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SCHADSTOFFE/225: Schimmelpilze - Fensterlüftung vs. kontrollierte Be- und Entlüftung (umg)


umwelt · medizin · gesellschaft - 3/2010
Humanökologie - soziale Verantwortung - globales Überleben

SCHIMMELPILZE

Fensterlüftung vs. kontrollierte Be- und Entlüftung
- Auswirkung auf den Schimmelpilzbefall

Von Hans-Peter Leimer und Ilka Toepfer


Im vorliegenden Forschungsprojekt, gefördert durch die Arbeitsgruppe Innovative Projekte (AGIP) des Landes Niedersachsen, Projekt F.A.-Nr. 2002.483, wurde der Einfluss der Lüftungsart - mechanisch oder manuell - auf das Vorhandensein von Mikroorganismen in der Raumluft untersucht. Zusätzlich wurde überprüft, wie die Anfälligkeit zur Schimmelbildung auf Wärmebrücken vom Oberflächenmaterial und vom Raumklima abhängt, das wiederum durch die Lüftungsart beeinflusst wird.
Im Projektrahmen wurden Untersuchungen in zwei gleich ausgebildeten Prüfräumen durchgeführt, von denen einer mechanisch und der andere manuell über Fenster belüftet wurde. die Luftkeimmessungen haben ergeben, dass es unabhängig von der Lüftungsart zu einer Reduktion der Keimzahl in der Innenraumluft im Vergleich zur Außenluft der Räume kommt. Ohne Beeinflussung durch einen Raumnutzer zeigt sich, dass die Reduktion in einem mit einer Lüftungsanlage ausgestatteten Raum größer ist, als die Reduktion in einem Raum mit Fensterlüftung. eine Lüftungsanlage kann jedoch zu Veränderungen des natürlichen Artenspektrums führen und selber verkeimen.


Einleitung

Seit der Energiekrise der 1970er Jahre geht der Trend zur Energieeinsparung, der unsere Bauweise stark verändert hat. Die Entwicklung hochgedämmter Häuser führt bei manueller Fensterlüftung zu Problemen mit der Gewährleistung einer guten Raumluftqualität. Daher werden zunehmend Lüftungsanlagen vor allem auch in Einfamilienhäusern eingebaut. Da hier im Gegensatz zur Klimaanlage keine Befeuchtung und Kühlung der Luft stattfindet, geht man davon aus, dass Probleme mit mikrobiellen Kontaminationen ausgeschlossen sind. Es fehlen aber die Langzeiterfahrungen und Messungen, die diese Annahme absichern.

Im vorliegenden Forschungsprojekt, gefördert durch die AGIP des Landes Niedersachsen, Projekt F.A.-Nr. 2002.483, wurde der Einfluss der Lüftungsart - mechanisch oder manuell - auf das Vorhandensein von Mikroorganismen in der Raumluft beobachtet. Zusätzlich wurde überprüft, wie die Anfälligkeit zur Schimmelbildung auf Wärmebrücken vom Oberflächenmaterial und vom Raumklima abhängt, das wiederum durch die Lüftungsart beeinflusst wird.


Vorstellung der Prüfräume

Im Projektrahmen wurden zwei baugleiche Prüfräume erstellt. Der lang gestreckte, eingeschossige Bau mit Flachdach enthält die beiden Prüfräume und einen Messtechnikraum, in dem sich die Lüftungsanlage und der Computer für die Erfassung der Klimadaten befinden. Die Längsseiten der Räume sind nach Westen zu einer Werkshalle hin und nach Osten zum freien Feld ausgerichtet. Die jeweils dritte Außenwand der beiden Räume ist nach Süden bzw. Norden orientiert. Aufgrund der geringen Fläche dieser dritten Außenwand, sind die Unterschiede der klimatischen Einflüsse von Außen möglichst gering gehalten (Abb. 1 u. 2).

Die beiden Prüfräume unterscheiden sich nur in der Art der Belüftung.RaumA(nördlich)istmiteinerZuluftöffnungundeinem einfachen Abluftventilator ausgestattet, der zweimal pro Tag über eine Zeitschaltuhr je 30 min. läuft. Mit dem Ventilator wird eine manuelle Fensterbelüftung simuliert. Man geht davon aus, dass die meisten Menschen morgens und abends ihre Wohnung belüften, da sie sich tagsüber bei der Arbeit befinden (Abb. 3). Raum B (südlich) ist mit einer Lüftungsanlage mit Kreuzwärmetauscher (Bosch-Junkers LW 120) ausgestattet. Der Volumenstrom der Zuluft ist mit Hilfe eines passiven Konstantvolumenstromreglers auf 30 m3/h geregelt. Der Abluftstrom ist mittels Drosselventil angepasst (Abb. 4). Die durchschnittliche Luftwechselrate beträgt in beiden Räumen 0,5 h-1.

