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VIELFALT/131: Naturschutz in Niedersachsen ist ohne Plan und Konzept (BUND NI)


BUND Landesverband Niedersachsen e.V. - Hannover, 22. Mai 2009

Naturschutz in Niedersachsen ist ohne Plan und Konzept !

BUND kritisiert Niedersächsische Naturschutzpolitik anlässlich des Internationalen Tages der Biodiversität


Ende April 2009 hat die Europäische Kommission bei der Athener Konferenz zur Artenvielfalt festgestellt, dass das Ziel gescheitert ist, den Artenschwund bis 2010 zu stoppen. "Dies gilt uneingeschränkt auch für Niedersachsen" so Dr. Reinhard Löhmer, stellvertretender Vorsitzender des BUND-Landesverbandes. "Wenn Umweltminister Sander in einer Presseerklärung zum Tag der Biodiversität Erfolge bei der Entwicklung einiger Tierarten für sich und seine Naturschutzpolitik reklamiert, schmückt er sich vielfach mit fremden Federn. Die Zunahme der Bestände einiger Arten, z.B. des Schwarzstorches, liegen im europäischen Trend - nicht mehr und nicht weniger. Da kann Herr Sander nichts dafür - er hat ja auch nichts getan, um die Lebensräume der Art zu erhalten oder erheblich zu verbessern". Einzelne Arten, z.B. der Goldregenpfeifer, werden in Niedersachsen mit hohem finanziellem Aufwand aber ohne erkennbaren Erfolg unterstützt. Hingegen führen die nochmalige Intensivierung der Landwirtschaft durch den intensiven Anbau von Biomasse und der Boom beim Bau von Schweinställen in Niedersachsen zu weiteren Verlusten an Lebensräumen und zur weiteren Nährstoffbelastung von Böden und Wasser.

Einzelnen positiven Entwicklungen steht der massive Rückgang von Arten gegenüber, die bisher als so genannte Allerweltsarten galten: so gehen die Bestände von Haus- und Feldsperling und Feldlerche drastisch zurück. Wahrgenommen wird das von den amtlichen Naturschützern erst, wenn sie sich in der Roten Liste "nach oben gearbeitet" haben. Die wiederholten Erfolgsmeldungen des Umweltministeriums über neue Naturschutzgebiete (NSG) sind nach Auffassung des BUND ebenfalls völlig unangemessen: "Das macht das Land nicht aus Überzeugung, denn zur Ausweisung des überwiegenden Teils der neuen Schutzgebiete ist Niedersachsen aufgrund von EU-Vorschriften gezwungen" betont Stefan Ott, stellvertretender Geschäftsführer. "Und ein Naturschutzgebiet auf dem Papier hilft den Arten, die dort leben überhaupt noch nicht. So lange die finanziellen und personellen Mittel für die Sicherung und Entwicklung der Gebiete nicht bereitgestellt werden, ist noch lange kein Beitrag zur Sicherung der Biodiversität erreicht". Eine aktuelle "Prüfungsmitteilung" des Niedersächsischen Landesrechnungshofes (LRH) (Az.:1.1-01461/3-08 vom 23.2.2009) belegt dagegen nach Ansicht des BUND eindrucksvoll, wie das Land seit Jahren die strukturellen und organisatorischen Voraussetzungen für einen effizienten Naturschutz demontiert hat. Gegen heftige Kritik der Umwelt- und Naturschutzverbände waren seit 2003 das eigenständige Niedersächsische Landesamt für Ökologie (NLÖ) aufgelöst und die Oberen Naturschutzbehörden abgeschafft worden. Die Zuständigkeiten für die NATURA 2000-Gebiete wurden schrittweise den Niedersächsischen Landkreisen übertragen.

Zentraler Kritikpunkt des LRH am Vorgehen des Umweltministeriums ist, dass so Strukturen und Verantwortlichkeiten geschaffen worden sind, mit denen die Erfüllung von EU-Vorgaben im Kontext der NATURA 2000- Gebietskulisse in Niedersachsen nicht zu realisieren ist. Dies wird in vielen der niedersächsischen NATURA 2000-Gebieten zur Verschlechterung des Erhaltungszustandes führen und damit zur Gefährdung europaweit bedeutsamer Tier- und Pflanzenarten, für die Niedersachsen eine besondere Verantwortung trägt. Diese Verschlechterungen können zu erheblichen finanziellen Nachteilen für den Niedersächsischen Landeshaushalt und die Niedersächsischen Steuerzahler führen, weil bei mangelhafter Aufgabenerfüllung mit Strafzahlungen in Millionenhöhe an die EU zu rechnen ist. Wirtschaftliche Vorteile, wie vom Land bei der Umsetzung propagiert haben die Umstrukturierungen nach Prüfung des LRH nicht gebracht, im Gegenteil droht alles teurer zu werden, als vor der Reform. "Verantwortlich für das Desaster sind zum Teil auch die Landkreise, die offensichtlich Mittel des Landes zur Aufstockung ihres Personalbestandes bei den Naturschutzbehörden lieber für andere Zwecke einsetzen" so Stefan Ott. "Man fragt sich allerdings, wie ernst es das Land mit seinem Naturschutz meint, wenn es den Landkreisen Aufgaben überträgt und die Mittel dafür gibt, ohne sicher zu stellen, dass diese auch Zweck entsprechend verwendet werden!"

Ebenso schlecht aufgestellt ist Niedersachsen auch was übergeordnete Konzepte und Planung für den Naturschutz betrifft: kaum ein anderes Bundesland hat ein älteres Landschaftsprogramm (Stand 1989), viele Landschaftsrahmenpläne erreichen fast das gleiche Alter und sind daher völlig überholt, ein landesweites Konzept für einen Biotopverbund wurde in Niedersachsen nie erstellt, wäre aber im Hinblick auf den nahenden Klimawandel von zentraler Bedeutung. Auch die notwendige Konkretisierung der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung aus dem vergangenen Jahre ist in Niedersachsen nicht in Sicht. "Darüber spricht Umweltminister Sander am Internationalen Tag der Biodiversität leider nicht" so Dr. Löhmer "ohne übergreifende Konzepte sind viele der einzelnen Artenschutzprogramme in Niedersachsen aber nur unzureichend wirksam, weil nicht aufeinander abgestimmt. Wir brauchen dazu gar nicht viel Papier und auch keine neuen Instrumente. Sämtliche Aufgaben wären im Rahmen der Fortschreibung der Landschaftsplanung in einem Aufwasch zu erledigen!"


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Quelle:
Presseinformation vom 22.05.2009
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND Landesverband Niedersachsen
Goebenstr. 3a, 30161 Hannover
Tel.: 0511/965 69-0, Fax: 0511/662 536
E-Mail: presse.nds@bund.net
Internet: www.bund-niedersachsen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2009