Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → FAKTEN

TOURISMUS/062: Indien - Tourismus ruiniert Natur in Kaschmir, See droht durch Abwässer umzukippen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. März 2012

Indien: Tourismus ruiniert Natur in Kaschmir - See droht durch Abwässer umzukippen

Von Athar Parvaiz

Unplanmäßige Baustelle im Touristenresort Sonamarg - Bild: © Athar Parvaiz/IPS

Unplanmäßige Baustelle im Touristenresort Sonamarg
Bild: © Athar Parvaiz/IPS

Srinagar, Indien, 27. März (IPS) - Nach dem Abflauen der Kämpfe zwischen der indischen Armee und separatistischen Rebellen in Kaschmir erlebt die Region einen Ansturm von Touristen. Doch der Boom hat seine Schattenseiten, gefährdet er doch die fragile Ökologie der 'Schweiz Asiens'.

Die Umweltbehörde des indischen Bundesstaates Jammu und Kaschmir, in dem rund 12,5 Millionen Einwohner leben, hat angesichts der rapiden Umweltzerstörung sofortige Maßnahmen gegen den ungeplanten Bau von Häusern in Sonamarg etwa 90 Kilometer nordöstlich der Stadt Srinagar gefordert.

"Die Entwicklung moderner Infrastruktur ist zwar von größter Bedeutung für die Tourismusindustrie. Es ist aber auch wichtig, eine solche Entwicklung umweltfreundlich zu gestalten, um die empfindliche Natur in Sonamarg zu schützen", heißt es in einem noch nicht veröffentlichten Bericht, der IPS vorliegt.


Kritik an Abfallentsorgung

Der Untersuchung zufolge werden die Abfälle Hunderttausender Urlauber nicht sachgemäß entsorgt, lautet die Kritik. Abwässer werden demnach ungeklärt in den Sindh-Fluss geleitet, der mitten durch das Resort fließt. Auch der Umgang mit Festmüll ist mit dem 1986 in Kraft getretenen Umweltgesetz unvereinbar. Es fehlt an modernen Mülldeponien.

Naturschützer in Kaschmir sind zwar der Ansicht, dass sich die Umweltzerstörung in Sonamarg im Vergleich zu anderen touristischen Anziehungspunkten in der Region noch in Grenzen hält. Dies jedoch könne sich bald ändern, warnen sie.

"Dem unberührten Tal wird es ebenso ergehen wie den großen Urlaubsorten", fürchtet Musavir Ahmed von der Organisation 'Serene Kashmir'. "Die Ferienorte Pahalgam und Gulmarg haben sich durch eine ungeplante Bautätigkeit in Betonwüsten verwandelt. Grundlegende Aspekte wie die Aufbereitung von Flüssig- und Festabfällen wurden dabei vernachlässigt."

Auch während des 20-jährigen Bürgerkriegs waren Touristen nach Kaschmir gekommen. Doch seit im Tal der Frieden eingekehrt ist, hat sich ihre Zahl deutlich erhöht. Offiziellen Angaben zufolge besuchten im vergangenen Sommer etwa 1,4 Millionen Urlauber die Region. Im betreffenden Fiskaljahr 2011/2012 wurden dadurch Einnahmen von 950 Millionen US-Dollar erzielt. Im Vergleich dazu waren die Tourismuseinnahmen 2006/2007 mit 531 Millionen Dollar wesentlich geringer ausgefallen.

Rund 500.000 Menschen leben in Kaschmir direkt oder indirekt vom Fremdenverkehr. Die Umweltzerstörung schreitet jedoch so rasch voran, dass Naturschützer fürchten, dass die Schönheiten Kaschmirs, die die Touristen anziehen, bald nicht mehr vorhanden sein werden.

Die Organisation 'Pahalgam Peoples Welfare' (PPW) ist inzwischen vor den High Court von Jammu und Kaschmir gezogen, um den Stopp der illegalen Bautätigkeit in dem Resort durchzusetzen. Wie PPW-Aktivist Reyaz Ahmed moniert, sorgen einflussreiche Regierungsvertreter und Geschäftsleute dafür, dass die grünen Gebiete als Baugelände ausgewiesen werden.


See zu Jauchegrube

Mut macht den Aktivisten, dass der High Court der Regierung Druck macht, den Dal-See in Srinagar zu reinigen, der sich durch die Zuleitung von Abwässern in eine riesige Jauchegrube verwandelt hat. Sabah ul Solim von der kaschmirischen Behörde für die Entwicklung von Seen und Wasserstraßen meint dazu, dass Bauern den nährstoffreichen Schlamm aus dem See mittlerweile als Dünger verwendeten. Doch im See selbst wachsen immer mehr Pflanzen und Algen, die anderen Organismen den Sauerstoff nehmen.

"Im Umkreis des Sees leben etwa 6.000 Menschen. Hinzu kommen Touristen, die auf rund 600 Hausbooten untergebracht werden", berichtet Solim. "Die gesamten Abwässer aus Privathäusern, Hotels und Hausbooten werden in den See geleitet." Mini-Kläranlagen, die an die Haushalte verteilt worden seien, hätten sich als nicht funktionstüchtig erwiesen.

Laut Shahid Ahmad, der Umweltwissenschaften am Sri Pratap-College in Srinagar unterrichtet, hat der Bau von Hotels und anderen Anlagen in Ufernähe den See verkleinert. Den Behörden zufolge hat sich das Gewässer infolge menschlicher Aktivitäten seit 1953 von 25 auf zehn Quadratkilometer mehr als halbiert.

Wie Ahmad warnt, sind in Kaschmir auch die Seen Wullar, Mansbal und Anchar in Gefahr. Wullar, einst einer der größten Süßwasserseen in Asien, hat sich von 190 auf 72 Quadratkilometer verkleinert. (Ende/IPS/ck/2012)


Link:
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107169

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. März 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2012