Das Lüftungsverhalten über Fenster ist als Teil des gesamten Nutzerverhaltens extrem schwankend und daher die größte Unwägbarkeit bei bauklimatischen Untersuchungen überhaupt. Aus hygienischer Sicht wird ein Mindestluftwechsel von 10 bis 50 m3/h je Kopf als erforderlich angesehen (RECKNAGEL et al. 1993). Umgerechnet entspricht dies einem Mindestaußenluftwechsel von n = 0,2 bis 0,8 h-1 (RECKNAGEL et al. 1993). Man kann davon ausgehen, dass es sich hierbei um die Luftmenge handelt, die sich ein Raumnutzer mit durchschnittlichen Ansprüchen an die Lufthygiene selbst bereitstellt, sofern ihm die Möglichkeiten dazu gegeben sind, z. B. in Form ausreichend dimensionierter Fensteröffnungen. Neben den Anforderungen an die hygienische Behaglichkeit sind aber auch die Belange des klimabedingten Feuchteschutzes zu berücksichtigen. Um bauphysikalische SchädenwieSchimmelpilzbefallinfolgezuhoherRaumluftfeuchte zu vermeiden, ist bei durchschnittlicher Wohnraumnutzung ein Mindestaußenluftwechsel von n = 0,5 h-1 erforderlich (VDI 1998: DIN 1946, Teil 6). Untersuchungen über das tatsächlich in der Praxis anzutreffende Nutzerverhalten, insbesondere das Lüftungsverhalten betreffend, wurden vom Fraunhofer-Institut in insgesamt 67 Wohnungen vorgenommen (REISS et al. 2001). Im Rahmen dieser Untersuchungen wird in Viellüfter, Normallüfter und Weniglüfter klassifiziert. Ferner wird in Wohnungen mit und ohne Lüftungsanlage unterschieden und es erfolgt eine Untergliederung bezüglich des Lüftungsverhaltens für die Raumnutzung (Bad, Küche, Wohnraum usw.). Die Ergebnisse der Untersuchungen können wie folgt zusammengefasst werden:

• Die Außenlufttemperatur hat den größten Einfluss auf das Fensteröffnungsverhalten. Je wärmer es draußen wird, desto länger werden die Fenster geöffnet.

• Der Einfluss der Solarstrahlung und der relativen Außenluftfeuchte ist gering.

• Bei Windgeschwindigkeiten über 10 m/s reduzieren sich die Fensteröffnungszeiten.

• Wohnungen in Einfamilienhäusern weisen höhere Fensteröffnungszeiten auf. Dies wird auf die höhere Belegungsdichte von Mehrfamilien-Häusern zurückgeführt.

In den Prüfräumen ist ein Messsystem installiert, dass die Klimadaten über gekoppelte Sensoren für Temperatur und relative Feuchte erfasst. Die Messfühler befinden sich zum einen außen unter der Regenrinne an der Ostwand und zum anderen an verschiedenen Stellen der Lüftungsanlagen sowie in jedem Raum. Bei der Lüftungsanlage wird die Frischluft, die Zuluft zu Raum B, die Abluft von Raum B und die Fortluft klimatisch erfasst.


Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchungen

Bei den Untersuchungen in den Prüfräumen wurden in regelmäßigen Abständen Luftkeimmessungen in den Räumen selbst sowie innerhalb der Lüftungsanlage vorgenommen.

Abb. 5: Vergleich der Luftkeimwerte in den Sommer- und Herbst-Monaten unterschieden nach: Außenluft, Zuluft Raum B, Raumluft B Probenort, Abluft vor KWT, Raumluft A

Abb. 5: Vergleich der Luftkeimwerte in den Sommer- und Herbst-Monaten. Die Werte sind als koloniebildende Einheiten (KBE) pro m3 Luft angegeben. Der erhöhte Keimgehalt in Prüfraum A ab dem 13.10.04 kommt durch die beginnende Besiedlung der Testflächen zustande. Die dort wachsenden Pilze geben ihre Sporen an die Raumluft ab. (KWT: Kreuzwärmetauscher)

Abb. 6: Keimgehalt der Raumluft von Raum A und B in Prozent der Außenluft zu unterschiedlichen Zeitpunkten: 31.07.2033, 27.10.2003, 29.01.2004, 29.07.2004

Abb. 6: Keimgehalt der Raumluft von Raum A und B in Prozent der Außenluft.

Grundsätzlich ist die Luft in beiden Räumen quantitativ unbelastet. Sowohl bei einer Fensterlüftung als auch bei einer mechanischen Belüftung kommt es zu einer deutlichen Reduktion der Luftkeimzahlen gegenüber der Außenluft (Abb. 5).

Wie in Abb. 6 zu sehen, ist die Reduktion der Keimzahlen in Raum B (mit Lüftungsanlage) stärker als in Raum A (Fensterbelüftung). Somit kann festgestellt werden, dass eine Lüftungsanlage die Keimzahl im Raum stärker reduziert als in einem fensterbelüfteten Raum durch Sedimentation reduziert wird.


Es konnten folgende Beobachtungen gemacht werden:

Luftkeimmessung vom 31.07.03:
Die Abluft von Raum B weist stark erhöhte Konzentrationen an Hefen und Bakterien auf. Bei den folgenden Untersuchungen hat sich die Keimzahl normalisiert.

Luftkeimmessung vom 27.10.03:
Es konnten qualitativ und quantitativ keine Auffälligkeiten festgestellt werden.

Luftkeimmessung vom 29.01.04:
Die Raumluft von Raum B weist erhöhte Konzentrationen an Hefen und Bakterien auf. Die Luft von Raum A entspricht dagegen dem Artenspektrum der Außenluft. Es kommt scheinbar bedingt durch die Lüftungsanlage zu einer Verschiebung des Artenspektrums in Raum B.

Luftkeimmessung vom 24.05.04:
Die Raumluft von Raum B sowie die Abluft zeigen stark erhöhte Konzentrationen an Penicillium chrysogenum. In der Zuluft nach der Filterstufe ist dieser Pilz ebenfalls enthalten, allerdings nicht in einer Konzentration, die die Belastung im Raum erklären würde. In Raum A ist dieser Pilz nur in sehr geringer Anzahl vorhanden.
Die erhöhte Keimzahl in Raum B im Vergleich zu Raum A kann auf den Filterwechsel, der an diesem Tag durchgeführt wurde, zurückzuführen sein.

Luftkeimmessung vom 29.07.04:
In der Raumluft von Raum B wurde der Pilz Engyodontiumalbum in erhöhter Konzentration nachgewiesen. Dieser Pilz ist auch in anderen Proben enthalten, allerdings in geringerer Anzahl. Es kommt demnach im Vergleich zur Außenluft und zur Raumluft von Raum A zu einer Verschiebung des Artenspektrums.

