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WALD/111: Können Wald- und Holznutzung den Klimawandel mildern? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015
Ökosystem Boden
Die dünne Haut der Erde

Naturschutz gegen Klimaschutz
Können Wald- und Holznutzung den Klimawandel mildern?

Von László Maráz


Die Ausweisung von Schutzgebieten im Wald ist seit Jahren Anlass für Streit zwischen UmweltschützerInnen und Akteuren aus Forst- und Holzwirtschaft. Ein Argument das in der Debatte eine Rolle spielt, ist der Klimaschutz. So werben VertreterInnen aus Wald- und Holzwirtschaft seit Jahren dafür, Forstwirtschaft und Holzproduktion als Maßnahme gegen den Klimawandel zu fördern. Fossile Energieträger und energieintensive Bau- und Werkstoffe sollen klimafreundlich ersetzt werden. Manche Akteure stellen darum sogar die Schaffung von Schutzgebieten infrage, da diese kontraproduktiv für den Klimaschutz seien. Doch wie weit darf man wegen eines Beitrages zum Klimaschutz auf den Schutz der Biologischen Vielfalt verzichten? Wie hoch ist der Beitrag der Forstwirtschaft und Holzverwendung zum Klimaschutz wirklich? Mit diesen Fragen befassten sich ReferentInnen und TeilnehmerInnen des fünften Workshops der Dialogplattform Wald, der Mitte Februar 2015 in Berlin stattfand.


Nicht vergessen werden darf, dass es weder bei der Unterschutzstellung von Waldgebieten, noch bei der Holzverwendung primär um den Klimaschutz geht. Hauptziel für Ersteres ist der Schutz der Biologischen Vielfalt. Diese ist durch kein anderes Gut zu ersetzen und das Zulassen der natürlichen Entwicklung - wo immer sie auch hinführen mag - ist die beste Maßnahme dafür. Zumal dies noch viele weitere segensreiche Wirkungen hat. Für die Verwendung von Holzprodukten sprechen ebenfalls andere Gründe: Regionale Verfügbarkeit, Holz lässt sich gut bearbeiten, technische Eigenschaften, günstiger Preis, Ästhetik. Hand aufs Herz: Wer würde sich einen Wohnzimmertisch aus Beton kaufen?

Der Aspekt des Klimaschutzes ist neu: Lange Zeit haben Umweltverbände es kritisch kommentiert und überwiegend abgelehnt, Wälder lediglich als Kohlenstofflager und Treibhausgas-Staubsauger zu betrachten. Auch HäuslebauerInnen und die KundInnen von Möbelhäusern und Baumärkten entscheiden sich für Holz vor allem deswegen, weil der Preis und die Eigenschaften stimmen. Seit aber die Klimadebatte in den Hauptnachrichten und auf Titelseiten präsent ist, übertreffen sich viele Akteure darin, ihr Handeln als das Beste für den Klimaschutz darzustellen. Und so wird zuweilen auch der Waldschutz als Klimaaktion gepriesen, obwohl es wirklich andere Maßnahmen gibt, die, wie wir alle wissen, zuerst angepackt werden müssten, weil hier die großen Klimasünder aktiv sind: Fossile Energieträger, Mobilität, Landwirtschaft und die Verhinderung weiterer Waldverluste. Dennoch lohnt es sich durchaus, die Wirkungen anderer, weniger bedeutsamer Maßnahmen im Hinblick auf ihre Klimaauswirkungen zu betrachten.

Holznutzung als Beitrag zum Klimawandel?

Dr. Martina Mund stellte in ihrem Vortrag Ergebnisse einer Studie vor, die in Kürze im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) veröffentlicht wird. Die Fragestellung: Lassen sich über einen Zeitraum von 50 Jahren hinweg durch einen (Holz-) Nutzungsverzicht höhere Klimaschutzwirkungen erreichen als durch eine naturnahe Nutzung? Offensichtlich ist, dass unsere Wälder bei Verzicht auf Holznutzung erst einmal viele Jahrzehnte, wenn nicht gar einige Jahrhunderte lang Biomasse anreichern würden. Bäume werden größer, älter und auch in Totholz und vor allem im Waldboden bildet sich viel Biomasse und damit viel Kohlenstoff. Anfangs noch schnell. Später, wenn sich Wachstum und Zerfall fast angleichen, langsamer. Durch die Ersetzung Energie-verbrauchender Alternativen (Baustoffe, fossile Brennstoffe), kann auch die Holzverwendung zur Einsparung von Treibhausgasemissionen führen. Wird das Holz nicht weit transportiert und überwiegend für langlebige Produkte verwendet, ist es eine klimaschonende Option. Die AutorInnen kamen zum Ergebnis, dass die Option "Holznutzung" einen größeren Beitrag zur Vermeidung von THG-Emissionen leisten würde, als die Unterschutzstellung der drei betrachteten thüringischen Waldgebiete.

