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ENERGIE/1258: CCS-Gesetzentwurf dient Kohlekonzernen und widerspricht Europarecht (DUH)


Deutsche Umwelthilfe e.V. - 4. März 2009

Deutsche Umwelthilfe: CCS-Gesetzentwurf dient den Kohlekonzernen und widerspricht Europarecht

Mit heißer Nadel gestrickter Entwurf der Regierung behindert den Aufbau eines zukunftsfähigen Energiesystems auf Basis Erneuerbarer Energien - Unkalkulierbare Finanzrisiken für norddeutsche Bundesländer, die Verantwortung für die Langzeitsicherheit der Speicher übernehmen sollen - EU-Vorgaben zur Genehmigung neuer Kraftwerke werden aufgeweicht - DUH-Bundesgeschäftsführer Baake fordert in Stellungnahme grundsätzliche Überarbeitung


Berlin, 4. März 2009: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Speicherung von Kohlendioxid insbesondere aus Kohlekraftwerken dient dem Erhalt hergebrachter Strukturen in der Energiewirtschaft zu Lasten von Bundesländern und Steuerzahlern. Er unterläuft teilweise die Vorgaben aus Brüssel und behindert den dynamischen Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland. Das sind die Kernaussagen einer Stellungnahme, die die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) am Dienstag (3. März) der Bundesregierung übermittelt hat. "Der Gesetzentwurf ist erkennbar mit heißer Nadel gestrickt. Sein zentrales Ziel ist es, das Überleben der Braunkohle-Verstromung zu sichern und den Kohlekonzernen RWE und Vattenfall zu Diensten zu sein", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Dafür sei die Bundesregierung offenbar bereit, Nachteile bei der weiteren Entwicklung Erneuerbarer Energien und für die Steuerzahler in Kauf zu nehmen. Der Entwurf müsse dringend in wichtigen Punkten überarbeitet werden.

Der Gesetzentwurf privilegiere in seiner jetzigen Form die Energiekonzerne in unerträglicher Weise. So ermögliche er ihnen, große Gebiete Norddeutschlands praktisch unbefristet auf ihre mögliche Eignung zur Speicherung von Kohlendioxid zu untersuchen und dort andere Nutzungen wie etwa die Erschließung der Geothermie als Energiequelle der Zukunft zu verhindern. Die Konzerne können nach den Regelungen des Gesetzes Untersuchungsgenehmigungen für mögliche CO2-Lagerstätten erwirken, die dann in der Praxis zeitlich kaum mehr begrenzt werden können. Jede planerische oder raumordnerische Abwägung zugunsten anderer Nutzungen wird ausgeschlossen. "Es werden Claims abgesteckt, die zukunftswichtige Entwicklungen blockieren, selbst wenn später am entsprechenden Standort keine einzige Tonnen CO2 eingelagert wird", sagte Baake. Dabei gehe es möglicherweise auch um künftig in der Region geplante Druckluftspeicherkraftwerke oder große Erdgasspeicher, die auf Jahrzehnte behindert würden. Bundesländer wie Schleswig-Holstein müssten sich genau überlegen, ob sie solche langfristigen Behinderungen für ihre eigene Wirtschaft in Kauf nehmen wollen.

Die Bundesregierung sieht in ihrem Entwurf vor, dass die Betreiber der Endlager schon 20 Jahre nach Schließung der möglichen Lagerstätten sämtliche Pflichten und Verantwortlichkeiten zu ihrer Sicherung auf das jeweilige Bundesland übertragen können. "Auf die Bundesländer und ihre Bürger kommen neuartige und völlig unkalkulierbare Finanzrisiken zu", sagte Baake. Es sei schwer vorstellbar, dass norddeutsche Finanzminister Milliardenrisiken eingehen, nur damit die Braunkohleverstromer in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg die Energiestrukturen der Vergangenheit bis über die Mitte des 21. Jahrhunderts aufrecht erhalten können.

Die DUH kritisiert in ihrer Stellungnahme darüber hinaus, dass der in gemeinsamer Federführung von Wirtschafts- und Umweltministerium formulierte Gesetzentwurf die von der Europäischen Union in der CCS-Richtlinie beschlossenen Genehmigungskriterien für neue Kohlekraftwerke in ihr Gegenteil verkehre. Die CCS-Richtlinie der EU legt fest, dass neue Kraftwerke mit einer Leistung von mehr als 300 Megawatt nur genehmigt werden dürfen, wenn die Nachrüstung mit CCS-Technik möglich ist. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung schreibt dagegen lediglich das Bereithalten einer genügend großen Fläche auf dem Betriebsgelände vor. Selbst dieser Pflicht können die Betreiber entgehen, wenn sie nachweisen, dass die Nachrüstung technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist. "Ohne weitreichende Nachbesserungen wird dieser Entwurf den EU-Vorgaben nicht gerecht und deshalb keinen Bestand haben", sagte die Juristin und Leiterin Europäische Umweltpolitik der DUH, Dr. Cornelia Ziehm. Weil die CCS-Technik mit der gleichermaßen aufwändigen Abscheidung, ihrem Transport in mehrere hundert Kilometer langen Pipelines und der Tiefenlagerung des Kohlendioxids sehr teuer wäre, sei es für die Betreiber ein Leichtes, im Einzelfall eine angebliche Unzumutbarkeit nachzuweisen. Das Ergebnis werde sein, dass in vielen Fällen nicht einmal Flächen für eine spätere Nachrüstung der Kraftwerke bereit gehalten werden.

Baake erinnerte daran, dass die Bundesregierung die Zwei-Jahres-Frist zur Umsetzung der für ein zukunftsfähiges Energiesystem zentralen EU-Energieeffizienzrichtlinie habe verstreichen lassen und schon seit Mai 2008 in Verzug sei. Baake: "Jetzt erleben wir eine ganz andere Bundesregierung: Die CCS-Richtlinie der EU ist noch nicht einmal in Kraft, die Umsetzungsfrist hat noch nicht einmal begonnen und schon ist der Gesetzentwurf da. Das Gesetz ist eine Morgengabe der Bundesregierung an die großen Kohlekonzerne kurz vor der Bundestagswahl. Effizienz wird behindert, Kohleverstromung zu Lasten von Umwelt und Steuerzahlern gefördert."


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Quelle:
DUH-Pressemitteilung, 04.03.2009
Deutsche Umwelthilfe e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2009