Luftkeimmessung vom 13.10.04:
Durch die beginnende Besiedlung der Testflächen in Raum A ist die Raumluft entsprechend mit Pilzen belastet. Daher kann ab jetzt der Einfluss der Lüftung auf die Raumluftqualität nur noch unter Vorbehalt beurteilt werden.
An den anderen Messstellen innerhalb der Lüftungsanlage sowie in Raum B ist die Luft quantitativ betrachtet unbelastet. Qualitativ auffällig ist das Vorkommen von Aspergillus fumigatus in der Zuluft, in der Raumluft von Raum B sowie in der Abluft. Erneut handelt es sich zwar um eine unbedenkliche Konzentration, aber es ist als Hinweis auf eine Artverschiebung zu deuten.

Luftkeimmessung vom 11.11.04
Es konnten keine Auffälligkeiten festgestellt werden. Die Keimzahlen sowohl in der Außenluft als auch in der Raumluft sind aufgrund der Kälte sehr gering. Die bei der Probenahme am 13.10.04 festgestellte Raumluftbelastung in Raum A aufgrund der besiedelten Testflächen konnte bei dieser Messung nur in geringem Umfang nachgewiesen werden. Die Keimzahl in Raum A ist deutlich geringer als die der Außenluft. Pilze, wie z. B. Aspergillus versicolor und Wallemia sebi, die für die Belastung am 13.10.04 verantwortlich sind, konnten nur in geringen Konzentrationen bestimmt werden.
Die Kontaktproben des Zuluftfilters zeigen im Verlauf der Standzeit eine Zunahme des Keimgehaltes, wie es zu erwarten ist. Die Rückseite weist zunächst wesentlich weniger Keime auf als die Vorderseite des Filters. Dies relativiert sich allerdings nach einigen Wochen. Bereits nach 9,5 Wochen sind in der Kontaktprobe bis zu 125 KBE/30 cm² zu finden und nach 20 Wochen ist der Belag mit Sporen so dicht, dass ein Auszählen auf der Kontaktprobenfläche nicht mehr möglich ist. Die Sporen sind filtergängig und gelangen auf diese Weise auch in die Anlage und in die Raumluft. Dies könnte eine Erklärung für die Artenverschiebungen sein, die in der Raumluft von Prüfraum B und innerhalb der Lüftungsanlage beobachtet werden konnten.
Der Zuluftfilter wurde nach einem Jahr Standzeit gewechselt und auf den Gehalt an Ochratoxin A und Aflatoxinen untersucht (TOEPFER & LEIMER 2005: Kap. 2.1. Methodik und Kap. 2.2.2. Ergebnisse aus den bewohnten Häusern). Ochratoxin A konnte mit 5 ng/g nachgewiesen werden. Aflatoxine waren nicht detektierbar. In den Kontaktproben der Filter wurden Aspergillus niger und Aspergillus glaucus series (Eurotium sp.) gefunden, die als Produzenten für Ochratoxin A infrage kommen.



Schlussfolgerungen

In beiden Räumen kann die Luft quantitativ betrachtet als unbelastet eingestuft werden. Tendenziell ist die Konzentration an Luftkeimen im mechanisch belüfteten Raum B geringer als im fensterbelüfteten Raum A. Daraus kann man folgern, dass es durch die Lüftungsanlage zu einer stärkeren Reduktion an Luftkeimen in der Raumluft kommt als in einem fensterbelüfteten Raum.

In Raum B und im Bereich der Lüftungsanlage sind eindeutige Verschiebungen des Artenspektrums im Vergleich zur Außenluft zu beobachten. In Raum A entspricht das Artenspektrum dem der Außenluft. Eine Lüftungsanlage kann demnach zu einer Beeinflussung der Artenzusammensetzung in der Raumluft führen. Dadurch ist der Raumnutzer unter Umständen nicht mehr den typischen Außenluftkeimen in der natürlichen Konzentration und Zusammensetzung ausgesetzt. Durch die hier nachgewiesenen geringen Konzentrationen besteht allerdings noch keine gesundheitliche Gefährdung für den Raumnutzer. Es ist aber nicht bekannt, in welchem Maß sich Mykotoxine, Allergene und andere Substanzen von Pilzen (z. B. b-1,3-Glucan) in den Zuluftfiltern anreichern und an die Raumluft abgegeben werden (TOEPFER & LEIMER 2005). Die Tatsache, dass Ochratoxin A im Filter nachgewiesen wurde, zeigt, dass man mit einer Anreicherung über die Standzeit des Filters rechnen muss. Da ganze, lebensfähige Sporen filtergängig sind, muss man davon ausgehen, dass erst recht Fragmente von Sporen, die sowohl Mykotoxine als auch Allergene enthalten, aufgrund ihrer geringeren Größe in stärkerem Maße durch die Filter hindurchgehen. Empfindliche oder allergisch vorbelastete Menschen können daraufhin Reaktionen zeigen. Je kürzer die Standzeit der Filter ist, desto weniger Sporen und mikrobielle Stoffwechselprodukte gelangen an die Raumluft. Daher sind regelmäßige Filterwechsel dringend erforderlich.

Die wichtigste Voraussetzung für die Entstehung von Schimmelpilzwachstum ist das Vorhandensein von Feuchtigkeit und Nährstoffen. Da Schimmelpilze sehr anspruchslos sind, reichen Staubablagerungen bereits als Nährstoffquelle aus und diese sind in jeder Lüftungsanlage zumindest in geringem Maß zu finden. Zum Thema Feuchtigkeit werden in der Literatur unterschiedliche Angaben gemacht.

