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ALTLASTEN/005: Wie das neue Umweltministerium mit den Altlasten des Uranbergbaus in Thüringen umgeht (Strahlentelex)


Strahlentelex mit ElektrosmogReport
Unabhängiger Informationsdienst zu Radioaktivität, Strahlung und Gesundheit
Nr. 688-691 / 29. Jahrgang, 3. September 2015 - ISSN 0931-4288

Atommüll

Wie das neue Umweltministerium mit den Altlasten des Uranbergbaus in Thüringen umgeht

von Frank Lange (*)


In Thüringen spricht man wieder von Altstandorten des Uranbergbaus. Nachdem in den letzten Jahren eine Verniedlichung als ungefährliche Hinterlassenschaften des Uranbergbaus seitens der Fachämter und -ministerien üblich war, gab es mit der Neuausrichtung unter Regie der grünen Landesministerin Anja Siegesmund Hoffnungen auf einen Paradigmenwechsel. Die neue Dreierkoalition Grüne/Linke/SPD vereinbarte die Neubewertung der radiologischen Altlasten des DDR-Uranbergbaus. Allerdings lief diese bereits seit drei Jahren, zurückzuführen in erster Linie auf das jahrelange Drängen des Kirchlichen Umweltkreises Ronneburg. Da sich aber das einfache Freimessen von Altlasten durch bzw. beim Thüringer Landesbergamt (TLBA) als Standard-Programm der Problemlösung bzw. -verdrängung herausstellte, konnte nur eine politische Wende in Thüringen eine Veränderung in der Herangehensweise bewirken. Zu dieser kam es bekanntlich 2014 plötzlich und unvermutet. Anlass für den Umweltkreis, erneut aktiv zu werden und mit mehreren Schreiben an das neu konstituierte TMUEN1 auf die Thematik aufmerksam zu machen. Eine aktuelle Altlast wurde mit Hilfe des Bundestagsabgeordneten Ralph Lenkert durch den Umweltkreis so aufbereitet, dass ein Überprüfungsverfahren auf den Weg gekommen ist, das von der bisherigen verborgenen Praxis des TLBA abweicht. Nach Ablauf des Verfahrens wird der Umweltkreis hierüber gern öffentlich berichten.

Inzwischen sind 23 Objektbegehungen des TLBA im Thüringer Wald und Schiefergebirge abgeschlossen, circa 50 sollen noch im ostthüringer Raum erfolgen. Die Ministerin des TMUEN selbst teilte uns dazu mit: "Die dort ermittelten Expositionen liegen bei maximal 0,1 mSv/a und unterschreiten damit den Richtwert von 1 mSv/a deutlich. Im Ergebnis dieser radiologischen Neubewertung wurde festgestellt, dass bei keinem dieser untersuchten Objekte die derzeitige Nutzung (überwiegend forstwirtschaftlich) aus radiologischen Gründen eingeschränkt werden muss. Diese Informationen wurden den betroffenen Kommunen als Träger öffentlicher Belange zur Verfügung gestellt." [1] Bisher erhielten Kommunen bzw. Eigentümer solcher Flächen Auskünfte bestenfalls auf Anfrage. Trotzdem ist eine solche als "Neubewertung" deklarierte Aussage gefährlich, suggeriert sie doch absolute übergroße Sicherheit und lässt dabei das radioaktive Potential an Ort und Stelle nach wie vor völlig außer Acht.

Bei den genannten 1 Millisievert pro Jahr (mSv/a) handelt es sich nach Paragraph 46 der Strahlenschutzverordnung (§ 46 StrlSchV) um den Grenzwert der effektiven Dosis durch Strahlenexposition für Einzelpersonen der Bevölkerung bei Tätigkeiten nach § 2 Abs. 1 Nr. (1). Die Anwendung als Richtwert durch die Mitarbeiter des Landesbergamtes lässt auf die Nutzung der "Berechnungsgrundlagen zur Ermittlung der Strahlenexposition infolge bergbaubedingter Umweltradioaktivität (Berechnungsgrundlagen - Bergbau)" aus dem Jahre 2010 schließen. Diese wiederum "(...) beschränken sich auf die Angabe von Verfahren zur Berechnung der bergbaubedingten Strahlenexposition. Sie enthalten keine materiellen Strahlenschutzanforderungen wie z.B. Regelungen zu Sanierungszielen oder Angaben, unter welchen Voraussetzungen Sanierungsmaßnahmen gerechtfertigt oder nicht gerechtfertigt sind." [2] Daher sind die Berechnungsgrundlagen für die radiologische Neubewertung von Altstandorten des Uranbergbaus ungeeignet, es sei denn neue Aktivitäten zum Beispiel bei erneutem Bergbau oder besser im Rahmen von Sanierungen würden stattfinden. Deren Auswirkungen würden mit den Berechnungsgrundlagen Bergbau festzustellen sein.

