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WALD/049: Die Elsbeere - Ein Schatz in unseren Wäldern (Unser Wald)


Unser Wald - 1. Ausgabe, Januar/Februar 2012
Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald

Ein Schatz in unseren Wäldern

von Patrick Pyttel, Jörg Kunz und Jürgen Bauhus



Die Elsbeere gehört zu den seltensten Baumarten Mitteleuropas. Ob in Frankreich, Deutschland oder Polen, dort wo sie in entsprechenden Dimensionen vorkommt, ist sie der Stolz der Forstleute. Die nur vereinzelt oder in kleinen Gruppen vorkommende Baumart gilt in vielerlei Hinsicht als außergewöhnlich. Wie man sie in Zukunft besser fördern kann, damit beschäftigen sich Wissenschaftler der Uni Freiburg. Ein Plädoyer für den Baum des Jahres 2011.

Ihre Schönheit äußert sich in der spektakulären Herbstfärbung und im fein gemaserten, zart rosa schimmernden Holz. Die Heilkraft ihrer rot-braunen Beeren kurierten nicht nur Martin Luthers Ehefrau. Aus ihnen lassen sich die feinsten und teuersten Edelbrände destillieren. Neben Augenweide und Gaumenfreude wird sie angesichts der globalen Klimaerwärmung auch als ein wichtiger Baum für die Zukunft angesehen. Denn die Elsbeere ist dafür bekannt, dass sie auf warm-trockenen, der Sonne zugewandten Hängen oder Bergkuppen häufiger vorkommt als anderswo. Eine wahre Kostbarkeit ist zudem ihr Holz. Dort, wo Elsbeeren über drei bis vier Förstergenerationen systematisch gefördert worden sind, kann mit dem Verkauf eines einzelnen, starken Stamms ein kleines Vermögen verdienen. Für einzelne Elsbeerstämme wurde schon 10.000 Euro und mehr geboten. Keine andere Baumart erzielt auf Wertholzversteigerungen derart hohe Preise. In Anbetracht dieser außergewöhnlichen Eigenschaften der Baumart sind sich die meisten Forstleute und Waldbesitzer einig: Die Elsbeere muss stärker gefördert werden, damit man die einzigartige, in ihrer Exklusivität kaum zu übertreffende Produktpalette nachhaltig bewahrt und zukünftig stärker nutzen und genießen kann.

Mitarbeiter des Waldbau-Instituts der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg haben es sich seit 2008 zur Aufgabe gemacht, im Rahmen eines durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt geförderten Forschungsprojektes, die Elsbeere neben anderen seltenen Baumarten systematisch zu erforschen. Arbeitsschwerpunkte liegen insbesondere in der Analyse des Wachstums und der Trockenheitstoleranz der Elsbeere. Zudem soll herausgefunden werden, auf welchem Wege und unter welchen Bedingungen sich die Elsbeere verjüngt. Diese Untersuchungen sollen helfen zu verstehen, wie sich Elsbeerpopulationen in Abhängigkeit verschiedener Waldbewirtschaftungskonzepte entwickeln.

Mittels Jahrringanalyse, einem Verfahren bei dem durch Vermessen und Auszählen der Jahrringe sowohl das Dicken- als auch das Höhenwachstum eines Baumes rekonstruiert werden kann, wurde beispielsweise festgestellt, dass die Elsbeere in Eichenwäldern nur sehr langsam zuwächst, wenn ihr der dazu notwendige Platz fehlt. Einzelne Exemplare der untersuchten Elsbeeren hatten bei einem Durchmesser von weniger als neun Zentimeter in 1,3 Meter Stammhöhe ein Alter von annähernd 80 Jahren erreicht. Unmittelbar benachbarte Eichen gleichen Alters waren oftmals mehr als doppelt so dick. Die Elsbeere gehört demnach zu den Baumarten, deren Wachstum hinter dem anderer Baumarten zurückbleibt. Die Jahrringanalysen zeigten jedoch auch, dass sie diesen Nachteil auszugleichen vermag, indem sie im Schatten der stärkeren Konkurrenten ausharrt und frei werdenden Platz erobert, sobald sich die Gelegenheit dazu ergibt. Es ist leicht nachvollziehbar, dass der Elsbeere, solange sie ein Schattendasein fristet, die Kraft fehlt, Früchte zu produzieren. Dennoch vermag sich die Baumart durch sehr weit und flach streichende Wurzeln auszubreiten bzw. für "Nachwuchs" zu sorgen. Aus diesen Wurzeln entstehen, zuweilen perlenkettengleich, Wurzelsprossen, die, sofern sie von Rehen und Hirschen unentdeckt bleiben, zu ordentlichen Bäumen heranwachsen können.

Diese Erkenntnisse sind nicht von rein wissenschaftlichem Wert, sondern vielmehr Grundlage für Handlungsempfehlungen zur Förderung der noch vorhandenen Elsbeervorkommen. Aus ihnen lässt sich unter anderem ableiten, dass die Elsbeere aufgrund ihrer Schattentoleranz auch zukünftig fester Bestandteil von Eichenwäldern (insbesondere solchen Eichenwäldern, die sich aus Niederwaldwirtschaft entwickelten) bleiben wird, ohne dass irgendwelche Maßnahmen ergriffen werden müssten. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen zudem, dass Elsbeeren für die Produktion forstwirtschaftlich verwertbarer Stämme aufgrund ihrer Konkurrenzschwäche mittels wiederholter Pflegemaßnahmen (i.e. S. Entnahme von Bedrängern) gefördert werden müssen. So behandelte Elsbeeren werden nicht nur stärker zuwachsen, sondern auch Früchte und damit Samen produzieren, so dass der Verbreitung dieser Baumart weiter Vorschub geleistet werden kann. Um die nachfolgenden Elsbeergenerationen zu sichern, müssen in wildreichen Gegenden Schutzmaßnahmen gegen Wildverbiss ergriffen werden.

Autoren
Die Diplom-Forstwirte Patrick Pyttel und Jörg Kunz sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Waldbau-Institut der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Jürgen Bauhus ist Leiter desselben Instituts. Mehr Informationen zu den Autoren unter www.waldbau.uni-freiburg.de

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Seit Jahrhunderten werden die Früchte der Elsbeere genutzt.
Das auffällige Laub der Elsbeere.

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Quelle:
Unser Wald - Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
1.‍ ‍Ausgabe, Januar/Februar 2012, Seite 18-19
Herausgeber:
Bundesverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V., Bonn
Redaktion: Meckenheimer Allee 79, 53115 Bonn
Telefon: 0228 / 945 98 30, Fax: 0228 / 945 98 33
E-Mail: unser-wald@sdw.de
Internet: http://www.sdw.de
 
Erscheinungsweise: zweimonatlich
Bezugspreis: Jahresabonnement 17,50 Euro
einschl. Versandkosten und 7% MwSt.
Einzelheft: Preis 3,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. April 2012