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INITIATIVE/408: Papier-Memorandum fordert Umdenken, Verbrauch auf Rekordhöhe (ARA Magazin)


ARA Magazin 3-4/08 - Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.

Papier-Memorandum fordert Umdenken

Verbrauch steigt auf Rekordhöhe


Mit einem Memorandum für einen nachhaltigen Papierverbrauch rufen ARA und 12 weitere Umwelt- und Verbraucherschutzverbände die Bundesregierung seit einem Jahr auf, konkrete Maßnahmen einzuleiten, um den Papierverbrauch in Deutschland um 50 Prozent zu senken und den Einsatz von Recyclingpapier zu erhöhen.

Anlass des Appells war der Negativ-Rekord des Papierverbrauchs in Deutschland: 2007 nutzte jeder Deutsche 256 Kilogramm Papier, mehr als doppelt so viel wie noch Anfang der 1970er Jahre. Beim Gesamtpapierverbrauch liegen wir Deutschen auf Platz vier hinter den USA, China und Japan.

Der weltweit steigende Papierverbrauch hat schon längst alle Nachhaltigkeitsgrenzen überschritten und geht immer noch mit Urwaldzerstörung und einer wachsenden Umwandlung von Wäldern und Ackerland in Zellstoffplantagen einher.

Die Effizienzgewinne, z. B. durch einen höheren Einsatz von Altpapier, werden durch stetiges Mengenwachstum zunichte gemacht.

Die Kernforderungen des Memorandums lauten deshalb:
• Papierverbrauch reduzieren
• Nutzung von Recyclingpapier stärken
• Kein Papier nutzen, dessen Rohstoffe aus Raubbau stammen


Papiersparprogramme, Bildungsoffensiven und Beschaffungsrichtlinien gefordert

In ihrem Appell fordern die Organisationen und Verbände die Bundes- und Landesregierungen, aber auch kommunale Entscheidungsträger auf, den immer größeren Papierbergen konsequent entgegen zu treten und dies durch eine bundesweite Bildungsoffensive und Papiersparprogramme gezielt voran zu treiben. Ein Nationaler Aktionsplan zur umweltfreundlichen Beschaffung, in dem verbindliche Papiereinsparquoten ebenso verankert werden sollen wie eine jährliche Erfassung des Papierverbrauchs der öffentlichen Hand, wurde angemahnt.

Beim Thema nachhaltiger Konsum muss die öffentliche Hand als Vorbild vorangehen und durch die Verabschiedung einer Beschaffungsrichtlinie für Papier in allen Behörden und öffentlichen Einrichtungen den Einsatz von Recyclingpapier zur Pflicht machen.

Was den Verbänden neben Papiersparen und dem Einsatz von Recyclingpapier als Forderung besonders unter den Nägeln brennt, ist eine effektive Bekämpfung des illegalen Holz-Handels und der Ausschluss von Papieren, dessen Rohstoffe aus Raubbau stammen. Für alle Primärfaserpapiere auf dem deutschen Markt sollte den Verbrauchern ein Recht auf glaubwürdige Herkunftsnachweise bis hin zur Rohstoffquelle eingeräumt werden. Der illegalen Waldzerstörung muss die Politik durch effektive Gesetze einen wirksamen Riegel vorschieben und zum Beispiel endlich ein Urwaldsschutzgesetz auf den Weg bringen, anstatt solche Initiativen auszubremsen.


Die öffentliche Hand vernachlässigt ihre Vorbildfunktion

Obwohl das geltende Vergaberecht die Beschaffung von Recyclingpapier durch die öffentliche Hand explizit zulässt oder sogar empfiehlt, beschaffen viele Kommunen, Firmen und Verwaltungen immer noch Primärfaserpapiere. Das verdeutlicht die Forsa-Studie "Verwendung von Recyclingpapier in der öffentlichen Verwaltung", die im Auftrag der Initiative Pro Recyclingpapier erstellt wurde. Demnach verwenden drei Viertel der Behörden (auch) Primärfaserpapier, und jede zehnte Behörde beschafft sogar ausschließlich Primärfaserpapier.

Ein Drittel der verbrauchten Papiermenge entspricht nicht den Kriterien des Blauen Engels für Recyclingpapiere und damit nicht den Handlungsempfehlungen des Umweltbundesamtes. Ungeachtet des im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ausgedrückten politischen Willens ist für nicht einmal die Hälfte der Behörden die Spezifikation "Hergestellt aus Altpapier" ein notwendiges Beschaffungskriterium.


