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CHEMIE/231: Studie - Chemieindustrie nachhaltig? Neun Unternehmen im Vergleich (idw)


IZT - Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung - 14.12.2009

Chemieindustrie nachhaltig? Neun Unternehmen im Vergleich


Eine neue Studie untersucht, wie effizient neun internationale Chemieunternehmen mit ihrem Kapital, ihren ökologischen Ressourcen und ihren Beschäftigten wirtschaften. In dem wissenschaftlichen Nachhaltigkeits-Check erweisen sich Air Liquide und BASF als führend, Konkurrent Bayer kann 2007 jedoch auf Rang zwei aufschließen. Die nachhaltigen Unternehmensergebnisse können dank eines neuen Ansatzes in nur einer Eurokennzahl ausgedrückt werden. Eine internationale Forschergruppe um das Berliner IZT - Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung erarbeitete die Branchenstudie.

Drei europäische Chemieunternehmen sind die Champions eines internationalen wissenschaftlichen Vergleichs, der nachhaltiges Wirtschaften innerhalb der Chemiebranche in Euro misst. Dabei wird nicht nur der Umgang mit Kapital, sondern auch mit Umweltressourcen und Beschäftigten einheitlich monetär bewertet. Dem französischen Industriegashersteller Air Liquide und dem deutschen Chemiemulti BASF gelang es der neuen Studie zufolge, in allen vier untersuchten Jahren 2004 - 2007 ihr Ressourcenbündel deutlich effizienter als der Durchschnitt der betrachteten Unternehmen einzusetzen. Beide Unternehmen schufen damit einen nachhaltigen Mehrwert ("Sustainable Value") in Milliardenhöhe. Bereinigt man diese Ergebnisse um die Unternehmensgröße, gelingt es Bayer im Jahr 2007 aufgrund seines Effizienzvorsprungs zum Zweitplatzierten BASF aufzuschließen. Am Ende des Rankings steht das US Unternehmen Dow Chemical. Es setzte seine Ressourcen im Jahr 2007 nur etwa halb so effizient ein wie der Durchschnitt und schuf damit einen negativen Sustainable Value von minus 2,2 Milliarden Euro.

Neuer Bewertungsansatz

Mit der Studie "Sustainable Value Creation by Chemical Companies" wird erstmals die Nachhaltigkeitsleistung von neun Chemieunternehmen systematisch monetär bewertet. Ermöglicht wird dies durch den Sustainable-Value-Ansatz, der die am Finanzmarkt etablierte Opportunitätskostenlogik auf ökologische und soziale Aspekte erweitert und dabei erstmals zu aussagefähigen Ergebnissen über die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen in Euro kommt. "Ein Beitrag zu einem positiven Sustainable Value entsteht immer dann, wenn ein Unternehmen eine Ressource wie z.B. Wasser effizienter einsetzt als der Markt", erklärt die Betriebswirtin Andrea Liesen vom IZT - Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des unabhängigen und gemeinnützigen IZT - Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin, der Queen's University Management School in Belfast und der Euromed Management School in Marseille führten diese Studie gemeinsam durch. Der Ansatz wurde von den beteiligten Wissenschaftlern Prof. Dr. Frank Figge (Queen's University Management School) und Dr. Tobias Hahn (Euromed Management School) im Jahr 2001 entwickelt und seitdem in verschiedenen Studien erfolgreich angewandt. Auftraggeber sind vorrangig öffentliche Institutionen wie die EU-Kommission, das Bundesforschungs- und das Bundeswirtschaftsministerium. Die vorliegende Studie wurde von der BASF SE in Auftrag gegeben, die 2008 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis erhielt. Dies zeigt das zunehmende Interesse und die Akzeptanz des Ansatzes in der Privatwirtschaft.

Neun Chemieunternehmen - 13 Indikatoren

Insgesamt gingen die folgenden Unternehmen in die Studie ein: Air Liquide S.A. (Air Liquide), Akzo Nobel N.V. (AKZO), BASF SE (BASF), Bayer AG (Bayer), The Dow Chemical Company (DOW), Koninklijke DSM N.V (DSM), E. I. du Pont de Nemours and Company (DuPont), Reliance Industries Limited (Reliance) und Shell Chemicals (Shell Chemicals). Diese neun Unternehmen verfügen über eine ausreichend aussagekräftige Nachhaltigkeitsberichterstattung, so dass bei fast allen betrachteten Unternehmen durchgängig der Einsatz von 13 verschiedenen ökonomischen, ökologischen und sozialen Ressourcen betrachtet werden konnte, darunter der Kapitaleinsatz, der Wasserverbrauch, der chemische Sauerstoffbedarf des Abwassers, die Erzeugung gefährlicher Abfälle, die Emissionen von Treibhausgasen oder flüchtiger organischer Verbindungen und das Versauerungspotenzial. Des weiteren wurden soziale Indikatoren wie die Anzahl der Arbeitsplätze und der Arbeitsunfälle einbezogen.

