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ENERGIE/1372: Erneuerbares Methan - Integration & Speicherung Erneuerbarer Energien (Solarzeitalter)


Solarzeitalter 1/2010
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien

IRES 2009

Erneuerbares Methan

Eine Lösung zur Integration und Speicherung Erneuerbarer Energien und ein Weg zur regenerativen Vollversorgung

Von Michael Sterner, Michael Specht, Yves-Marie Saint Drenan, Norman Gerhardt, Bernd Stürmer und Ulrich Zuberbühler


Dieser Beitrag beschreibt die Zunahme der Fluktuationen in der deutschen Stromversorgung nach dem Ausbauszenario des Bundesumweltministeriums, zeigt einen neuen Weg zur Speicherung von regenerativem Strom in Form von erneuerbarem Methan im Erdgasnetz auf und skizziert darauf aufbauend eine 100% regenerative Energieversorgungsstruktur für Strom, Wärme und Verkehr.


Zunahme der Fluktuationen in der Stromversorgung und Ausgleichsoptionen

Um die zukünftige energiewirtschaftliche Bedeutung von Speichern zu identifizieren, ist eine möglichst genaue Bestimmung der Einspeise-Charakteristik Erneuerbarer Energien (EE) erforderlich. Dazu ist eine räumlich und zeitlich hoch aufgelöste Simulation der EE-Einspeisung notwendig.

Als Szenario für die Berechnungen wird die Entwicklung des inländischen Ausbaus der Erneuerbaren Energien nach dem Leitszenario der BMU Leitstudie 2009 (Nitsch et al, 2009) ohne Berücksichtigung des EE-Imports und zusätzlicher Verbraucher im Verkehr (Wasserstoff, E-KFZ) angenommen. Der EE-Anteil am Bruttostromverbrauch beträgt danach im Jahr 2050 für dieses Szenario ca. 78%.

Die EE-Einspeisung, die sich unter diesem Szenario ergeben würde, ist in einer stündlichen Auflösung für die Jahre 2020-2050 unter den meteorologischen Bedingungen des Jahres 2007 simuliert

Die Lastganglinien der Szenariojahre werden durch Skalierung der Lastganglinie 2007 (nach UCTE, 2009) auf den Bruttostromverbrauch des jeweiligen Jahres generiert. Die Erzeugung der Zeitreihen der stündlichen Einspeisung von Wind, Wasser, Photovoltaik, Biomasse und Geothermie erfolgt nach dem Fraunhofer IWES Modell SimEE (Saint-Drenan et al, 2009) und ist in zahlreichen Abbildungen anschaulich in (Sterner et al, 2010) dargestellt und online zugänglich.

Anhand der Auswertung der von konventionellen Kraftwerken zu deckenden residualen Last (Verbleibender Strombedarf nach EE-Einspeisung) zeigen sich grundsätzliche Effekte der zunehmenden EE-Einspeisung. Unabhängig von der Entwicklung des konventionellen Kraftwerksparks können daraus allgemeingültige Aussagen über die Entwicklung des Bedarfs der klassischen Lastbereiche Grund-, Mittel-, und Spitzenlast und die zeitliche Auflösung der zunehmenden Fluktuationen getroffen werden.

Wie in Abbildung 1 dargestellt führt die zunehmende EE-Einspeisung vor allem zu einem steigenden Bedarf an Spitzenlastleistung, während der Grundlastbedarf sinkt. Langfristig geht im Zusammenhang mit wachsenden EE-Überschüssen der Bedarf an Grundlastkraftwerken auf Null zurück. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit des Netz- und Speicherausbaus, um die Abregelung von EE zu verhindern und Spitzenlastkapazitäten zu ersetzen. Mit zunehmendem EE-Ausbau werden EE-Überschüsse verfügbar, die sich über Speicher in die Spitzenlastzeiten verlagern lassen.