Mangelnde Ausschöpfung des bereits geltenden Rechtsrahmens

Agenda-Beauftragte und Umweltberater/innen können der Öffentlichkeit nicht glaubwürdig empfehlen, Recyclingpapier zu kaufen, wenn die Verwaltung dieser Empfehlung im eigenen Beschaffungswesen nicht nachkommt. Dabei sind eine Reihe von rechtlichen Rahmenbedingungen bzw. Möglichkeiten für eine umweltfreundliche Beschaffung der öffentlichen Hand bereits gegeben:

Nach Paragraph 37 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sind Produkte aus einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft zu bevorzugen. Zwar sind öffentliche Auftraggeber angehalten, im Einklang mit dem Haushaltsrecht wirtschaftlich und sparsam zu beschaffen. Aber haushaltsrechtlich sind Mehrpreise aufgrund von Umweltverträglichkeit gerechtfertigt, wenn damit betriebs- oder volkswirtschaftliche Kosteneinsparungen verbunden sind. Nach dem europäischen und deutschen Vergaberecht dürfen ausdrücklich Umweltaspekte in die Ausschreibung integriert werden. Darüber hinaus existieren in einzelnen Bundesländern Runderlasse zur umweltfreundlichen Beschaffung für Landes- und Kommunalbehörden. In verschiedenen Kommunen gibt es Dienstanweisungen dazu. Schließlich ist auch die Vorbildfunktion der öffentlichen Auftraggeber zu nennen, die unter anderem in der Agenda 21 eingefordert wird.


Lobbyarbeit für die Umsetzung der Ziele des Memorandums

Unterstützt von der Stiftung Eine Welt - Eine Zukunft machten ARA und urgewald im Rahmen des Projektes "Papierwende für Großverbraucher bundesweit" Lobbyarbeit für die Umsetzung der Ziele des Memorandums bei bundesdeutschen Politikern. Neben einer bundesweiten Pressearbeit zum Memorandum erhielten die Bundeskanzlerin, der Bundestagspräsident und alle Präsidiumsmitglieder des Deutschen Bundestages vor den Klimaverhandlungen auf Bali einen eindringlichen Appell, sich für die Ziele des Papier-Memorandums einzusetzen.

Darüber hinaus wurde Kontakt mit der Vorsitzenden des Umweltausschusses im Bundestag sowie den umwelt- und verbraucherpolitischen Sprechern der Parteien aufgenommen. Gespräche mit den umwelt- und verbraucherpolitischen Sprechern der Grünen und der Linken führten zur gemeinsamen Erarbeitung von zwei Kleinen Anfragen an die Bundesregierung durch die Grünen, die Papiereinsatz und Papierverbrauch in den Bundesministerien thematisieren.

Nach der Auswertung der Antworten und weiteren Gesprächen mit Bundestagsabgeordneten folgte weitere Pressearbeit. "Klimakanzlerin Merkel kein Vorbild beim Papierkonsum" konstatieren ARA und urgewald, "Kein Recyclingpapier im Kanzleramt" lautet das Fazit der Grünen.

ARA bleibt beharrlich am Ball und wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass Fortschritte in Richtung eines nachhaltigen Papierkonsums gemacht werden.


Das Papier-Memorandum

Die 13 unterzeichnenden Organisationen und Verbände des Papier-Memorandums sind:
ARA, BUND, Bundesverband für Umweltberatung (bfub), Forum Umwelt und Entwicklung, Forum Ökologie und Papier (FÖP), Greenpeace Deutschland, Klimabündnis, NABU, Pro Regenwald, ROBIN WOOD, urgewald, Verbraucherzentrale Bundesverband und Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Das Memorandum ist auf den Internetseiten aller Verbände zu finden.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Bei Papieren mit dem Blauen Engel kann man sicher sein, dass bei ihrer Produktion ausschließlich Altpapier eingesetzt wurde.


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Quelle:
ARA Magazin 3-4/08, S. 12-13
Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.
August Bebel Str. 16-18, 33602 Bielefeld
Redaktion: Jürgen Birtsch, Wolfgang Kuhlmann,
Monika Nolle, Jürgen Wolters
Telefon: 0521/6 59 43, Fax: 0521/6 49 75
E-Mail: ara@araonline.de
Internet: www.araonline.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2009