Naturnahe Waldnutzung ist Klimaschutz

Die Ergebnisse können aber nicht verallgemeinert werden. Zwei der untersuchten Wälder (Hainich, Hohe Schrecke) verfügen heute schon über hohe Holzvorräte, sodass der weitere Vorratsaufbau nicht ganz so groß ausfallen würde. Die Schutz-Option schneidet ausgerechnet im naturfernsten Waldgebiet im von Fichten dominierten Vessertal am besten ab, da dort die Holzvorräte heute sehr niedrig sind und die Unterschutzstellung einen erheblichen Vorratsaufbau erlauben würde. Zudem schneidet die Holzverwendung aufgrund kurzer Transportdistanzen in der Region und überwiegend stofflicher Nutzung des Holzes überdurchschnittlich klimafreundlich ab. In anderen Waldgebieten und bei dem meist viel höheren Anteil kurzlebiger Holzverwendung dürfte das Ergebnis anders ausfallen. Dennoch sollte klar sein, dass bei naturnaher Waldnutzung ohne Kahlschläge und Bodenbearbeitung die Holzverwendung aus Klimaschutzgründen eine gute Sache ist. Auf dem Löwenanteil der Waldfläche sollte dies auch weiterhin so gemacht werden, denn andernfalls wären die Emissionen von Klimagasen natürlich deutlich höher. Möglicherweise ist also bei der Unterschutzstellung eines bestimmten Waldgebietes der Klimanutzen etwas geringer als bei nachhaltiger Forst- und Holzwirtschaft. Die Unterschiede sind aber nicht besonders groß und erst nach mehreren Jahrzehnten sichtbar.

Die Auswahl der drei Gebiete erfolgte aber nicht, um ein gewünschtes Ergebnis (Pro-Holznutzung) zu erzielen, sondern schlichtweg, weil die Entscheidung zwischen Schutzgebiet und Holznutzung ja vor allem für naturnahe und vorratsreiche Wälder relevant ist. Die Studie sollte daher als Fachbeitrag betrachtet werden, der über viele bislang wenig beachtete Zusammenhänge und Wirkungen unseres Handelns Auskunft gibt. Wie sich in der anschließenden Diskussion zeigte, sind sich viele Akteure noch unsicher, von welchen Annahmen man ausgehen sollte und welche Aspekte bei der Berechnung zu berücksichtigen sind. Deutlich wurde aber auch, dass die Unterschiede zwischen den Optionen nicht sehr groß sind, zumal in Deutschland "nur noch" gut 3 % der Waldfläche verbindlich geschützt werden müssen, um das Ziel der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt zu erreichen. Für dieses Ziel (5 % der gut 11 Millionen Hektar Waldfläche) werden also noch knapp 350.000 Hektar zusätzlicher Schutzgebiete benötigt.

Vorratsaufbau im Wirtschaftswald

Auf den restlichen Waldflächen können, wie Knut Sturm vom Stadtwald Lübeck aufzeigte, im Rahmen einer naturnahen Waldnutzung ebenfalls wertvolle Beiträge für den Klimaschutz erbracht werden. Im Lübecker Stadtwald ist man dabei, den Holzvorrat so lange aufzustocken, bis fast 80 % des natürlichen Vorrates erreicht werden. Das wären dann schnell 200 oder mehr Kubikmeter Holz pro Hektar. Ein Beispiel: Wenn der Durchschnittsvorrat aktuell bei 336 Kubikmeter pro Hektar liegt, würde alleine dessen Aufbau um 50 Kubikmeter auf einer Wirtschaftswaldfläche von 11 Millionen Hektar zu einer Anreicherung des Kohlenstoffvorrates um etwa 140 Millionen Tonnen führen (11 Millionen x 50 Kubikmeter, 1 Festmeter Holz speichert ca. 250 Kilo Kohlenstoff).

Klar ist, dass vor allem die langlebigen Holzprodukte beim Klimaschutz am günstigsten abschneiden und die Energieholznutzung auf das Nötigste beschränkt werden sollte. Auch hier kann man, Schutzgebiete hin oder her, schon bei der Holzverwendung mehr für den Klimaschutz tun, wie Horst Fehrenbach vom IFEU Institut erläuterte. Auch die sogenannte Kaskadennutzung, bei der Holzprodukte nach Gebrauch nicht verbrannt, sondern zu neuen Erzeugnissen verarbeitet werden, hilft bei der Einsparung von Energie. Die Verbrennung kann dann jeweils am Ende des Lebensweges der Produkte erfolgen.

Wald und Klimaschutz nicht gegeneinander ausspielen

Für den Schutz von Waldgebieten gibt es wirklich viele gute Argumente. Der Erhalt der biologischen Vielfalt kann und darf nicht durch andere Aktionen ersetzt werden. Zu beachten ist bei der Debatte auch, dass die Studie lediglich die Treibhausgasbilanzen vergleicht. Klimaschutz besteht aber nicht nur darin, den Treibhausgaseffekt zu vermeiden. Die Bedeutung von Wäldern für das lokale und regionale, aber auch für das globale Klima ist auch wegen ihres Wasserhaushaltes und Wasserumsatzes nicht zu unterschätzen. Die wichtigste Aufgabe im Waldschutz besteht neben der Ausweisung neuer Schutzgebiete denn auch darin, weitere Verluste und Degradation von Wäldern zu verhindern und bereits devastierte Flächen wieder zu restaurieren. Denn auch durch die Rodung von Wäldern haben wir (auch in Deutschland) eine Altlast geschaffen und große Kohlenstoffmengen freigesetzt, die nur durch Wiederbewaldung kompensiert werden könnten.

Für den Klimaschutz sind ganz andere Maßnahmen zu ergreifen. Auch dies dürfte als ein Ergebnis der Studie, die ja noch veröffentlicht wird, gesehen werden. Der Weg aus der fossilen Wirtschaft ist die wichtigste Maßnahme. Waldschutz und eine klimafreundlichere Holzverwendung sollten dabei eine Rolle spielen. Sie dürfen aber nicht gegeneinander ausgespielt werden.


Autor László Maráz ist Koordinator der Dialogplattform Wald beim Forum Umwelt und Entwicklung.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015, S. 35-36
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2015

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