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WALD/126: Oberförster Schulze macht's möglich - Küstenwald Usedom ist Waldgebiet des Jahres (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 194 - Oktober/November 2016
Die Berliner Umweltzeitung

Oberförster Schulze macht's möglich
Küstenwald Usedom ist Waldgebiet des Jahres

Von Jörg Parsiegla


Seit 2012 wird unter der Federführung des Bundes Deutscher Forstleute (BDF) der Titel Waldgebiet des Jahres verliehen. In diesem Jahr ging die Auszeichnung an den Usedomer Küstenwald. Der BDF will mit dieser Auszeichnung auf die Funktionen und Gefährdungen des Ökosystems Wald aufmerksam machen und geht hierfür Kooperationen mit Waldbesitzern, Tourismusverbänden und Landesforstverwaltungen ein.

Der Bundesvorstand des BDF wählte diesen Küstenwald, weil es hier in besonderer Weise gelingt, den hohen Besucherdruck sowie die wichtige Aufgabe des Küstenschutzes in Einklang mit Naturschutz und der forstlichen Nutzung zu bringen. Der BDF will mit der Auszeichnung auch den vor Ort tätigen Forstleuten danken, die den täglichen Spagat meistern und die vielfältigen Funktionen managen.

Der Küstenwald Usedoms - immerhin Deutschlands zweitgrößter Insel - befindet sich in Mecklenburg-Vorpommern im äußersten Nordosten Deutschlands. Er erstreckt sich über rund 50 Kilometer entlang der Pommerschen Bucht: von der deutsch-polnischen Grenze im Osten bis zum Peenemünder Haken im Westen. Insgesamt umfasst das Waldgebiet rund 5.000 Hektar, davon 2.600 Hektar Landeswald, 1.650 Hektar Bundeswald und je ein paar hundert Hektar Privat- und Kommunalwald. Der Sitz der zuständigen Forstverwaltung befindet sich im Ortsteil Neu Pudagla des Seebades Ückeritz.

Historisch gesehen hatten Usedomer Forstleute einen erheblichen Küstenwald Usedom ist Waldgebiet des Jahres Anteil an der Entwicklung des Badewesens. So legte Oberforstmeister von Bülow 1818 durch die Parzellierung von 50 Morgen (12,5 Hektar) für Villen im Küstenstreifen und den Bau des Logierhauses "Weißes Schloss" 1824 den Grundstein des heutigen Seebades Heringsdorf. Und es war Oberförster Schulze, der 1851 den Zugang zu den Stränden durch die königlich-preußischen Forsten möglich machte - die Badeorte waren bis dahin durch den in der Regel schmalen Waldsaum bis zum Strand administrativ und wirtschaftsrechtlich von diesem getrennt.

Artenvielfalt und Nachhaltigkeit

Obwohl - oder gerade weil - die Kiefer den Küstenwald zu etwa 60 Prozent dominiert (gefolgt von Rotbuche und Erle - jeweils 12 und 7 Prozent), streben die Usedomer Forsten eine größere Artenvielfalt an. So wurden unter anderem bereits 55 Hektar Feuchtbiotope, 54 Hektar Altbauminseln (ohne spätere Nutzung), 31 Hektar Waldwiesen und zwei Hektar Kleingewässer kartiert. Insgesamt sind im Usedomer Küstenwald mit sechs Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebieten, einem besonderen (Vogel-)Schutzgebiet (BSG) und vier Naturschutzgebieten 1720 Hektar unter Schutz gestellt.

Mit etwa 50 Arten ist die Baumartenpalette zudem breiter gefächert, als die oben beschriebenen Verhältnisse vermuten lassen. So sind die Nadelwälder zu großen Teilen mit Laubbäumen wie Buchen, Eichen, Ebereschen und Ahorn unterwachsen, so dass fast schon naturnahe Mischwälder vorherrschen.

Ein weiteres Prinzip bei der Gestaltung des Usedomer Küstenwaldes ist der nachhaltige Umgang mit dem Areal. Vom jährlichen Zuwachs des Waldbestandes von rund acht Kubikmeter pro Hektar werden nur etwa 60 Prozent genutzt. Als nachhaltige Maßnahmen zum Erhalt des Waldes sowie seiner Erholungsfunktion zählen unter anderem die Anlage von Waldrändern sowie Saumschläge entlang der aktiven Kliffkanten. Speziell für letztere konnte der durchschnittliche jährliche Küstenabtrag von einst 80 Zentimetern deutlich verlangsamt werden. Darüber hinaus spielen Maßnahmen zur Entsiegelung, Renaturierung und zum Rückbau (von baulichen Anlagen im Wald) eine Rolle.

Für geologisch interessierte Leser sei angemerkt, dass das Fundament der Insel von einem starken mit Ton-, Kalk- und Sandschichten bedeckten Kreidelager gebildet wird. Die heutigen Umrisse der Insel wurden durch die letzte Eiszeit sowie durch Windeinfluss und die Spiegelschwankungen der Ostsee geformt. Die anhaltende Küstenbewegung stellt die Forstleute Usedoms bis heute vor Probleme. Grundwassereinfluss macht sich auf rund einem Flächendrittel des Waldes bemerkbar. Insgesamt ist eine große Vielgestaltigkeit des Küstenwaldes charakteristisch.

Der Vollständigkeit halber noch diese Daten zur Insel: Die durchschnittlich jährliche Niederschlagsmenge beträgt etwa 500 Millimeter (Vergleich Berlin-Dahlem 591 Millimeter) bei einer Jahresmitteltemperatur von 8,5 (9,5) Grad Celsius. Bemerkenswert ist, dass die Sonne mit über 1.900 Stunden deutlich länger als in anderen Regionen Deutschlands scheint.

Natur erleben

Natur erleben kann unendlich spannend sein. Und so wundert es nicht, dass die historischen Gebäude des Forstamtes Neu Pudagla ein touristischer Anziehungspunkt sind. In der ehemaligen Scheune informiert ein Waldkabinett über Geschichte und ökologische Zusammenhänge des Waldes. Dem Kabinett angegliedert sind ein Waldlehrpfad und der einzigartige, von Geologen der Universität Greifswald gestaltete Usedomer Gesteinsgarten mit rund 140 Findlingen. Eine archäologische Besonderheit ist zum Beispiel einer der höchst seltenen Runensteine. Der älteste unter den Findlingen ist etwa zwei Milliarden Jahre alt, der größte, ein Augengneis, wiegt rund elf Tonnen. Geöffnet ist das Waldkabinett werktags von 8 bis 18 Uhr. Der Eintritt (auf Spendenbasis) ist frei.

In der Nachbarschaft zum Forstamt befindet sich seit 2010 ein Kletterwald.

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Quelle:
DER RABE RALF
27. Jahrgang, Nr. 194, Oktober/November 2016, Seite 14
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
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Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2016

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