Abbildung 1: Entwicklung der Lastkapazitäten und EE-Überschüsse 2007-2050. Quelle: Sterner et al, 2010, www.schluchseewerk.de

Abbildung 1: Entwicklung der Lastkapazitäten und EE-Überschüsse 2007-2050.
Quelle: Sterner et al, 2010, www.schluchseewerk.de

Speicher sind grundsätzlich für diesen Ausgleich gut geeignet. Sie werden jedoch aufgrund der begrenzten Speicherkapazität in ihrem Einsatz begrenzt. Deswegen ist die Unterscheidung in Kurzzeitspeicher (z. B. für Stunden und Tage) und Langzeitspeicher (z. B. für Wochen und Monate) notwendig, wozu die Auswertung der EE-Einspeisung und der residualen Last bezüglich der zeitlichen Abfolge der auftretenden Fluktuationen bestimmt wird. Hierbei wird die Entwicklung der Leistungs- und Arbeitsanteile der Fluktuationen im Stunden-, Tages-, Wochen- und Monatsbereich analysiert (Abbildung 2).

Quelle: Sterner et al, 2010, www.schluchseewerk.de

Abbildung 2: Zeitlich unterschiedliche Fluktuationen der EE-Überschüsse (links) und des Spitzenlastbedarfs der verbleibenden Last (rechts). Idealer Ausgleich: täglich einspeichern, wöchentlich und monatlich ausspeichern.
Quelle: Sterner et al, 2010, www.schluchseewerk.de.
PSW = Pumpspeicherwerke; E-KFZ = Elektromobilität

Es zeigt sich, dass der steigende Spitzenlastbedarf vorwiegend durch wöchentliche und monatliche Schwankungen verursacht wird, während die EE-Leistungsüberschüsse vorwiegend stündlich und täglich auftreten. Im Idealfall wird also stündlich bzw. täglich eingespeichert, aber nur wöchentlich bzw. saisonal ausgespeichert.

Entsprechend besteht zukünftig ein steigender Bedarf an Ausgleichmaßnahmen mit unterschiedlichen zeitlichen Anforderungen:

1. Ausgleich der zunehmenden kurzfristigen Schwankungen (Stunden, Tage) bereits in naher Zukunft, um
a. die residuale Last zu glätten und dem konventionellen Kraftwerkspark einen kosten- und ressourceneffizienten Betrieb zu ermöglichen (Vermeidung von Teillastbetrieb und Anfahrverlusten),
b. die zunehmenden EE-Überschüsse aufzunehmen,
c. in beiden Fällen den Spitzenlastbedarf zu reduzieren.

2. Ausgleich der langfristigen Schwankungen (wöchentlich, saisonal), um
a. die residuale Last zu glätten und den grundlastfähigen EE-Anlagen (Biomasse, Laufwasserkraft, Geothermie) einen effizienten Betrieb zu ermöglichen,
b. EE-Überschüsse von mehreren Tagen und Wochen aufzunehmen,
c. in beiden Fällen den Spitzenlastbedarf zu reduzieren.

Für den Ausgleich von Fluktuation innerhalb eines Tages oder einer Woche sind Speichertechnologien wie Pumpspeicherwerke (PSW) und zukünftig adiabate Druckluftspeicher geeignet. Auf Verteilnetzebene werden dezentrale Speichertechnologien wie Batterien diskutiert, welche Engpässe ausgleichen sollen. Zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen wie Lastmanagement durch E-KFZ und Wärmepumpen welche im Zuge der Umsetzung von Smart Grids erschlossen werden - tragen ebenfalls zur Reduktion der kurzfristigen Schwankungen bei.

Die größte Herausforderung bleibt der Ausgleich von Langzeitfluktuationen. Dieser ist mit Kurzzeitspeichern wie PSW nicht wirtschaftlich. Er kann zwar theoretisch über einen europäischen Stromverbund erfolgen, allerdings besteht selbst bei idealen Transportbedingungen ein Bedarf an Speichern (von Bremen, 2009). Ferner ist eine vollständige Erschließung dieses Ausgleichspotenzials mit hohen Kosten und extrem großen Transportkapazitäten verbunden. Zur Reduzierung der volkswirtschaftlichen Kosten ist deshalb ein Optimum zwischen dem Ausbau der Transportkapazitäten, dem regionalen Ausgleich durch Speicher und dem Abregeln von Wind- und Solarstrom zu finden.