Das Maß des frei vorliegenden Wassers wird in der Biologie als Wasseraktivität (aw-Wert) bezeichnet. Die Wasseraktivität ist definiert als Quotient des Wasserdampfdrucks im Substrat (pD) und des Sättigungsdruckes (pS) des reinen Wassers bei derselben Temperatur (REISS 1998):

  aw = pD / pS

Sedlbauer und Krus (2003) stellen fest, dass der aw-Wert eines vorliegenden feuchten Materials nichts anderes als die an dessen Oberfläche vorliegende relative Luftfeuchte darstellt. Dies wird durch folgende Formel ausgedrückt:

  aw = φ / 100     mit φ in %

Bei der Angabe der Minimalwerte der Wasseraktivität muss man zwischen Sporenkeimung und Mycelwachstum (Wachstum des bereits ausgekeimten Pilzgeflechts) unterscheiden.

Je nach Toleranz differenziert man xerophile, mesophile und hydrophile Pilze. Das Mycel der xerophilen Pilze wächst bereits bei aw-Werten ab 0,65. Hierzu gehören z. B. Vertreter der Aspergillus glaucus Gruppe und Wallemia sebi. Aspergillus echinulatus (Vertreter der Aspergillus glaucus Gruppe) hat für das Mycelwachstum einen minimalen aw-Wert von 0,62, d. h. er kann ab einer relativen Oberflächenfeuchte von 62% wachsen. Die Sporenkeimung beginnt bei diesem Pilz ab aw = 0,71 (REISS 1998). Die mesophilen Pilze benötigen einen aw-Wert von wenigstens 0,85 und die hydrophilen wachsen erst ab aw = 0,95.

Die Wachstumsparameter Temperatur und Feuchtigkeit sind eng verbunden. Um bei der minimalen Wasseraktivität wachsen oder keimen zu können, brauchen Pilze ihre optimale Temperatur. Bei Über- oder Unterschreiten des optimalen Wertes steigt der Anspruch an Feuchtigkeit (REISS 1998).

Die Literatur gibt zu den Wachstumsbedingungen von Pilzen unterschiedliche Angaben. Kruppa et al. stellen fest, dass bereits nach 3 Tagen eine Vermehrung von Pilzen auf Baustoffen stattfindet, wenn die relative Luftfeuchte an einer Oberfläche oberhalb von 70% und die Temperatur zwischen 10 und 30 °C liegt (KRUPPA et al. 1993). Nach Zöld gilt ein Bereich als gefährdet, in dem über einen Zeitraum von mehr als 12 Stunden an 5 aufeinanderfolgenden Tagen die Grenze von 75% Luftfeuchte bei Temperaturen unter 20 °C überschritten wird (ZÖLD 1990). Gertis et al. geben an, dass im Mittel 3 Stunden pro Tag die Wachstumsbedingungen erreicht werden müssen, um das Wachstum von Pilzen zu ermöglichen (GERTIS et al. 1997).

Zusammengefasst kann eine Kontamination der Anlage erfolgen, wenn
a) die relative Luftfeuchte über 65% liegt,
b) eine Temperatur zwischen 0 und 50 °C vorliegt,
c) a) und b) für mindestens 3 Stunden pro Tag zutreffen
d) und Nährstoffe z. B. in Form von Staub vorhanden sind (SEDLBAUER et al. 1998).

Während das Wachstumskriterium Temperatur erwartungsgemäß durchgängig erfüllt wird, schwanken die Feuchteverhältnisse im Inneren der Wohnungslüftungsanlage im jahreszeitlichen Verlauf. Überschreitungen der 65%-Grenze können nur auftreten, wenn die Frischluft eine erhöhte absolute Luftfeuchtigkeit aufweist, wie dies insbesondere während der Sommerperiode der Fall ist. Die durchgeführten Messungen der Zuluftparameter belegen, das die relative Luftfeuchte im Lüftungsgerät im Zeitraum von Juni bis Oktober regelmäßig über 65% r.F. ansteigt. Die zusammenhängende Überschreitungsdauer beträgt überwiegend mehr als drei Stunden, in einigen Fällen sogar bis zu drei Tagen. Eine Taupunktunterschreitung konnte jedoch zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen werden.

Die oben angeführten Wachstumsvoraussetzungen (nach SEDLBAUER et al. 1998) sind somit alle erfüllt. Wie bereits beschrieben, liegen genügend Nährstoffe vor, es sind Pilzsporen vorhanden, die Temperatur liegt immer im nahezu optimalen Bereich für Pilze und die Klimaauswertung zeigt, dass auch die relative Luftfeuchte über längere Zeiträume soweit erhöht ist, dass im Zuge der Gleichgewichtsvorgänge der Staub oder die Filtermaterialien eine ausreichend hohe Wasseraktivität aufweisen. Auch wenn bei den vorliegenden Untersuchungen kein Pilzbefall innerhalb der Lüftungsanlage nachgewiesen wurde, konnte gezeigt werden, dass eine Kontamination der Lüftungsanlage während der Sommer- und Herbstperiode erfolgen kann.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit eine mechanisch erzwungene Lüftung außerhalb der Heizperiode überhaupt sinnvoll ist, wenn sich hierdurch ein baubiologisches Gefährdungspotenzial entwickeln kann. Eine bauphysikalische oder energetische Motivation zur Anlagenlüftung außerhalb der Heizperiode besteht jedenfalls nicht. Zur Deckung des hygienisch erforderlichen Luftwechsels wird von den Wohnungsnutzern ohnehin die Fensterlüftung bevorzugt. Dies bestätigen zumindest die an 67 Wohnungen durchgeführten Untersuchungen vom Fraunhofer-Institut (REISS et al. 2001).


