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WALD/062: Geheimsache Wald? - Informationen unter Verschluss (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2012

Geheimsache Wald?
Informationen zu Zustand und Umgang mit unseren Wäldern unter Verschluss

von Gesche Jürgens



Gut die Hälfte der elf Millionen Hektar unserer deutschen Wälder befindet sich in öffentlichem Besitz - und ist damit der Wald aller Bürgerinnen und Bürger. Dennoch herrscht bei Informationen zu Zustand und Umgang mit unseren Wäldern bemerkenswerte Intransparenz. Um dies zu ändern, klagen jetzt Umweltorganisationen auf Zugang zu Daten.

Die Bundesregierung hat sich in internationalen Konventionen zu mehr Waldschutz verpflichtet und bereits 2007 mit der Nationalen Biodiversitätsstrategie beschlossen, bis 2020 zehn Prozent der öffentlichen Wälder unter Schutz zu stellen. Seitdem ist wenig passiert, obwohl dies dringend nötig ist: Ökologisch besonders wertvolle, alte Laubwälder sind in Deutschland selten. Nur rund ein Prozent Wald stehen unter rechtlich verbindlichem Schutz vor der Säge. Doch nicht nur um den Waldschutz ist es in Deutschland schlecht bestellt - auch die Ökonomisierung der genutzten Wälder schreitet voran. Zahlreiche Landesforstverwaltungen wurden in den vergangenen Jahren teilprivatisiert, um mehr Gewinn für die Landeskassen abzuwerfen. Immer größer werdende Forstreviere und strikte betriebswirtschaftliche Vorgaben erhöhen den Druck auf Wald und Förster. Der Holzeinschlag ist in den letzten zwanzig Jahren deutlich angestiegen. Ob dies dem Gemeinwohl der Bürgerinnen und Bürger dient, ist äußerst kritisch zu betrachten.

Eine repräsentative Umfrage der Bayerischen Staatsforstverwaltung aus dem Jahr 2000 zeigt, dass sich große Teile der Befragten (80,4 Prozent) nicht nur für ihre Wälder interessieren, sondern auch der zunehmenden Rationalisierung im Wald kritisch gegenüberstehen (71,9 Prozent). Den Schutz von zehn Prozent der öffentlichen Wälder hingegen befürwortet rund ein Drittel der Befragten.(1) Auch bei einer im Mai 2012 in Bayern durchgeführten, repräsentativen Umfrage im Auftrag der Umweltschutzorganisation Greenpeace sprachen sich mehr als zwei Drittel der Befragten dafür aus, zehn Prozent der öffentlichen Wälder aus der forstwirtschaftlichen Nutzung zu nehmen.(2)

In anderen Ländern wie zum Beispiel Finnland oder den USA ist die Befragung und Beteiligung der Bevölkerung zu Fragen über Schutz und Nutzung der Wälder längst an der Tagesordnung - in Deutschland gestaltet sich trotz Umweltinformationsgesetz selbst der Zugang zu waldrelevanten Informationen schwierig.


Das Umweltweltinformationsgesetz (UIG) - im Wald ein zahnloser Tiger?

Das UIG wurde zur Umsetzung der europäischen Richtlinie 2003/4/EG erlassen, die besagt, dass »der erweiterte Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen und die Verbreitung dieser Informationen [...] dazu bei[tragen], das Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und letztendlich so den Umweltschutz zu verbessern.«(3) Grundlage für die europäische Richtlinie ist die Aarhus-Konvention, die auch Deutschland 2007 ratifizierte. Das Bundesumweltministerium schreibt dazu: »Wirksamer Umweltschutz bedarf der aktiven Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. [...] Grundvoraussetzung für eine solche aktive Rolle ist, dass jede und jeder Möglichkeiten hat, sich über die Umwelt zu informieren und sich in Entscheidungsprozesse einzubringen.«(4)

Doch für die öffentlichen Wälder scheinen sowohl der Zugang zu relevanten Informationen wie auch die Bürgerbeteiligung nur bedingt zu gelten.

Vor allem große Waldbundesländer, wie Bayern und Hessen, mauern bei Information und Beteiligung. Anfragen von Greenpeace auf Herausgabe von Daten nach UIG zu Lage und Umgang mit alten Buchenwäldern wurden mit der Begründung abgelehnt, es handle sich um Geschäftsgeheimnisse. Auch die Niedersächsischen Landesforsten (NLF) argumentierten, dass die gewünschten Informationen dem Betriebsgeheimnis unterliegen, als geistiges Eigentum gelten und somit nicht herausgegeben werden dürften. Absurd, wenn man bedenkt, dass es sich um den Wald aller Bürgerinnen und Bürger handelt, der zudem laut Bundesverfassungsgericht primär dem Gemeinwohl und nicht dem der wirtschaftlichen Rendite unterworfen ist.


Eine Grundsatzentscheidung muss her

Um beim Zugang zu Daten öffentlicher Wälder eine grundlegende Entscheidung herbeizuführen, hat Greenpeace nun gegen die Bayerischen Staatsforsten, Hessenforst und die Niedersächsischen Landesforsten Klage eingereicht. Gegen letztere hat auch der BUND Niedersachsen geklagt, um Zugang zu Informationen und Beteiligung beim Umgang mit den niedersächsischen FFH-Gebieten zu erwirken. Landtagsabgeordnete der Grünen und der SPD in Hessen und Bayern haben bereits mehrere schriftliche Anfragen an ihre Landesregierungen gestellt. Die wichtigsten Daten, nämlich zum Zustand und der Planung für unsere alten Laubwälder, halten Bayern, Hessen und Niedersachsen jedoch weiterhin unter Verschluss. Andere Bundesländer, wie Rheinland-Pfalz, Thüringen und Sachsen-Anhalt, bewerten die Lage offenbar anders und stellten auf Anfrage von Greenpeace die gewünschten Informationen bereit. Ein Hoffnungsschimmer. Doch bietet das UIG tatsächlich so viel Interpretationsspielraum? Es scheint, als müssten die Gerichte klären, wie viel Information den Bürgerinnen und Bürgern wirklich über den Umgang mit ihren Wäldern zusteht. Greenpeace wird sich jedenfalls auch in Zukunft für mehr Transparenz im Bürgerwald einsetzen.

Die Autorin ist Politikwissenschaftlerin und seit 2011 Kampaignerin für Wälder und Biodiversität bei Greenpeace.

(1) Vgl. Mitteilungen aus der Bayerischen Staatsforstverwaltung, Heft 50, 2000.
(2) Vgl. http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/waelder/26531_q2468_Wald.pdf
(3) http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2003:041:0026:0032:DE:PDF
(4) http://www.bmu.de/umweltinformation/die_aarhus-konvention/doc/2608.php


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2012, S. 18-19
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2012