Bisher werden als Langzeitspeicher nur zwei Optionen diskutiert: die Erschließung der großen Pumpspeicherkapazitäten in Skandinavien und die Herstellung und Speicherung von Wasserstoff. Dabei ist die Erschließung des skandinavischen Pumpspeicherpotenzials derzeit noch unklar. Fragen stellen sich sowohl an die politische Unterstützung als auch an die technische Umsetzung (Bau zusätzlicher Unterbecken, Nutzung des Meeres und damit Mischung von Salz- und Süßwasser, etc.) zusammenhängend mit den ökologischen Auswirkungen. Die Erschließung von Wasserstoff als großtechnischer Speicher stellt Anforderungen an den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur in den Bereichen Transportnetz, Rückverstromungsanlagen, etc. Daraus ergeben sich Fragen an die entstehenden Kosten und die technische Umsetzbarkeit.

Aus diesem Zusammenhang soll im Folgenden dargestellt werden, welches Potential sich durch alternative Energiewandlungsverfahren zum Ausgleich der Fluktuation der residualen Last erschließt. Dabei bietet das Konzept der Speicherung von regenerativem Strom in Form von "erneuerbarem Methan" im Erdgasnetz ein großes Potenzial zum Ausgleich der kurz- und langfristigen Schwankungen im Stromnetz und einen Energievektor für Solar- und Windenergie in Verkehr und Wärme.


Erneuerbares Methan (oder auch Renewable Power Methane, SunSNG): Stromspeicherung durch Kopplung von Strom- und Gasnetz

Das EE-Methan-Konzept (Abbildung 3) basiert auf der bidirektionalen Kopplung von Strom- und Erdgasnetz. Regenerativer Strom spaltet Wasser über eine Elektrolyse in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff. Der Wasserstoff wird mit CO2 in einer thermochemischen Synthese (Methanisierung) zu Methan konvertiert. Das erneuerbare Methan wird anschließend gespeichert, transportiert und je nach Bedarf als Regel- und Reserveenergie über eine Rückverstromung z. B. in Gas- oder Gas- und Dampf-Kraftwerken (GuD) eingesetzt. Dezentral erzeugter regenerativer Strom wird auf diese Weise in einen CO2-neutralen Energieträger mit hoher Energiedichte umgewandelt. Erfolgt die Rückverstromung von EE-Methan dezentral in wärmegeführten BHKW, können der Nutzungsgrad durch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) weiter erhöht und Haushalte mit einem emissionsneutralen Erdgas-Substitut versorgt werden (Schwarmstromprinzip: viele dezentrale BHKW nutzen "grünes Methan" und werden zentral gesteuert).

Quelle: Sterner, 2009, http://www.upress.uni-kassel.de/publi/abstract.php?978-3-89958-798-2; Specht et al, 2010

Abbildung 3: Das integrative Konzept "EE-Methan" zur Speicherung von Wind- und Solarstrom.
Quelle: Sterner, 2009, http://www.upress.uni-kassel.de/publi/abstract.php?978-3-89958-798-2; Specht et al, 2010.
GuD = Gas- und Dampfkraftwerke; KWK = Kraft-Wärme-Kopplung

Darüber hinaus kann EE-Methan im Wärme- und Verkehrsektor eingesetzt werden, also z. B. zur Bereitstellung von Hochtemperatur-Prozesswärme oder in konventionellen PKW oder in Hybridfahrzeugen als "range extender" zur Erhöhung der Reichweite von Elektrofahrzeugen. Aus Wasserstoff und CO2 lassen sich neben Methan auch weitere Kraftstoffe herstellen wie Dimethylether oder erneuerbares Kerosin, die sich im Fernverkehr (Flug-, Schiffs-, und Güterverkehr) einsetzen lassen.

