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MELDUNG/341: Tödliche Massenkollision von Kranichen an Stromleitung (NABU BB)


Gemeinsame Pressemitteilung von NABU Brandenburg und BI "Biosphäre unter Strom - keine Freileitung durchs Reservat!", 19. Januar 2016

Tödliche Massenkollision von Kranichen an Stromleitung

- NABU fordert Umrüstung bestehender Leitungen sowie Prüfung von Erdkabeln bei Neubau in Vogelschutzgebieten
- Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur "Uckermarkleitung" ergeht am 21.1.2016


66 bis 110 Kraniche sind vermutlich aufgrund von Nebellagen mit einer Freileitung in Brandenburg kollidiert und verendet. Bereits am 18. Dezember wurden die Kraniche bei Möthlow im Havelland von einer Reiterin entdeckt. Die Vögel lagen unmittelbar an der 220-kV-Freileitung, was eine andere Todesursache weitgehend ausschließt. Nachdem Naturschützer erst in der zweiten Januarwoche von dem Fall erfahren haben, konnte am 13. Januar vor Ort eine Dokumentation des Vorfalls durch die staatliche Vogelschutzwarte Brandenburg erfolgen. Eine nur 350 Meter entfernte Grünlandsenke diente den Vögeln als Schlafgewässer, das sie täglich anflogen.

"Dieser Fall bei Möthlow belegt auf eindrucksvolle Weise die Gefahren, die von Höchstspannungsfreileitungen ausgehen, selbst wenn diese durch Marker gekennzeichnet sind" sagt Friedhelm Schmitz-Jersch, Vorsitzender des NABU Brandenburg. So war die Freileitung zwar mit roten Spiral-Markierungen zum Vogelschutz versehen worden, jedoch wird deren Wirksamkeit vom NABU seit langem angezweifelt. "Vögel sehen Farben anders als Menschen, und in der Nacht oder bei Nebel helfen selbst die empfohlenen und deutlich wirksameren schwarz-weiß-Markierungen wenig" sagt Eric Neuling, Referent für Stromnetze und Naturschutz beim NABU Bundesverband. Regelmäßig kollidieren dann neben Kranichen und Störchen vor allem Wasservögel, Rallen und Watvögel (Limikolen) an Freileitungen, da sie meist sehr schnell fliegen und die dünnen Erdseile zu spät oder gar nicht wahrnehmen. Dies gelte umso mehr bei panikartigem Auffliegen nach Störungen (z.B. durch Spaziergänger, Hunde, Jagd, Silvesterböller).

Der beste Schutz in Gebieten mit hohen Vogelaufkommen sind Erdkabel für den Stromtransport. Sie sind die einzige Möglichkeit, den unnötigen Vogeltod von bis zu mehreren hundert Vögeln pro Leitungskilometer jährlich wirklich zu vermeiden. In dem vom NABU-Brandenburg geführten und von der Bürgerinitiative "Biosphäre unter Strom - keine Freileitung durchs Reservat!" unterstützten Rechtsstreit vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen den im Sommer 2014 ergangenen Planfeststellungsbeschluss für die geplante 380kV-Freileitung Bertikow - Neuenhagen ("Uckermarkleitung") spielt der Vogelschutz die Schlüsselrolle, denn die geplante Leitung soll drei europäische Vogelschutzgebiete queren. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wird am 21. Januar 2016 bekannt gegeben.

Der Antragsteller "50 Hertz" behauptet, dass die Schutzziele der Vogelschutzgebiete durch die 380kV-Freileitung nicht erheblich beeinträchtigt würden, wenn die Leitung mit Einebenen-Masten errichtet und Erdseilmarkern versehen wird. Doch eben diese Masten stehen an der Unglücksstelle im Havelland.


Hintergrund:

Das Forum Netztechnik/Netzbetrieb (FNN) im VDE (Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik im Freileitungsbau), veröffentlichte im Jahr 2014 Hinweise zur Vogelschutzmarkierung an Hoch- und Höchstspanungsfreileitungen, in denen zwischen verschiedenen Raumkategorien unterschieden wird. In der Kategorie A werden sensible Gebiete zusammengefasst, bei denen ein Freileitungsvorhaben so konfliktträchtig ist, dass auch durch den Einsatz von Markierungen das Anflugrisiko nicht ausreichend minimiert werden kann, so dass hier empfohlen wird, räumliche oder technische Alternativen zu prüfen.

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Quelle:
Pressedienst, 19.01.2016
Herausgeber:
Naturschutzbund Deutschland e.V.
NABU Brandenburg
Lindenstraße 34, 14467 Potsdam
Tel: 0331/20 155 70, Fax: 0331/20 155 77
E-Mail: info@NABU-Brandenburg.de
Internet: www.brandenburg.nabu.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2016

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