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ATOM/1062: Schluß jetzt mit dem falschen Konsens in der Atompolitik (NaturFreunde)


Pressemitteilung des Bundesvorsitzenden der NaturFreunde Deutschlands Michael Müller vom 2. August 2010:

Schluss jetzt mit dem falschen Konsens in der Atompolitik

Ein Ausstiegsgesetz muss den Unfug der Atomkraftwerke schnell und sicher beenden


Berlin, 2. August 2010 - Die Diskussion um die Verlängerung der AKW-Laufzeiten geht völlig an den Fakten vorbei, erklärt der Bundesvorsitzende der NaturFreunde Deutschlands Michael Müller, der auch im Dachverband der Umwelt- und Naturschutzverbände (DNR) für Energie und Klima zuständig ist. Wir brauchen keine Gelddruckmaschine, sondern den echten und schnellen Atomausstieg.

Fast täglich streiten sich CDU, CSU und FDP, um wie viele Jahre die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke verlängert werden sollen. In den Medien geht es scheinbar nur noch um die Frage, ob sich der angeblich moderate Norbert Röttgen durchsetzt oder die totalen Apologeten der Atomwirtschaft wie Rainer Brüderle, Stefan Mappus oder Horst Seehofer.

Doch dieses Theater geht an den eigentlichen Fakten völlig vorbei:

Das Ausstiegsgesetz von 2001 beruhte auf einem Konsens der damaligen Bundesregierung mit den vier großen Atomkraftbetreibern EnBW, E.ON, RWE und Vattenfall - und nicht mit der Umwelt- und Naturschutzbewegung.
Auch Norbert Röttgen bewegt sich nicht: Er will den Zustand wieder herstellen, der unter den CDU-Umweltministern Klaus Töpfer und Angela Merkel galt. Dass er dafür kritisiert wird, zeigt nur die erschreckende Unkenntnis der Kritiker, nicht aber den Mut des Bundesumweltministers.
Eine energiepolitische Begründung für die Atomenergie, die militärische Wurzeln hat, gibt es nicht: Denn bei einem Wirkungsgrad von höchstens 35 Prozent ist sie nicht nur ineffizient - sondern verfestigt auch einen verschwenderischen Energie-Verbrauch.
Die vier großen Atomkraftbetreiber sind unseriöse Vertragspartner. Noch 2001 hatten sie den Ausstiegsbeschluss begrüßt, weil er ihnen gesicherte Laufzeiten ermöglichte. Schließlich war damals die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Atomkraft - und sie ist es auch heute noch.

Dass der Streit wieder aufgebrochen ist, hat drei zentrale Gründe:

1. In der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen sitzen fantasielose Ideologen, die den Anforderungen einer modernen Energiepolitik längst nicht gerecht werden.

2. Die Atomkraftwerksbetreiber haben ein massives Interesse an längeren Laufzeiten: Denn abgeschriebene Atomkraftwerke sind Gelddruckmaschinen.

3. Das Ausstiegsgesetz setzte auf einen politischen Konsens. Diesen Weg gingen die Initiatoren, vor allem Gerhard Schröder, Joschka Fischer, Werner Müller und Jürgen Trittin, um mögliche Schadensersatzforderungen zu vermeiden - oder sie sahen keine andere Möglichkeit. Durch das Beschreiten dieses Weges war aber auch absehbar, dass andere politische Mehrheiten wieder versuchen würden, den Ausstieg zurückzunehmen.

Damals gab es auch andere Positionen, die das Kapitel Atomkraft schneller beendet hätten. Mein eigener Vorschlag, die AKWs über Sicherheitsauflagen abzuschalten, erhielt jedoch nicht nur in der SPD keine Mehrheit, sondern scheiterte vor allem an der mangelnden Unterstützung der Grünen.

Auch wollte ich Klaus Töpfers und Angela Merkels Bedingung im Atomgesetz, wonach neue Atomkraftwerke nur genehmigt werden dürften, wenn bei einem Atom-Unfall die Folgen auf die jeweilige Anlage begrenzt blieben, auf bestehende AKWs übertragen: Wäre eine derartige Anforderung nach einer Übergangszeit nicht belegt worden, hätten die AKWs abgeschaltet werden müssen - und kein Atomkraftwerk wäre heute noch am Netz.

Heute holt uns ein falscher Konsens ein, der mit Partnern geschlossen wurde, die nur wenig tun, um den Umbau der Energieversorgung voranzutreiben - und das unter politischen Mehrheiten, deren Denken über das Festhalten an Dinosauriertechnologien nicht hinausreicht. Wir brauchen den Atomausstieg, aber wir brauchen auch ein Ausstiegsgesetz, das den Unfug der Atomkraftwerke schnell und sicher beendet.

So muss der gesellschaftliche Kampf um den Atomausstieg weiter gehen, es wird ein heißer Herbst 2010: Gemeinsam mit vielen Organisationen rufen die NaturFreunde Deutschlands auf zur zahlreichen Teilnahme an der großen Anti-Atom-Demonstration am 18. September 2010 in Berlin. Schluss jetzt mit der Atomkraft, damit das Pokerspiel um unsere Sicherheit endlich beendet wird!

Mehr Informationen: www.anti-atom-demo.de


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Quelle:
Presseinformation vom 02.08.2010
Herausgeber: NaturFreunde Deutschlands
Verband für Umweltschutz, sanften Tourismus, Sport und Kultur
Bundesgeschäftsstelle
Warschauer Str. 58a, 10243 Berlin
Tel.: 030/29 77 32 65, Fax: 030/29 77 32 80
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Internet: www.naturfreunde.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2010