Der entscheidende Vorteil gegenüber reinen Wasserstoffkonzepten ist die Nutzung der bestehenden Infrastruktur wie Gasnetze, Gasspeicher und Endverbrauchergeräte. Technologien für Erdgas sind Stand der Technik und kommerziell verfügbar, was für die Wasserstofftechnologie nur bedingt der Fall ist. Des Weiteren hat Methan eine dreifach höhere Energiedichte und verbraucht somit dreimal weniger Platz als Wasserstoff.

Global gesehen können durch das neue Konzept große abgelegene, bisher ungenutzte Ressourcen von Erneuerbaren Energien verfügbar gemacht werden: Durch die Absorption von CO2 aus der Luft kann ein kohlenstoffneutrales Erdgas-Substitut oder andere erneuerbare Kraftstoffe hergestellt werden, unabhängig von fossilen Energieressourcen. Dadurch kann überall, wo Wasser und erneuerbare Energiequellen verfügbar sind, ein speicher- und transportierbarer Energieträger produziert werden und die Abhängigkeit von Energieimporten gemindert und damit verbundene Konflikte entschärft werden.

Verschiedene integrierte Konzepte mit unterschiedlichen CO2-Quellen sind möglich (Biogasanlagen, Biomassevergasungsanlagen, Kläranlagen oder in der Übergangszeit fossile Kraftwerke). Das für die Herstellung von EE-Methan notwendige CO2 kann auch aus der Luft absorbiert oder direkt von CO2-Quellen aus industriellen Prozessen (z. B. Kalk- und Zementherstellung) abgegriffen werden, bevor es in die Luft gelangt. CO2 lässt sich durch seine Abtrennung bei der Verbrennung von EE-Methan in Gaskraftwerken auch teilweise recyceln.

Steht das CO2 zur Verfügung, können etwa 60% des erneuerbaren Stroms als EE-Methan im Erdgasnetz gespeichert werden. Die Speichereffizienz für Strom ergibt sich je nach Verfahren zu 28 bis 45% und liegt damit in der Größenordnung der Wasserstoffspeicherung. Der Wirkungsgrad des Verfahrens ist nicht in dem Maße relevant wie in anderen Prozessen, da es für die Energiedienstleistung Langzeitspeicherung bisher keine gangbare Lösung im globalen Maßstab gibt.

Der deutsche jährliche Bruttostromverbrauch beträgt etwa 615 TWhel. Das deutsche Stromnetz kann je Speicherzyklus mit allen Pumpspeichern und Batterien etwa 0,04 TWhel aufnehmen. Werden theoretisch alle 45 Mio. deutschen PKW elektrisch betrieben mit einer Batterie von 20 kWhel, die zur Hälfte jederzeit genutzt werden können, steht zwar eine sehr große Leistung zur Verfügung, die allerdings nur 0,45 TWhel fassen kann und einen Strombedarf von 70 GWel lediglich knapp 7 Stunden decken kann. Damit lassen sich täglichen Schwankungen größtenteils auffangen, aber nicht ein Ausgleich über Wochen und Monate bewerkstelligen. Genau für diese Aufgabe kann der größte in Deutschland bereits heute vorhandene Energiespeicher genutzt werden: das Erdgasnetz. Über die Brücke Strom-zu-Gas kann seine Kapazität von 200 TWhth erschlossen werden, was in GuD-Kraftwerken einer elektrischen Energie von 120 TWhel entspricht.

Über die reine Stromspeicherung hinaus stellt das Konzept EE-Methan einen interessanten Energievektor für Wind- und Sonnenenergie im Verkehrssektor dar. Etwa 1% der Solarenergie kann in Rohbiomasse gewandelt werden, um daraus über Vergärung oder Vergasung Biomethan mit einem Konversionsgrad von etwa 0,5% herzustellen. Derselbe Kraftstoff kann über die direkte Nutzung der Solarenergie über Photovoltaik (15% Wirkungsgrad) und Solarmethan (insgesamt 10% Wirkungsgrad) um den Faktor 20 deutlich effizienter gewonnen werden.