Die fehlenden gesetzlichen Vorgaben zum Umgang mit den radioaktiven Hinterlassenschaften des Uranbergbaus sind unstrittig und bedürfen einer sinnvollen Regelung. Dazu gehört die Anwendung der vom Kirchlichen Umweltkreis übrigens gemeinsam mit der heutigen Umweltministerin in der Vergangenheit mehrfach kritisierten 1 mSv/a-Regelung nicht. Daher sollte der Fortgang der laufenden Bewertung der Altstandorte des Uranbergbaus in jetziger Form umgehend gestoppt werden. Diese Bewertungen fallen in ihrer Handhabung sogar hinter die bei der Erstellung des Altlastenkatasters angewandten Betrachtungsweise zurück. Die Mitarbeiter von Ministerium und Landesbergamt rühmen bei dieser radiologischen "Neubewertung" ihre konservative Herangehensweise. Beispiel: Die zum Ansatz gebrachten Aufenthaltszeiten werden im Sinne von Abenteuerspielplätzen mit 1000 Stunden Jahresaufenthaltszeiten festgelegt. Die bei einer Begehung aufgenommenen Stichproben zur γ-Strahlung werden dann zu Strahlenexpositionen zusammengerechnet, die maximal ein Zehntel der zulässigen Jahresdosen ergeben. Diese Argumentationslinie gibt es seit Jahrzehnten, nur wären dadurch über 80 Prozent der Wismutflächen keiner Sanierung zugegangen und das radioaktiv vor Ort lagernde Material wird weiter ignoriert.

Es ist höchste Zeit, die Altstandorte tatsächlichen radiologischen Neubewertungen zuzuführen und einen die Zukunft sichernden Umgang mit ihnen auf den Weg zu bringen. Aus Sicht des Umweltkreises sind folgende Schwerpunktaufgaben für die Thüringer Landesregierung maßgeblich:

• Die Bewertung der Altlasten sollte in Fortführung der im Bergbaualtlastenkataster (A.LAS.KA) herausgearbeiteten Algorithmen und Schwerpunkte erfolgen und das tatsächlich vorhandene Belastungspotential der (meist unzureichend abgedeckten) Halden, Schurfe und Absetzbecken erfassen.

• Es ist seitens der Landesregierung eine gesetzliche Initiative auf Bundes- und gegebenenfalls Landesebene erforderlich, die angemessenen Bewertungen von und einen langfristig gesicherten Umgang mit Uranbergbau-Altstandorten zulassen.

• Der Ansatz des 1,0 mSv/a-Grenzwertes nach StrlSchV als Bewertungsmaßstab ist ungeeignet. Er führt nicht zu Neu-, sondern zu Abwertungen der bisherigen Einordnung im Altlastenkataster. Der Wertungsmaßstab muss den radioaktiven Potentialen und deren Auswirkungen auf Luft- und Wasserpfad der unmittelbaren Umgebung gerecht werden. Insofern benötigen die bisher bearbeiteten 23 Objekte eine nochmalige erweiterte Bearbeitung.

• Bisher unterliegen die Altlaststandorte des Uranbergbaus keinerlei messtechnischen Kontrollen oder einer gewissen Überwachungskontinuität; ein modifiziertes Monitoring, das insbesondere den Wasserpfad berücksichtigt, ist erforderlich.

• Die Übergabepraxis der Altlaststandorte des Uranbergbaus vor 1990 berücksichtigte nur Belange des Bergbaus zu Ungunsten der Nachnutzer beziehungsweise der Allgemeinheit und hält keinen rechtsstaatlichen Grundsätzen stand. Die radioaktiven Potentiale erfuhren keine ausreichende Bewertung und meist unzureichende Sicherungen. Hier sind juristische Schritte seitens der Landesregierung erforderlich, die den Verursacher beziehungsweise dessen Rechtsnachfolger wieder in die Pflicht nehmen.

• Mit dem Bundeswirtschaftsministerium ist nach sächsischem Vorbild eine Vereinbarung zu erzielen, die mögliche Sanierungsaufwendungen mindestens paritätisch sicherstellt. Nach dem Wismutgesetz von 1991 konnten für diejenigen Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus der SAG/SDAG Wismut, die 1990 nicht dem Unternehmen zugeordnet wurden, keine Mittel für die Sanierung zur Verfügung gestellt werden. Damit wurden für die Sanierung eines Großteils der Hinterlassenschaften aus dem Uranerzbergbau der 1950er bis 1970er Jahre keine Mittel vom Bund bereitgestellt. Auch für den Freistaat Thüringen und die als Grundeigentümer eingetragenen Gemeinden, Landkreise, Gewerbebetriebe oder Privatpersonen besteht bekanntlich keine rechtliche Pflicht zur Sanierung. Hier ist endlich eine pragmatische Lösung mit der Bundesregierung beziehungsweise deren zuständigen Ministerien herbeizuführen.

Bis dato hat sich das neue thüringische Umweltministerium (TMUEN) zwar bewegt, dabei die eingefahrenen Wege der Ignoranz aber nicht verlassen. Noch nicht?

(*) Dipl.-Ing. Frank Lange,
Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg,
franklange44[at]web.de


1 Thüringer Ministerium für Umweltschutz, Energie und Naturschutz

[1] Antwortschreiben der Ministerin Siegesmund vom 30.06.15 an den Umweltkreis.

[2] Berechnungsgrundlagen Bergbau; BfS 2010, S. 2


Der Artikel ist auf der Website des Strahlentelex zu finden unter
http://www.strahlentelex.de/Stx_15_688-691_S06-07.pdf

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Quelle:
Strahlentelex mit ElektrosmogReport, September/Oktober 2015, Seite 6-7
Herausgeber und Verlag:
Thomas Dersee, Strahlentelex
Waldstr. 49, 15566 Schöneiche bei Berlin
Tel.: 030/435 28 40, Fax: 030/64 32 91 67
E-Mail: Strahlentelex@t-online.de
Internet: www.strahlentelex.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2015

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