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GESCHICHTE/023: Reinhaltung von Luft, Wasser, Boden in den neuen Bundesländern seit 1990 (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 159 - Dezember 2010/Januar 2011
Die Berliner Umweltzeitung

Zur Umweltsituation
Fortschritte bei der Reinhaltung von Luft, Wasser und Boden in den neuen Bundesländern seit 1990

Von Jörg Parsiegla


Die Umweltsituation in der DDR war zum Zeitpunkt der Wende (1989/90) durch erhebliche Hinterlassenschaften und Altlasten gekennzeichnet. Die vordergründige Erfüllung der Wirtschaftsplanziele hatte notwendige Umweltschutzmaßnahmen immer wieder hintenan gestellt, so blieben dringende Investitionen in die Umweltinfrastruktur aus. Gesundheitsgefährdende Gefahren wie belastetes Trinkwasser und eine hohe Luftverschmutzung in den Industrie- und Ballungszentren wurden in Kauf genommen.

Hinzu kamen die Folgeschäden des großflächigen Braunkohlebergbaus sowie die durch Industrie und Landwirtschaft hervorgerufene Belastung der Gewässer. Die anfänglichen Befürchtungen einer flächenhaften Umwelt- und Gesundheitsgefährdung bestätigten sich dagegen nicht.

Als gegensätzliches Extrem des Natur- und Umweltschutzes in der DDR muss die Tatsache gewertet werden, dass aufgrund des im Gegensatz zur BRD ausgebliebenen beziehungsweise stark eingeschränkten Zersiedelungsprozesses und des somit geringeren Bodenverbrauchs viele großflächige Landschaftsräume mit gefährdeten Tier- und Pfl anzenarten erhalten geblieben sind.


Umweltmedium Luft

Bis Mitte der 1990er Jahre war Schwefeldioxid (SO2) noch eine der Leitkomponenten der Luftbelastung in Deutschland. Allein auf dem Gebiet Sachsen-Anhalts mit dem Chemiedreieck aus Bitterfeld-Wolfen, Buna-Schkopau und Leuna sind 1989 etwa ein Drittel mehr SO2 und Staub emittiert worden als in der gesamten alten Bundesrepublik! Durch die Modernisierung der Großfeuerungs- und die Umrüstung von Kleinfeuerungsanlagen entsprechen die heute in den neuen Ländern gemessenen SO2-Konzentrationen in ihrer Größenordnung denen der alten Länder. Um beim Beispiel Sachsen-Anhalts zu bleiben: Hier wurde die SO2-Belastung auf etwa ein Hundertstel reduziert. Damit sind Belastungen der menschlichen Gesundheit und der Vegetation kaum noch nachzuweisen.

Die Treibhausgasemissionen (darunter CO2) wurden seit den 90er Jahren in Ostdeutschland deutlich mehr als halbiert. Dies hat beitrittsbedingt mit der massenhaften Aufgabe von Industriestandorten zu tun sowie mit massiven Investitionen in die Modernisierung der verbliebenen Unternehmen, insbesondere die der Energiewirtschaft. Zusätzlich wirkten sich die Umstellung auf umweltverträglichere Energieträger, die Förderung effizienterer Energienutzungen sowie die Modernisierung der Abfallwirtschaft aus. So verzeichnete zum Beispiel allein der Freistaat Sachsen in den 90er Jahren eine Verringerung der Treibhausgasemissionen um 63 Prozent.

Bei Stickstoffoxiden (NOx), berechnet als NO2, ist die Belastung in den neuen Ländern heute bereits niedriger als in den alten Ländern. Dieser Rückgang erfolgte mengenmäßig am deutlichsten im Bereich des Verkehrs als Folge der Modernisierung des Kfz-Bestandes. Bei Feinstaub (unter anderem als partikelförmiges Ammoniumnitrat vorliegend) haben sich die Pegel in den Ballungsgebieten in Ost und West bis Ende der neunziger Jahre angeglichen. Seitdem ist eine Stagnation in Ost und West zu verzeichnen.


Umweltmedium Wasser

Ab den späten 1970er Jahren verringerte sich die Nährstoff- und Schadstoffbelastung der westdeutschen Flüsse nach dem Bau von Kläranlagen mit dritter und vierter Reinigungsstufe (entsprechend Phosphor-/Nitratentfernung) sowie aufgrund reduzierter industrieller Einleitungen deutlich. Ab 1990 profitierten auch die ostdeutschen Flüsse von diesen Maßnahmen und erholten sich deutlich und wider Erwarten sehr schnell.

Exemplarisch hierfür steht das Beispiel der Elbe. So musste bei der Erstellung der ersten gesamtdeutschen Gewässergütekarte 1990 zur Beschreibung der Elbewasserqualität eine zusätzliche 8. Stufe, die Gewässergüteklasse "ökologisch zerstört", eingeführt werden, um der teilweisen Gewässerqualität im Elbeeinzugsgebiet gerecht zu werden (eine Einschätzung, übrigens, die noch um 1970 auch für den Rhein zutraf). Durch die anschließende Aufgabe vieler Industriebetriebe im Elbeeinzugsgebiet und die Veränderung der Produktionsprofile bei den verbliebenen Unternehmen verbesserte sich die Wasserqualität bis 1995 in den am stärksten verschmutzten Flussabschnitten unterhalb von Dresden rasch um mehrere Stufen. Mit dem Neubau von Kläranlagen setzte sich diese Verbesserung bis zum Jahr 2000 fort. Die Schadstoffbelastung der Elbe sank damit seit der Wende um 90 Prozent.