Pilzbesiedlung auf Wärmebrücken mit unterschiedlichen Oberflächenmaterialien

Auf künstlich angelegten Wärmebrücken in den Prüfräumen wurde untersucht, wann in Abhängigkeit vom Oberflächenmaterial und vom Raum- bzw. Oberflächenklima Schimmelpilzbildung auftritt und wie sich die so mit Schimmelpilz kontaminierten Oberflächen wiederum auf die Raumluftqualität auswirken. Die Felder mit den unterschiedlichen Oberflächenmaterialien auf den Wärmebrücken werden im Folgenden Testflächen genannt.


Testfläche
Wandaufbau von außen nach innen
Tapete


Kalksandstein
Kalk-Grundputz
Tapete
Farbe



Kalksandstein
Kalk-Grundputz
Kalkzement-Filzputz
Dispersionsinnenfarbe

Tab. 1: Wandaufbau im Bereich der Testflächen


Bauseitige Versuchsbedingungen

Die künstlichen Wärmebrücken wurden durch Aussparungen der Innendämmung erzeugt. Es wurde ein Grundputz auf Kalkbasis direkt auf das Mauerwerk aufgetragen. Auf einer Testfläche wurde der Putz mit Tapete und auf der anderen Testfläche mit einer Dispersions-Innenfarbe versehen (Tab. 1).

Zur bauphysikalischen Klassifizierung der Wärmebrücken wird der so genannte Temperaturfaktor herangezogen. Der Temperaturfaktor ist eine konstruktionsbedingte dimensionslose Bewertungsgröße zur Beschreibung der spezifische Temperaturabsenkung im Wärmebrückenbereich. Er lässt sich wie folgt ermitteln:

Um die Mindestanforderung des Wärmeschutzes im Bereich von Wärmebrücken gemäß DIN 4108-2 zu erfüllen, muss die Oberflächentemperatur bei Normbedingungen fürWohnraumnutzung (Θ = 20 °C, φ = 50%) an der ungünstigsten Stelle mindestens Θ = 12,6 °C betragen. Hierbei handelt es sich um die Temperatur, bei der die relative Feuchte der Oberfläche φ = 80% annimmt. Hieraus lässt sich ein erforderlicher Temperaturfaktor von

ermitteln.

In Tab. 2 sind die Temperaturfaktoren der zu untersuchenden Testflächen im vorliegenden Fall dargestellt.


Oberfläche der Testfläche

Temperaturfaktor
fRsi [-]
1. unverputzt           
0,40        
2. Kalkputz             
0,42        

Tab. 2: Temperaturfaktoren der zu untersuchenden Testflächen



Simulation des Nutzerverhaltens

Da an Wärmebrücken erst Kondensatbildung erfolgt, wenn die Temperaturdifferenz zwischen Innen und Außen groß genug ist und die relative Raumluftfeuchte ausreichend hoch ist, wurden die Prüfräume beheizt und befeuchtet. Damit soll ein potenzieller Raumnutzer simuliert werden.

Der Mensch selbst gibt in Abhängigkeit seiner körperlichen Tätigkeit Wasserdampf ab und produziert durch Waschen, Kochen, Duschen usw. Feuchtigkeit, die in die Raumluft gelangt (Tab. 3).


Mensch
Kochen
Duschen (pro Person)
Wäschetrocknen (1 Maschine voll) - geschleudert
                                   tropfnass   
Zimmerpflanzen
1,0 - 1,5 l
0,5 - 1,0 l
0,5 - 1,0 l
1,0 - 1,5 l
2,0 - 3,5 l
0,5 - 1,0 l

Tab. 3: Übliche Feuchtigkeitsabgaben pro 24 h (Quelle: LOTZ & HAMMACHER 2001)


Nach diesen Angaben werden pro Tag etwa 2,5 l Wasser an die Raumluft abgegeben, vorausgesetzt es wird keine Wäsche in der Wohnung getrocknet.

Beide Prüfräume sind mit einem elektrisch betriebenen Ölradiator mit Thermostat ausgestattet, um während der Wintermonate die Raumtemperatur auf 20 °C zu halten. Außerdem befindet sich in den Räumen je ein Luftbefeuchter mit einer Befeuchterleistung von etwa 0,36 l/h. Diese laufen zweimal am Tag für 3,5 Stunden (insgesamt 7 Stunden) und geben somit ein Volumen von ca. 2,5 l Wasser pro Tag an die Raumluft ab. Auf diese Weise soll der Bewohner und seine Feuchteproduktion simuliert werden.


Messsystem

Auf den Testflächen der Wärmebrücken sind Fühler für die Oberflächentemperatur und auf einigen auch Fühler für die relative Feuchte installiert. Die Werte werden alle 5 Minuten erfasst und in einem Computer gespeichert. Die Daten können online abgerufen werden. Aus den Werten lässt sich die Taupunkttemperatur ermitteln, so dass anhand der Klimadaten festgestellt werden kann, zu welchem Zeitpunkt und über welchen Zeitraum Tauwasser ausfällt.

Auf diese Weise können die Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchung entsprechend untermauert werden.


Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchungen

Bei den Probenahmen in den Prüfräumen wurden Kontaktproben von den Testflächen genommen, d. h. ein steriler Samtstempel wird auf die Testfläche und anschließend auf einen festen Nährboden gedrückt.

Während des Winters 2003/2004 haben sich auf den Wärmebrücken keine Schimmelpilze entwickelt. Der erste Befall konnte im Oktober 2004 festgestellt werden. Bis dahin handelte es sich bei den festgestellten Werten um normale Hintergrundbelastungen. Für die Bewertung von Oberflächenverkeimungen gibt es bisher keine einheitlichen Vorgaben und in der Literatur werden sehr unterschiedliche Bewertungskriterien vorgeschlagen. Nach Pitzurra et al. gilt 1 KBE/cm² als "mittlere Keimbelastung" einer Steinoberfläche (PITZURRA et al. 2000).

