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ATOM/863: Atomreaktor Krümmel hätte Wiederanfahrgenehmigung nie erhalten dürfen (Greenpeace)


Greenpeace - Presseerklärung vom 26. Juni 2009

Schäuble täuscht Atomaufsicht

Atomreaktor Krümmel hätte Wiederanfahrgenehmigung nie erhalten dürfen


Hamburg, 26.6.2009 - Wider besseren Wissens hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht vor Erteilung der Wiederanfahrgenehmigung für das Atomkraftwerk Krümmel mitgeteilt, es gebe "nach der aktuellen Lagebewertung des BKA" keine Anhaltspunkte dafür, dass sich "die Gefahr durch Anschläge mittels Luftfahrzeugen gegenüber dem Jahr 2002 erhöht hat". Greenpeace liegt jedoch ein internes Dokument des Bundeskriminalamtes aus dem Jahr 2007 vor, in dem die Behörde sehr wohl eine Verschärfung der Sicherheitslage feststellt. Greenpeace fordert, den Atomreaktor in Krümmel sowie die sieben ältesten deutschen AKW sofort abzuschalten.

"Normalerweise hält sich Bundesinnenminister Schäuble nicht zurück, wenn es darum geht, vor Angriffen auf die innere Sicherheit zu warnen", sagt Greenpeace-Atomexperte Mathias Edler. "Warum hat er die aktuelle Gefahrenbewertung des BKA in diesem Fall unterschlagen" Schäuble hat die Atomaufsicht von Schleswig-Holstein in Sicherheit gewiegt, damit sie dem Pannenreaktor Krümmel die Wiederanfahrgenehmigung erteilt. Damit hat er auch die Oeffentlichkeit bewusst in die Irre geführt."

In dem BKA-Papier aus dem Jahr 2007 heisst es "(...) die Wahrscheinlichkeit terroristischer Anschläge auf kerntechnische Einrichtungen (ist) zwar als gering anzusehen, muss aber letztendlich in Betracht gezogen werden". Noch im Jahr 2001 hingegen schätzte das BKA Anschläge gegen Atomanlagen als "nicht im Bereich des Wahrscheinlichen" ein und verwies auf die von potentiellen Terroristen beabsichtigte "höchste Symbolwirkung" ihrer Taten.

Die mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst abgestimmte Bewertung zur "Gefährdungslage inländischer kerntechnischer Einrichtungen" sieht 2007 nun eine Verlagerung des "Ziels der Täter" weg von der symbolischen Wirkung hin zur "Verursachung grösstmöglicher Personenschäden unter der Zivilbevölkerung". Der Bericht stellt fest: "Da bei einem Anschlag gegen eine kerntechnische Einrichtung aus Sicht der Täter mit einer Vielzahl von Opfern zu rechnen ist, müssen diese (...) als geeignet angesehen werden".

Laut Atomgesetz (AtG) darf die Genehmigung für ein Atomkraftwerk nur dann erteilt werden, wenn der "erforderliche Schutz gegen Störmassnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet ist" (AtG Paragraph7 Abs. 2 (5)). Genehmigungen sind zu widerrufen, wenn "dies wegen einer erheblichen Gefährdung (...) der Allgemeinheit erforderlich ist und nicht durch nachträgliche Auflagen in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen werden kann" (AtG Paragraph 17 Abs. 3 (5)). Krümmel ist, wie die Mehrzahl deutscher Atomkraftwerke, nicht gegen den Aufprall eines Flugzeugs geschützt. Laut einem internen Gutachten der Internationalen Länderkommission Kerntechnik (ILK, 2002) ist "eine bauliche Ertüchtigung ... aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht machbar bzw. nicht sinnvoll". Das ILK- Gutachten warnt im Fall eines Aufpralls vor "schweren bis katastrophalen Freisetzungen radioaktiver Stoffe". "Die Gefahr ist real. Krümmel gefährdet die Menschen und muss still gelegt werden", so Edler.


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Quelle:
Presseerklärung, 26.06.2009
Herausgeber: Greenpeace e.V., Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2009