Auch in der Wasserwirtschaft verfügen die neuen Länder heute über leistungsfähige öffentliche und private Unternehmen und Zweckverbände. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden dort (einschließlich Berlin) allein zwischen 2002 und 2004 rund 3 Milliarden Euro in die öffentliche Abwasserbeseitigung investiert.

Mit der stetigen Verbesserung der Wasserqualität der ostdeutschen Gewässer steigt auch wieder die Artenanzahl bei Fischen und Kleinorganismen. An der mittleren Elbe werden inzwischen wieder etwa 45 Arten gezählt, an der Unterelbe sogar mehr als 90. Zu Aal, Hecht, Karpfen und Zander gesellt sich heute wieder ein gutes Dutzend weiterer Arten, darunter Blei, Döbel, Flussbarsch, Gründling und Meerforelle. Im August 2006 wurde an der deutsch-tschechischen Grenze 1,04 Meter großer Atlantischer Lachs gefangen. Künftige Herausforderungen zur Umsetzung eines guten Gewässerzustandes (gemäß europäischer Wasserrahmenrichtlinie) liegen auch in den neuen Bundesländern in der weiteren Reduzierung von Einleitungen, in der Wiederherstellung einer den ökologischen Erfordernissen entsprechenden Gewässerstruktur einschließlich der Durchgängigkeit für wandernde Arten. Die Umweltverbände sind aufgerufen, diesen Prozess kritisch zu begleiten - etwa durch die Verhinderung überdimensionierter Verkehrswasserbauanlagen.


Umweltmedium Boden

Eines der schwerwiegendsten Umweltprobleme in den neuen Ländern stellten nach 1990 die Altlasten dar. Jahrzehntelange Handhabungsverluste bei gesundheitsschädlichen Stoffen oder einfach nur umweltuntaugliche Anlagen hatten an den Standorten zahlreicher Industrie- und Gewerbebetriebe zu erheblichen Belastungen geführt. Bei den Großstandorten kamen die nie wirklich aufgearbeiteten Schadstoffbelastungen durch Kriegszerstörungen und den Fingerprint der Industrialisierungsanfänge hinzu.

Um die Nachnutzung dieser Altstandorte für künftige Investoren attraktiv zu machen, wurde bereits 1990 die Altlastenfreistellungsklausel im noch von der Volkskammer der DDR erlassenen Umweltrahmengesetz festgeschrieben, die grundsätzlich den Ländern die Kosten der Altlastensanierung überantwortete. 1992 schließlich schlossen Bund und Länder ein Verwaltungsabkommen, das eine Beteiligung des Bundes an den Sanierungskosten in Höhe von 60 (bei Großprojekten wie zum Beispiel der Braunkohlesanierung 75) Prozent festlegte. Inzwischen ist der Großteil der Altstandorte und die überwiegende Zahl der Großprojekte saniert oder sieht in absehbarer Zeit dem Sanierungsende entgegen.

"Lausitzer Seenland" und "Leipziger Neuseenland" sind Bezeichnungen für neue Landschaften, die auf ehemaligen Braunkohletagebauen und Altstandorten der DDRBraunkohlenindustrie entstanden sind oder derzeit gestaltet werden. Der Umwidmungsschlüssel von ursprünglich 1.200 Quadratkilometern Sanierungsfläche sieht rund 50 Prozent land- und forstwirtschaftliche Flächen, 27 Prozent Wasserflächen und 18 Prozent Naturschutzflächen vor. Auf rund 3 Prozent entstehen Gewerbe- und Industrieflächen. Bis Ende 2009 wurden knapp 9 Milliarden Euro in das Mammutprojekt Braunkohlesanierung investiert.

Umwelt- und Naturschutzverbände engagieren sich für die Sicherung und Entwicklung der Bergbaufolgelandschaften als wertvolle Naturräume. Besondere Probleme bereiten dabei immer wieder die Gewässernachsorge (Versauerungsgefahr infolge des hohen Eisen- und Schwefelgehalts des Bodens) sowie örtlich eintretende gravierende Vernässungen von Standorten infolge des Grundwasserwiederanstiegs.

Insgesamt bleibt rund um das Medium Boden noch viel zu tun. So muss zum Beispiel der Bodenerosion verstärkt Einhalt geboten und der auf hohem Niveau stagnierende Flächenverbrauch (zurzeit bundesweit etwa 100 Hektar oder 1 Quadratkilometer pro Tag) gesenkt werden. Außerdem gilt es, Schadstoffeinträge weiter zu verringern beziehungsweise, wie im Fall monströser Mastanlagen, gar nicht erst zuzulassen. Ein relativ neues Feld für Aktivitäten ist mit der Verhinderung des Einsatzes genmanipulierten Saatguts (und seiner Folgen für die Bodenfunktionen) gegeben.

Quellen:
Statistisches Bundesamt,
Bundesanstalt für Vereinigungsbedingte Sonderaufgaben,
Materialien der Konferenz "20 Jahre Umweltunion" (Bitterfeld)


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:


Braunkohlekraftwerke haben den höchsten CO2-Ausstoss unter allen Stromerzeugern - absolut 1153 g / 729 g CO2 pro kwh ohne / mit Kraft-Wärmekopplung (Quelle: www.co2-emissionenvergleichen. de)

Hochwasser in einem Altarm der Elbe bei Wittenberge

Luftgüte-Messstation in Berlin


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Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 159 - Dez. 2010/Jan. 2011, S. 21-22
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2011