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ÖKOLOGIE/024: Forschung zur Entstehung von Kooperation zwischen Bakterien (idw)


Max-Planck-Institut für chemische Ökologie - 28.07.2010

Volkswagenstiftung fördert Forschergruppe am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena

Evolution: Erforscht wird die in der Biologie besonders interessante Frage nach der Entstehung von Kooperation zwischen Lebewesen


Dank finanzieller Förderung der Stiftungsinitiative Evolutionsbiologie - einem Impulsprogramm der Volkswagenstiftung - kann Dr. Christian Kost in den nächsten fünf Jahren neue Doktorarbeiten vergeben und betreuen. Zusätzlich konnte sich sein Team über mehrere neue Spezialgeräte freuen. Erforscht wird die Entstehung von Mutualismen, das heißt: Kooperationen zwischen verschiedenen Arten. Dieses Gebiet ist in der Evolutionsforschung bislang nur wenig beachtet. In der Natur finden sich viele Beispiele, bei denen Lebewesen einander helfen und auf diese Weise ihre Art schützen und erhalten. Allgemein bekannt sind zum Beispiel Bestäuber, die als Dank für ihre Dienstleistung von der Blütenpflanze mit Pollen belohnt werden. Wie aber solche "Helfermerkmale" entstehen und sich genetisch manifestieren, ist bislang nicht erforscht. Genau dieser Frage wird sich die Forschergruppe nun widmen, indem sie sich auf scheinbar einfache, jedoch experimentell sehr leicht zugängliche Organismen konzentriert: Bakterien

Bereits Charles Darwin hatte erkannt, dass das schon von ihm beobachtete kooperative, also helfende Verhalten zwischen Lebewesen nicht allein mit der Auslese bestimmter Eigenschaften eines einzelnen Lebewesens zu erklären ist. Jemandem anderen helfen heißt: Kraft und Energie aufwenden, die dem Gegenüber nützt, einem selbst aber Nachteile bringt, weil in der Folge die Kraft zur eigenen Fortpflanzung fehlt. Leidet aber die eigene Fortpflanzung, geht langfristig auch das genetische "Helfermerkmal" verloren. Beispiel: Ein Vogel, der dank laut vernehmbarer Warnrufe andere Vögel vor Fraßfeinden warnt, zieht deren Aufmerksamkeit ganz und gar auf sich und wird als Erster vertilgt. Derjenige Vogel aber, der sich auf den Warner verlässt und bestenfalls gar keinen Laut von sich gibt, überlebt und pflanzt sich munter fort - seine Gene bleiben erhalten. Die genetische Information des Warnvogels jedoch, die das "Helfergen" enthält, müsste in diesem Beispiel langsam aber sicher verschwinden. Die Natur aber beweist: das "Helfergen" verschwindet nicht. Aber warum? "Dieses Dilemma hatte bereits Darwin erkannt und sogar eine Hypothese zu dessen Erklärung parat: Sind die Warner mit den nicht-warnenden Vögeln eng verwandt, tragen sie trotz ihrer Selbstaufopferung indirekt, nämlich durch den Schutz ihrer Familien, zum Erhalt ihrer Gene bei. Diese so genannte Verwandtenselektion kann allerdings nicht die Kooperationen zwischen verschiedenen Arten erklären, da diese sehr entfernt miteinander verwandt sind.", erläutert Christian Kost, Leiter der Forschergruppe "Experimentelle Ökologie und Evolution" am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie.

Dank der Finanzspritze von 350.000 Euro seitens der Volkswagenstiftung kann er nun damit beginnen, Antworten auf die Frage nach der Entstehung und Evolution kooperativen Verhaltens zu finden. Wegen ihrer schnellen Generationszeit - sie teilen sich alle 30 Minuten - und ihrer einfachen Handhabung wird mit Bakterienarten gearbeitet. In Experimenten sollen die ökologischen Rahmenbedingungen identifiziert werden, die die Evolution von Mutualismen begünstigen und zu deren Erhaltung beitragen. Dazu werden jeweils zwei Bakterienarten verschiedenen Umwelt- und Selektionsbedingungen ausgesetzt, die zuvor von mathematischen Modellen als ursächlich für die Entstehung von Kooperation vorhergesagt wurden. Mit detaillierten Analysen des Erbguts der beiden parallel evolvierenden Bakterienpopulationen werden dann die genetischen Ursachen, die zur Kooperation der beiden Stämme geführt haben, identifiziert. In einer Serie von Experimenten wird beispielsweise der Wettbewerb zweier Bakterienstämme um Nährstoffe beobachtet, die sie dringend zum Wachstum benötigen: Unter welcher Voraussetzung fangen die Stämme an, zu kooperieren, statt zu versuchen, den konkurrierenden Stamm auszuschalten? Und was hat sich im Genom der Stämme entsprechend verändert?

Christian Kost studierte Biologie in Kaiserslautern und schloss sein Studium mit einer Diplomarbeit über Blattschneiderameisen und ihre symbiontischen Bakterien ab. Promoviert wurde er von der Friedrich- Schiller-Universität Jena mit einer Dissertation über kooperierendes Verhalten zwischen in Mexiko beheimateten Bohnen und Ameisen - ein weiteres Beispiel helfenden Verhaltens in der Natur: Die Pflanze ernährt die Ameisen mit Nektar, umgekehrt schützen die Ameisen die Bohnen vor pflanzenfressenden Schädlingen. Nach seiner Promotion im Jahre 2006 verbrachte er 2 Jahre als Alexander von Humboldt Stipendiat im "New Zealand Institute for Advanced Study" in Auckland, Neuseeland. Dort erforschte er die genetischen Grundlagen bakterieller Anpassungsstrategien an sich rasch ändernde Umweltbedingungen. Im Januar 2009 gründete er seine Arbeitsgruppe "Experimentelle Ökologie und Evolution" am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie. [JWK]


Kontakt:
Dr. Christian Kost, MPI für chemische Ökologie,
Hans-Knöll-Straße 8, 07745 Jena,
Tel.: 03641 - 571212, ckost@ice.mpg.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
http://idw-online.de/pages/de/image121346
Dr. Christian Kost mit einer Petrischale, auf der verschiedene Bakterienkolonien wachsen

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter: http://idw-online.de/pages/de/news380891
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter: http://idw-online.de/pages/de/institution1258


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Dr. Jan-Wolfhard Kellmann, 28.07.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2010