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VERBAND/312: Die türkischsprachige BUND-Gruppe "Yesil Cember" (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 4/2008
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

PERSÖNLICH

Umweltschutz integriert


2008 startete das Projekt «Interkulturelle Energiesparberatung« in drei Berliner Bezirken mit 28 MigrantInnen, mehrheitlich türkischen Frauen zwischen 20 und 50 Jahren. Die Biologin Gülcan Nitsch (links), Leiterin der türkischsprachigen BUND-Gruppe, war als Dozentin für das Projekt tätig, BUND-Mitarbeiterin Isis Haberer (rechts) koordinierte es. 2009 ist eine bundesweite Infokampagne geplant, in Kooperation mit der türkischen Gemeinde Deutschland. BUND-Redakteurin Gabriele Mittag sprach mit den beiden Expertinnen.

In Deutschland wird seit vielen Jahren über Integration diskutiert. Warum hat der BUND Berlin eine Schulung gezielt für die Bevölkerungsgruppe der MigrantInnen entwickelt?

Nitsch: Vor drei Jahren wurde im Landesverband der Arbeitskreis »interkulturell« gegründet, und vor zwei Jahren habe ich die türkischsprachige Gruppe »Yesil Cember« (»Grüner Kreis«) ins Leben gerufen. Vorher gab es keinerlei Aktivitäten in diese Richtung. Für uns war klar, dass es ganz wichtig ist, die Migranten gezielt anzusprechen. Wir organisieren Veranstaltungen wie den Türkischen Umwelttag, wir haben zweisprachige und türkische Flyer herausgebracht. Mittlerweile ist das Thema Umweltschutz auch in der türkischen Community etabliert. Der Informationsbedarf ist so groß, dass wir ihn gar nicht decken können. Man kann wirklich von einer türkischen Umweltbewegung sprechen. Davon hatte ich schon lange geträumt.

Haberer: Natürlich muss man in diesem Zusammenhang die Sprachbarrieren erwähnen. Es ist für viele Migranten nicht so einfach, an Informationen in ihrer Sprache heranzukommen. Allein deswegen sind unsere Schulungen sinnvoll. Aber es gibt noch andere wichtige Aspekte: MigrantInnen wird von deutscher Seite oft unterstellt, sie seien gar nicht interessiert oder wollten ihr Verhalten nicht ändern. Wir haben ganz andere Erfahrungen gemacht. Sie sind sehr interessiert, wenn sie erfahren, welche Zusammenhänge zwischen Alltagsverhalten und Umweltschutz existieren und was sie mit ihrem Verhalten bewirken können. Da viele Migrantenfamilien auf das Geld achten müssen, war unser Schulungsansatz, dass Energiesparen Kosten spart. Wir sind davon ausgegangen, dass das ein wichtiger Aspekt ist. Und wir hatten Recht. Zum Schluss war es dann so, dass die TeilnehmerInnen aus Überzeugung Energie sparen wollten, nicht nur wegen der Kosten.

Die Schulung dauerte 25 Stunden. Was wüsste ich als Teilnehmerin danach alles?

Nitsch: Viel! Wissenwertes über Stromsparen, Schimmelbildung, Wassersparen, Mülltrennung und vieles mehr. Ein wichtiges Thema war auch die Kommunikation. Das Erlernte soll ja auch weitergegeben werden. Das haben wir mit Hilfe von Rollenspielen und kleinen Sketchen geübt. Die Frauen haben uns dann ganz stolz von ihren Erfahrungen zu Hause erzählt.

...wie ihre Ehemänner sich umweltfreundlich rasieren können? Oder wie muss man sich die häusliche Beratung vorstellen?

Nitsch: So ähnlich. Ein Aha-Erlebnis für die Freuen war zum Beispiel, als sie verstanden haben, wie ein Thermostat-Ventil funktioniert. Das konnten sie zu Hause ihren Männern erklären. Noch bevor die Schulungen abgeshclossen waren, haben die Frauen zu Hause und ihrem Bekanntenkreis stolz davon berichtet.

Sie haben eingangs nach der Integration gefragt. Dazu fällt mir Folgendes ein: Ich hätte nie gedacht, welch entscheidende Rolle der soziale Faktor spielt. Am Anfang stand das Thema Geldsparen im Vordergrund und zum Schluss ging es darum, ein Stückchen die Welt mit zu retten. nach dem Motto: Die Deutschen haben bislang ein schlechtes Bild von uns gehabt - und nun zeigen wir ihnen, dass wir uns genauso engagieren wie sie.

Vielen Dank für das Gespräch - und weiter viel Erfolg!


Gülçan Nitsch, nitschbund-berlin.de, Tel. 030/78 79 00 - 18;
Isis Haberer, habererbund-berlin.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
In seiner interkulturellen Arbeit ist der BUND Berlin besonders profiliert. Seit 2007 richtet die türkischsprachige BUND-Gruppe »Yesil Cember« in Kooperation mit anderen türkischen Vereinen jährlich den türkischen Umwelttag aus. Und gemeinsam mit dem Umweltbundesamt hat »Yesil Cember« kürzlich die Ratgeberbroschüre »Energie sparen im Haushalt« auf Türkisch herausgegeben.


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Quelle:
BUNDmagazin 4/2008, S. 48
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2009