Umfassende Umweltberichterstattung nötig

Die Untersuchung basiert dabei ausschließlich auf den von den Unternehmen veröffentlichten und bereitgestellten Finanz-, Umwelt- und Sozialdaten und ist somit transparent und nachvollziehbar. "Bei der Verwendung dieser Daten muss man jedoch genau hinschauen. Nicht immer umfassen die veröffentlichen Daten wirklich das gesamte Unternehmen", betont Andrea Liesen vom Berliner IZT: "Manchmal wird es als zu aufwändig empfunden, die Daten kleinerer Tochterfirmen aufzubereiten, in Ausnahmefällen tauchen auch ganze Geschäftsfelder mit hoher Umweltbelastung nicht in der Berichterstattung auf."

Ergebnisse in absoluten Eurowerten

Die Ergebnisse zeigen ein sehr differenziertes Bild der Nachhaltigkeitsperformance der Produktionsprozesse in den untersuchten Chemieunternehmen: BASF setzte im Jahr 2006 seine Ressourcen 1,4-mal effizienter ein als der Durchschnitt. Hieraus ergibt sich der höchste im Betrachtungszeitraum gemessene absolute Sustainable Value von 1,6 Milliarden Euro für BASF im Jahr 2006. Mit anderen Worten: BASF schuf im Jahr 2006 mit den eingesetzten Ressourcen einen absoluten Sustainable Value von 1,6 Milliarden Euro, d.h. 1,6 Milliarden Euro mehr Cash Flow, als die Vergleichsgruppe mit der selben Menge an Ressourcen geschaffen hätte. Das Branchenschwergewicht DOW nutzte im selben Jahr seine Ressourcen nicht einmal halb so effizient ein wie der Durchschnitt und erzielte deshalb mit minus 2,3 Milliarden Euro den Negativrekord. Im Jahr 2007 verteidigte BASF mit 1,1 Milliarden Euro seine Spitzenposition bezüglich des absoluten nachhaltigen Mehrwerts. Wie auch in den Vorjahren folgte Air Liquide (888 Mio. Euro in 2007) auf dem zweiten Platz. Auch der indische Chemieriese Reliance Industries Limited schnitt in dem Bewertungsverfahren durchweg positiv ab, konnte aber bisher für das Jahr 2007 nicht mit verfügbaren Daten aufwarten.

Die Ergebnisse - unabhängig von der Unternehmensgröße

Wenn man die Unternehmen unabhängig von ihrer Größe und nur gemäß ihrem Effizienzvorsprung vergleicht dreht sich das Ranking: Air Liquide konnte mit seinem Ressourcenbündel 1,7-mal mehr Cashflow generieren als die Vergleichsgruppe. Das heißt, mit der Ressourcenmenge, die im Durchschnitt von den betrachteten Unternehmen benötigt wird, um 1 Euro Cash Flow zu generieren, schafft Air Liquide 1,70 Euro. In den Jahren 2005-2007 folgt BASF auf dem zweiten Platz und setzt seine Ressourcen zwischen 1,2- und 1,4-mal effizienter ein als der Durchschnitt. Im Jahr 2007 muss sich BASF diesen zweiten Platz mit dem deutlich aufstrebenden Konkurrenten Bayer teilen. Die Nachhaltigkeitsperformance von Bayer zeigt den stärksten positiven Trend innerhalb der Studie. Während das Unternehmen in 2004 seine Ressourcen noch 1,3-mal ineffizienter einsetzte als der Durchschnitt und somit einen negativen Sustainable Value von minus 700 Mio. Euro schuf, konnte es in den zwei darauffolgenden Jahren bemerkenswerte Effizienzsteigerungen verzeichnen (2005: 606 Mio. Euro; 2006: 938 Mio. Euro). "Diese Entwicklung ist teilweise auf den Verkauf des Spezialchemieherstellers Lanxess zurückzuführen", führt Prof. Dr. Frank Figge von der Queen's University Belfast an. Aber auch die Nachhaltigkeitsperformance von DuPont folgt einem positiven Trend.

Im Gegensatz dazu unterliegt die Nachhaltigkeitsperformance von Shell Chemicals einem klaren Negativtrend. In den Jahren 2004 und 2005 setzte Shell Chemicals seine Ressourcen noch effizienter ein als der Durchschnitt. Dies gelang 2006 nicht mehr und das Unternehmen generierte einen negativen Sustainable Value von minus 37 Mio. Euro. Das Schlusslicht sämtlicher Rankings bildet DOW (2007: -645 Mio. Euro Sustainable Value). Wie auch DOW konnten DSM und AKZO über den gesamten Betrachtungszeitraum keinen positiven Sustainable Value schaffen. Im Jahr 2007 setzten diese Unternehmen ihre Ressourcen in etwa nur halb so effizient ein wie der Durchschnitt, d.h. mit den Ressourcen mit denen die betrachteten Unternehmen im Durchschnitt 1 Euro Cash Flow generierten, schufen DOW, DSM und AKZO nur etwa 50 Cent.

Ein kostenloser Download der Studie sowie weitere Erläuterungen zur Methode finden sich unter www.sustainablevalue.com

Kontakte - Wissenschaftliches Team: Andrea Liesen IZT - Institut für Zukunftsstudien und Technolgiebewertung, Tel.: +49-(0)30-803088-47, E-Mail: a.liesen@izt.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.izt.de
http://www.sustainablevalue.com

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
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Cover der Nachhaltigkeitsstudie zu Chemieunternehmen

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution604


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
IZT - Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung,
Barbara Debus, 14.12.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2009