Im Bereich der Baubiologie sind die Richtwerte für Schlafzimmer ausgerichtet, da sich der Mensch während des Schlafens in einer sensiblen Regenerationsphase befindet und sich immerhin ein Drittel des Tages in diesem Raum aufhält (Tab. 4).


bis 10 KBE/dm²  
keine Anomalie
10 - 50 KBE/dm²
schwache Anomalie
50 - 100 KBE/dm²
starke Anomalie
über 100 KBE/dm²
extreme Anomalie = 1 KBE/cm²

Tab. 4: Richtwerte für pilzbelastete Oberflächen im Schlafraum
(Quelle: IBN (1999): "Baubiologische Richtwerte für Schlafbereiche")


Der Leitfaden des Umweltbundesamtes weist darauf hin, dass eine quantitative Aussage einer Kontaktprobe in Form von koloniebildenden Einheiten (KBE) pro Fläche nicht sinnvoll ist, da die Keimdichte großen Schwankungen ausgesetzt ist (UBA 2002). Hier wird eine verbale Beschreibung oder eine fotografische Dokumentation der befallenen Flächen empfohlen. Aus diesen Gründen werden die Ergebnisse im Folgenden auf unterschiedliche Weise dargestellt (Abb. 9-24).

Die beiden Testflächen im fensterbelüfteten Raum A zeigen einen deutlichen Befall mit Schimmelpilzen, der in den Monaten Oktober und November 2004 stetig zugenommen hat. Bei einem Vergleich der Werte aus Tab. 5 ist diese Zunahme nicht erkennbar, da bei der verwendeten Stempelfläche mehr als 300 KBE aufgrund der hohen Koloniedichte nicht mehr auszählbar sind. Es konnte aber beobachtet werden, dass die Koloniedichte der Proben von der Testfläche "Tapete" geringer ist als die von der Testfläche "Farbe". Bei einem Vergleich der Fotos von den Testflächen kann man erkennen, dass die Besiedlung der Testflächen "Tapete" wesentlich stärker ist als die der Testfläche "Farbe" (s. Abb. 9-11 sowie 15-17).

Tab. 5: Anzahl der koloniebildenden Einheiten (KBE) auf 30 cm² Testfläche (Wert des Malz-Nährbodens). Die Kontaktprobe wurde jeweils mittig unterhalb der Messfühler genommen. Bei der hier verwendeten Stempelgröße sind mehr als 300 KBE aufgrund der Wachstumsdichte der Kolonien nicht mehr zählbar.

Schimmelpilzbefall entsteht in erster Linie bei erhöhter Feuchtigkeit des Materials und ausreichend vorhandenen Nährstoffen. Es ist davon auszugehen, dass die Dispersionsfarbe organische Zuschlagstoffe enthält, die Pilzen als Nährstoffe dienen können. Die verwendete Tapete ist auf Papierbasis hergestellt und mit Methylcellulose-Kleister aufgeklebt. Daher stehen auf der Testfläche "Tapete" mehr und leichter zugängliche Nährstoffe zur Verfügung als auf der Testfläche "Farbe". Zumindest für den Beginn und das Ausmaß der Besiedlung ist dies ein ausschlaggebender Faktor. Grundsätzlich sind allerdings bereits Staubablagerungen auf einer Wand ausreichend als Nährstoffquelle (TRAUTMANN 2001), so dass langfristig die zur Verfügung stehende Feuchtigkeitsmenge entscheidend für die Besiedlung ist.

Die Temperaturverhältnisse an der Oberfläche der beiden Testflächen in Raum A sind nahezu identisch. Somit finden an beiden Flächen über den gleichen Zeitraum Taupunkt-Unterschreitungen und damit verbundener Kondensatausfall statt. Allerdings beeinflussen die Oberflächenmaterialien die Menge des frei verfügbaren Wassers. Vereinfacht ausgedrückt kommt es in Abhängigkeit von der Porenstruktur und der Größe der inneren Oberfläche eines Materials zur Bindung unterschiedlich großer Mengen Wasser (SEDLBAUER & KRUS 2003). Dieses Wasser steht im stetigen Austausch mit der Feuchte der umgebenden Luft. Die Abhängigkeit wird durch die so genannte Sorptionsisotherme beschrieben.

Bei Materialoberflächen mit sehr feinen Kapillaren tritt nach der Theorie von W. Thomson eine Dampfdruckerniedrigung auf, so dass der in der Porenluft enthaltene Wasserdampf bereits vor Erreichen des Sättigungsdampfdruckes zu kondensieren beginnt und zu einer Füllung der Poren mit flüssigem Wasser führt. Dieser Effekt ist u. a. auch dafür verantwortlich, dass bei Oberflächen von porösen Materialien bereits vor dem Einsetzen der Oberflächenkondensation (aw = 1,0) die Voraussetzungen für Schimmelpilzwachstum erfüllt sein können (z. B. bei aw ≥ 0,65).

Auch dieser Einfluss ist nur für die Anfangsphase der Besiedlung entscheidend. Über die Zeit wird sich bei gleichbleibenden Temperatur- und Feuchteverhältnissen das Ausmaß der Verkeimung auf beiden Testflächen angleichen.

