten zu wählen, sondern die Grundstrukturen von Wirtschaft und Gesellschaft." Kapitel sechs - Neue Geschichten - verrät, wie diese und andere Ziele als Bewegung ihren Anfang nehmen könnten.

Mit "Rotes Grün" ist Thie ein flüssig lesbares Sachbuch von hoher Aktualität gelungen - zu empfehlen allen Lesern, denen eine menschenwürdige Zukunft am Herzen liegt.


Hans Thie (Hrsg. RosaLuxemburg-Stiftung):
Rotes Grün - Pioniere und Prinzipien einer ökologischen Gesellschaft
VSA: Verlag Hamburg, 2013, 176 Seiten, 16,80 Euro
ISBN 978-3-89965-552-0

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Quelle:
DER RABE RALF - 24. Jahrgang, Nr. 177 - Dezember 2013 / Januar 2014, Seite 27
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2014