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STADT/183: Lichtverschmutzung - Übel unserer Zeit? (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 149 - April/Mai 09
Die Berliner Umweltzeitung

Lichtverschmutzung - Übel unserer Zeit?
Das Beleuchtungsproblem moderner Städte

Von Christoph Vinz


In der letzten Zeit stößt der Umwelt-Interessierte zunehmend auf die Begriffe "Lichtverschmutzung" oder auch "Lichtsmog". Beides meint die zunehmende Helligkeit unserer Städte und auch Industrieanlagen, die zu einer immer stärkeren Aufhellung des Nachthimmels über den entwickelten Industrieländern führt. Vereinfacht könnte man auch sagen, dass in unseren Regionen mehr und mehr die Nacht zum Tage gemacht wird. Selbst aus dem Weltall ist das europäische Lichtermeer sehr gut zu erkennen.

Der Begriff "Lichtverschmutzung" ist eigentlich irreführend, denn hier geht es keinesfalls um ein irgendwie "verdrecktes Licht". Ursprünglich stammt der Begriff aus dem Englischen ("light pollution"). Damit sollen die wachsenden Probleme durch sogenannte, "Lichtglocken", zum Beispiel über unseren Großstädten, charakterisiert werden. In der Luft schwebende Feinstäube und Aerosole verstärken diesen Effekt noch zusätzlich, indem die nach oben strahlenden Lichtquellen reflektiert, gebrochen und sogar gestreut werden.

Ökologen, Entomologen und Ornithologen warnen daher vor der negativen Beeinflussung bestehender Ökosysteme durch die schrittweise Aufhebung des natürlichen Tag-Nacht-Rythmus durch immer mehr Licht. Wachstumszyklen bei Pflanzen verändern sich, nachtaktive Schmetterlinge und Insekten werden von den Lichtquellen magisch angezogen und vernichtet. Nächtlich fliegende Zugvögel können auf ihrem Kurs irritiert werden, was zu höherem Energieverbrauch führt und damit für viele Exemplare das Aus auf der Reise nach Afrika sein kann. Und nicht zuletzt ist auch der Mensch dank seiner inneren Uhr auf den Tag-Nacht-Rhythmus geprägt, wenn auch die Auswirkungen gravierender Veränderungen noch zu wenig erforscht wurden. Bekannt sind aber schwere Schlafstörungen bei Menschen, die über viele Jahre in Nachtschichten ihre Gesundheit schädigten.

Wir wissen auch, dass Melatonin unseren Biorhythmus steuert. Dieses wichtige Hormon wird allerdings nur bei Dunkelheit gebildet; zu viel Licht kann im Extremfall zu einer Art "Jetlag-Effekt" führen. Und wenn Umfragen zufolge fast die Hälfte aller Deutschen unter 30 Jahren mit bloßem Auge noch nie die Milchstraße am Nachthimmel erblickt hat, wenn über Städten kaum noch Sterne sichtbar sind, dann ist das zumindest ein kultureller Verlust. Jeder, der schon einmal die unendliche Tiefe eines Nachthimmels mit unzähligen Sternen (und im Glücksfall ein paar Sternschnuppen) erleben konnte, weiß, welche Magie vom "Sternenzelt" ausgeht.

Sollen nun alle Lichter gelöscht werden? Wollen wir künftig wieder nächtens, die Laterne in der Hand, durch finstere Straßen tappen? Ich denke, das wünschen die Wenigsten. Niemand will ernsthaft die Rückkehr zu mittelalterlichen Verhältnissen. Ausdrücklich bekenne ich mich zur ästhetischen Schönheit nächtlich beleuchteter Städte, zum großen Reiz angestrahlter Kulturdenkmäler, ja sogar zur Leuchtwerbung in bestimmten städtischen Bereichen. Darauf verzichten zu wollen, hieße ganz sicher ein Stück modernes Lebensgefühl aufzugeben. Es geht doch nicht um ein "Entweder-oder", sondern um ein kluges Abwägen aller Argumente. Intelligente Lichtlösungen, die sich neuester Technologien bedienen, werden alle Seiten zufriedenstellen. Natur- und Umweltschützer können ebenso wie Geschäftsleute, PR-Strategen und Tourismusexperten zu einem Konsens kommen.

Als "Modellstadt für umweltfreundliche Beleuchtung" konnte Augsburg bei der öffentlichen Beleuchtung bereits eine Energieeinsparung von 20 Prozent erzielen. Durch den konsequenten Einsatz von Dimmern und Natriumdampflampen sind hier erstaunliche 250.00 Euro pro Jahr eingespart worden. Die Stadt Düsseldorf erprobt seit 2007 den Einsatz moderner LED-Lampen in einem Projekt gemeinsam mit den Stadtwerken. Deutschlandweit wurden erstmals zwei Straßenzüge mit dieser neuen Beleuchtungstechnik ausgerüstet. Auch die Umrüstung historischer Gaslaternen mit LEDs befindet sich in der Erprobungsphase.

Neben diesen Pilotprojekten gibt es Vorschläge für eine vernünftige "Beleuchtungspolitik", die zu einer deutlichen Absenkung der "Lichtverschmutzung", einem beträchtlichen Einsparpotential bei Elektroenergie und zu einer höheren Lebensqualität aller Stadtbewohner führen könnten: Die mehr und mehr verwendeten Skybeamer sollten - wenn überhaupt - sehr sparsam eingesetzt werden. Während zu erwartender Vogelzüge ist auf diese Lichtquelle unbedingt zu verzichten. Durch intelligente Lösungen bei der nächtlichen Straßenbeleuchtung (Abschalten zu bestimmten "toten" Zeiten, Herunterfahren der Beleuchtung durch Abschalten jeder zweiten Lampe, Dimmereinsatz, Einsatz von Natriumdampflampen und vor allem künftig der LED-Technik) kann viel Energie eingespart werden ohne Sicherheitsaspekte zu vernachlässigen. Die Vermeidung hell angeleuchteter Wände im Außenbereich der Städte und Ersatz weithin abstrahlender Lampen kann ohne große Investitionen erfolgen. Ein Abschalten der sogenanten "touristischen Beleuchtung" im städtischen Außenbereich nach Mitternacht und die Umrüstung der an der Peripherie liegenden Tankstellen (auch Tank- und Raststätten an den Autobahnen) auf Beleuchtung mit Natriumdampflampen bzw. Leuchtstofflampen in der Lichtfarbe "warm white" wären ein weiterer positiver Beitrag.

Fachleute empfehlen den Einsatz von Lampen, die ihr Licht nach unten abstrahlen. Damit entfallen auch die oft kritisierten Blendwirkungen. Hausbeleuchtungen im Eingangs- und Flurbereich könnten energiesparend mit Bewegungsmeldern gekoppelt werden. Sicherlich sind noch viele Veränderungen und Lösungen möglich, die zu keiner spürbaren Beeinträchtigung des nächtlichen Lebens in einer modernen Großstadt führen müssen. Vernünftiges Zurückfahren überdimensionierter Lichtquellen und eine von oben nach unten orientierte Lichtbündelung lassen einen Energiespareffekt von bis zu 20 Prozent realistisch erscheinen.

Es wäre gut, wenn sich unsere kommunalen Verantwortlichen im diesem Sinne mehr austauschten. Schließlich muss nicht immer wieder das Fahrrad neu erfunden werden!

http://www.grueneliga-berlin.de/rabe_ralf/rabe_archiv_2009/04_05_2009/24_04_05_2009.html


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Quelle:
DER RABE RALF - 20. Jahrgang, Nr. 149, April/Mai 09
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2009