Die Testflächen in Raum B (mit Lüftungsanlage) weisen hingegen keinen Pilzbefall auf. Bei einem Vergleich der Temperaturverhältnisse in den beiden Prüfräumen wird deutlich, dass bei intermittierender Fensterlüftung (Raum A) stärkere Klimaschwankungen zu verzeichnen sind, als es bei einer kontinuierlichen Anlagenlüftung (Raum B) der Fall ist. Insbesondere kann bei intermittierender Fensterlüftung eine durchgängig höhere Raumluftfeuchte nachgewiesen werden, und zwar bei identischen Außenklimabedingungen, gleicher Feuchteproduktion und gleichem Tagesmittel der Luftwechselrate. In Tab. 6 sind die im Messzeitraum ermittelten Taupunkttemperaturen, als Maß der absoluten Raumluftfeuchte, tabellarisch zusammengestellt. Aufgrund der erhöhten Raumluftfeuchte im Raum A mit Fensterlüftung erhöht sich auch die Neigung zur Schimmelpilzbildung an den dafür prädestinierten Testflächen im Raum. Insofern kommt als eine wesentliche Ursache für die ausbleibende Schimmelpilzbildung im Raum B die dort vorherrschende geringere Raumluftfeuchte in Frage.

In Tab. 7 sind die Zeiträume dargestellt, in denen die Oberflächenfeuchte der Testflächen die Werte φsi = 65%, φsi = 80% und φsi = 100% (Taupunkt) überschreitet.

Nimmt man als Bewertungsmaßstab zunächst die Oberflächenfeuchte φsi ≥ 80% r. F., die auch als obere Grenzfeuchte in der Bautenschutznorm DIN 4108-2 herangezogen wird, so lassen sich anhand der Messergebnisse in Tab. 8 folgende Aussagen ableiten:

1. Erwartungsgemäß ist die Feuchtebelastung der Testflächen im Raum mit intermittierender Fensterlüftung lang anhaltender als im Raum mit kontinuierlicher Anlagenlüftung.

2. Auffällig ist der Vergleich zwischen den Testflächen. Insbesondere bei Dauerlüftung (Raum B) ist die Feuchtebelastung der Testfläche mit Farbe signifikant weniger langanhaltend als auf der Testfläche mit Tapete. Bei Stoßlüftung über das Fenster ist dieser Unterschied nicht signifikant. Als mögliche Ursache könnte folgende Erklärung dienen: Die Oberflächenstruktur von Farbe, ggf. auch in Verbindung mit deren geringeren sorptiven Eigenschaften gegenüber Tapete, bewirkt, dass die Oberfläche bei kontinuierlicher Lüftung schneller und besser abtrocknen kann.

3. In den Monaten September und Oktober ist ein deutlicher Anstieg der Überschreitungsdauer der grenzwertigen Oberflächenfeuchten festzustellen. In diesen Zeitraum fällt auch das einsetzende Schimmelpilzwachstum auf den Testflächen. Als Hauptursache für diesen Umstand kommen die bereits ab Mitte September fallenden Außentemperaturen in Verbindung mit der nach wie vor fast sommerlichen Feuchtebelastung von außen in Betracht. Meteorologisch macht sich dieses Phänomen u. a. auch als so genannter Herbstnebel bemerkbar.

Tab. 6: Monatsmittel der Taupunkttemperatur der Raumluft.

Tab. 6: Monatsmittel der Taupunkttemperatur der Raumluft.

Tab. 7: Mittlere Überschreitungsdauer der Oberflächenfeuchte bei Testfläche mit Tapete

Tab. 7: Mittlere Überschreitungsdauer der Oberflächenfeuchte bei Testfläche mit Tapete

Tab. 8: Mittlere Überschreitungsdauer der Oberflächenfeuchte bei Testfläche mit Farbe

Tab. 8: Mittlere Überschreitungsdauer der Oberflächenfeuchte bei Testfläche mit Farbe

Die raumseitigen Oberflächenmaterialien befinden sich in einem Gleichgewichtszustand mit der Raumluft. Bei Abgabe von Wasserdampf in den Raum durch die Luftbefeuchter wird bis zum Erreichen der Ausgleichsfeuchte Feuchtigkeit von den Oberflächenmaterialien aufgenommen. Durch das Lüften und gleichzeitiges oder anschließendes Heizen sinkt die relative Raumluftfeuchte und die Oberflächenmaterialien geben Feuchtigkeit an die Raumluft bis zum Erreichen des Gleichgewichtszustandes. In Raum A wird morgens vor dem Lüften befeuchtet und abends nach dem Lüften. Da die Aufnahmekapazität der Oberflächenmaterialien begrenzt ist, kommt es zu einer im Vergleich zu Raum B erhöhten Raumluftfeuchte und dadurch bedingt zu größeren Kondensatmengen bei Taupunktunterschreitung. Durch den kontinuierlichen Betrieb der Lüftungsanlage in Raum B wird hier die zweimal täglich eingebrachte Feuchtigkeitsmenge besser nach draußen abgeführt.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass das Nährstoffangebot und das zur Verfügung stehende Wasser an der Oberfläche den Beginn und die Schnelligkeit der Besiedlung beeinflussen. Beide Einflussgrößen relativieren sich über einen längeren Zeitraum.

Die Lüftungsart hat trotz gleicher durchschnittlicher Luftwechselrate (0,5 h-1) einen Einfluss auf die relative Luftfeuchte und somit auf die Besiedlung der Oberflächen. Eine kontinuierliche Lüftung kann einer Schimmelpilzbildung auf kritischen Oberflächen, wie z. B. Wärmebrücken, entgegenwirken.


Zusammenfassung

Im Projektrahmen wurden Untersuchungen in zwei gleich ausgebildeten Prüfräumen durchgeführt, von denen einer mechanisch und der andere manuell über Fenster belüftet wurde.

