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MELDUNG/506: Nuclearia - ein Einzeller, der selten allein is(s)t (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 210 - Juni / Juli 2019
Die Berliner Umweltzeitung

Ein Einzeller, der selten allein is(s)t
Nuclearia ist der Einzeller des Jahres 2019

von Jörg Parsiegla


Mit bloßem Auge ist der kugelige oder amöbenartige Einzeller Nuclearia nicht zu sehen, nur zehn bis 30 tausendstel Millimeter misst er im "Durchmesser". Unter dem Mikroskop jedoch treten sein Zellkern (Nucleus) und die Kernkörperchen (Nucleolus) deutlich hervor - daher der Name. Die Deutsche Gesellschaft für Protozoologie hat Nuclearia nun zum Einzeller des Jahres 2019 gekürt.

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Nuclearia kommt weltweit im Süßwasser vor, in Teichen und Seen. Der Einzeller ist von einer schützenden Schleimhülle umgeben und besitzt feine Scheinfüßchen, sogenannte Pseudopodien. Eine Besonderheit ist die sehr spezielle symbiotische Beziehung, die Nuclearia mit anderen Bakterien eingeht. Diese ernähren sich von seiner Schleimschicht und helfen ihm im Gegenzug, giftige Blaualgen als Nahrungsquelle zu nutzen. Denn die Bakterien bauen das Gift der Blaualgen ab, so dass sich der Einzeller die Algen problemlos einverleiben kann. Seine Schleimhülle kann er offenbar kontinuierlich neu bilden. Nuclearia hat also gleich zwei erstaunliche Eigenschaften. Er geht als primitiver Einzeller Symbiosen ein. Und dies macht es ihm möglich, eigentlich giftige Blaualgen zu vertilgen.

Nuclearia macht kurzen Prozess

Damit gehört Nuclearia zu den wenigen Spezialisten, die giftige Cyanobakterien, sogenannte Blaualgen, fressen können. Interessant ist auch, wie der Einzeller dabei vorgeht - bilden Blaualgen doch fast ausschließlich fadenförmige Bakterienketten, die oft viel zu lang und "unhandlich" zum Fressen sind. Während kurze Fäden (Filamente) von dem Einzeller umflossen und direkt aufgenommen werden, hilft sich Nuclearia bei längeren Fäden, indem sie diese so weit wie möglich in die Zelle transportiert und dann mechanisch einfach abbricht, um sie stückweise aufnehmen zu können. Als dritte Strategie nutzt Nuclearia ein stärker ausgebildetes Scheinfüßchen, um den Algenfaden an einem Ende festzuhalten und anschließend eine Cyanobakterienzelle nach der anderen - gewissermaßen häppchenweise - "abzubeißen". Dadurch kann dieser Einzeller Filamente fressen, die ein Vielfaches der eigenen Zellgröße haben.

Angesichts der sich häufenden Blaualgen-Invasionen im Zusammenhang mit heißen Sommern als Folge der Erderwärmung könnte Nuclearia möglicherweise ein Mittel sein, der Plage Herr zu werden. Der gewiefte Einzeller des Jahres 2019 gehört übrigens zu einer Gattung, die den Pilzen (Fungi) nahesteht. Die aktuelle Forschung beschäftigt sich vor allem mit dem Isolieren und Identifizieren der symbiotischen Bakterien in Nuclearias Hülle.

Weitere Informationen: www.protozoologie.de

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Quelle:
DER RABE RALF
30. Jahrgang, Nr. 210, Seite 10
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 25 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2019

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