Die Luftkeimmessungen haben ergeben, dass es unabhängig von der Lüftungsart zu einer Reduktion der Keimzahl in der Innenraumluft im Vergleich zur Außenluft der Räume kommt. Ohne Beeinflussung durch einen Raumnutzer zeigt sich, dass die Reduktion in einem mit Lüftungsanlage ausgestatteten Raum größer ist, als die Reduktion in einem Raum mit Fensterlüftung.

Innerhalb der Lüftungsanlage und dem so belüfteten Prüfraum B wurden Verschiebungen des Artenspektrums gegenüber der Außenluft festgestellt. Diese Veränderungen in der Zusammensetzung der Pilzarten wurden in dem fensterbelüfteten Raum A in geringerem Maß beobachtet. Dies lässt den Schluss zu, dass eine Lüftungsanlage zu Veränderungen des natürlichen Artenspektrums führen kann.

Bei den vom Hersteller vorgesehenen Filtern handelt es sich um Grobfilter. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass Pilzsporen zum Teil filtergängig sind. Auf den Filtern wurden pathogene und toxinogene Arten bestimmt und es konnte in den Filtern das Mykotoxin Ochratoxin A nachgewiesen werden. Eine lange Standzeit der Filter führt zur Akkumulation von Pilzen und deren Stoffwechselprodukten (TOEPFER & LEIMER 2005). Daher muss damit gerechnet werden, dass es zur Freisetzung vor allem kleinerer Partikel kommt, die gesundheitsschädigende Auswirkungen auf den Raumnutzer haben können.

Besiedlungsversuche auf künstlich angelegten Wärmebrücken in den Prüfräumen haben gezeigt, dass die kontinuierliche Belüftung sich dahingehend auf das Raumklima auswirkt, dass eine Schimmelpilzbildung auf den Oberflächenmaterialien vermieden wird.

Der Nachweis von Pilzen (vor allem auch gesundheitsschädigenden Arten) und Verschmutzungen, die als Nährstoffe dienen, zeigt, dass das Potenzial zur Verkeimung einer Lüftungsanlage vorhanden ist. Bei erhöhter Luftfeuchte innerhalb der Lüftungsanlage kann es zu einer mikrobiellen Kontamination kommen.

Dies kann einerseits vermieden werden, wenn bereits bei der Planung und bei der Installation die Wartungsfreundlichkeit und Reinigungsmöglichkeit gewährleistet werden. Zum anderen ist eine gute Aufklärung des zukünftigen Raumnutzers notwendig. Es muss zur Selbstverständlichkeit werden, dass die Filter regelmäßig fachgerecht gereinigt und nach Bedarf, spätestens aber nach einem Jahr, gewechselt werden.


Kontakt:
Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Leimer (Korrespondenz)
Dipl.-Biol. Ilka Toepfer
HAWK FH Hildesheim/Holzminden/Göttingen
Fakultät Bauwesen
Hohnsen 2 (Raum 221)
31134 Hildesheim
Tel.: 05121/ 881-219
Fax: 05121/881-125
E-Mail: h-p.leimer[at]bbs-institut.de
www.hawk-hhg.de


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1: Ansicht des Gebäudes mit den Prüfräumen von Süd-Osten

Abb. 2: Blick in den im Rohbau befindlichen Prüfraum B.

Abb. 3: Blick in den Prüfraum A, in dem die Fensterlüftung simuliert wird.

Abb. 4: Lüftungsanlage mit Winterkassette und Filtern, die sich im Messtechnikraum befindet (Bosch-Junkers LW120).

Abb. 7 + 8: zweidimensionales Berechnungsmodell der künstlichen Wärmebrücke (links) sowie das zweidimensionale Temperaturfeld in und auf der Konstruktion mit Angabe der minimalen Oberflächentemperatur auf der Raumseite.

Abb. 9 bis 11: Die Testfläche "Tapete" in Raum A am 13.10.04, am 11.11.04 und am 30.11.04 (von links nach rechts). Die Verkeimung der Fläche mit Schimmelpilzen nimmt mit der Zeit zu.

Abb. 12 bis 14: Die Kontaktproben der Testfläche "Tapete" in Raum A vom 13.10.04, 11.11.04 und 30.11.04 auf Malz-Nährboden. Die Proben zeigen einen dichten Bewuchs mit Schimmelpilzen, vornehmlich Cladosporium-Arten.

Abb. 15 bis 17: Die Testfläche "Farbe" in Raum A (fensterbelüftet) am 13.10.04, am 11.11.04 und am 30.11.04 (von links nach rechts). Die Verkeimung der Fläche mit Schimmelpilzen nimmt mit der Zeit zu. Insgesamt ist das Ausmaß der Verkeimung geringer als bei der Testfläche"Tapete".

Abb. 18 bis 20: Die Kontaktproben der Testfläche "Farbe" in Raum A vom 13.10.04, 11.11.04 und 30.11.04 auf Malz-Nährboden. Die Proben zeigen ebenfalls einen dichten Bewuchs mit Schimmelpilzen, vornehmlich Cladosporium-Arten, obwohl die Fotos der Testflächen einen wesentlich geringeren Befall belegen.

Abb. 21 + 22: Die Testflächen "Tapete" und "Farbe" in Raum B (Lüftungsanlage) weisen bisher keine Verkeimung auf.

Abb. 23 + 24: Die Kontaktproben der Testflächen "Tapete" (links) und "Farbe" (rechts) aus Raum B vom 13.10.04 auf Malz-Nährboden. Die Kontaktproben vom November sehen ähnlich aus. Die geringe Keimzahl entspricht einer normalen Hintergrundbelastung.


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Quelle:
umwelt · medizin · gesellschaft Nr. 3/2010, S. 212-223
23. Jahrgang
Verlag: UMG Verlagsgesellschaft mbH
Frielinger Str. 31, 28215 Bremen
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Erscheinungsweise: vierteljährig
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2011