Steht nur eine begrenzte Fläche zur Verfügung, sind hohe Flächenerträge für Kraftstoffe ein entscheidender Faktor. Auf einem Hektar können in Deutschland jährlich etwa 15 t Trockenmasse Mais geerntet werden (ca. 60 MWhth), welche über die Vergärung etwa 40 MWhth oder ca. 1.100 l Benzinäquivalent ergeben. Vom gleichen Hektar lassen sich mit einer gewöhnlichen PV-Anlage (1 kWp auf 8 m²) mit einem guten Ertrag von 1.000 kWhel pro kWp bzw. 1,25 GWhel pro Jahr über das neue Konzept 800 MWhth Solarmethan, d. h. ca. 22.000 l Benzinäquivalent ernten. Wird eine Windkraftanlage mit 2,5 MWel und einer durchschnittlichen Auslastung von 2.000 Volllaststunden (5,0 GWhel) auf dem gleichen Hektar errichtet, werden etwa 3.300 MWhth, bzw. ca. 46.000 l Benzinäquivalent generiert.

Damit kann auf gleicher Fläche über Solarenergie ein etwa 20-facher Ertrag des gleichen regenerativen Energieträgers Methan erzielt werden als über Bioenergie. Je nach Standort und Flächenverbrauch von Windkraftanlage liegt dieser Faktor für Windmethan bei etwa 10-80, wobei unter Windkraftanlagen weiter Land- und Forstwirtschaft betrieben werden kann (kombinierte Energie- und Landwirtschaft). Die Kosten für erneuerbares Methan werden nach einem Upscaling auf eine Leistungsgröße von 10-20 MWel je nach Betriebskonzept auf 8-10 Euro-Cent je kWhth abgeschätzt und liegen damit in der Größenordnung von Biomethan aus Biogas.

Eine erste Pilotanlage in der Leistungsklasse 30 kWel wurde vom ZSW in Stuttgart im Auftrag der Firma Solar Fuel Technology containerintegriert aufgebaut. Sie beinhaltet Elektrolyse, Methanisierung, Steuer- und Regelelektronik inklusive eines Betankungsmoduls für Erdgasfahrzeuge. Nach Abschluss der Testphase wird die Anlage zur Simulation der Stromnetzregelung an einer Biogasanlage betrieben. Das Biogas soll hierbei direkt methanisiert werden.


Eine integrierte 100% regenerative Energieversorgungsstruktur der Zukunft

In einer rein regenerativen 100% erneuerbaren Energieversorgung sind Energiespeicher ein Schlüsselelement. Sowohl Strom- und Wärmespeicher, als auch Speicher für chemische Energieträger werden benötigt. Ein Energieträger mit hoher Energiedichte ist v. a. im Verkehr notwendig, um den Langstreckentransport regenerativ zu versorgen, der nicht rein elektrisch gedeckt werden kann. An dieser Stelle wird eine derartige Struktur nach (Sterner, 2009) beschrieben, in der das neue Konzept zur Kopplung von Strom- und Gasnetz (Specht et al, 2010) ein wesentlicher Bestandteil ist.

Erneuerbarer Strom wird zur Primärenergie, was einen gewissen Paradigmenwechsel darstellt. Davon ausgehend dienen Stromspeicher und -transport zur Verteilung und Anbindung aller Stromverbraucher im Wärmesektor (elektrische Wärmepumpen) und Verkehrssektor (Elektromobilität). Erneuerbarer Strom wird vorwiegend direkt aus Windkraft, Wasserkraft, Meeres- und Solarenergie erzeugt, ohne vergleichbar große thermische Verluste wie in der fossilen und nuklearen Stromerzeugung.

Die Verstetigung des schwankenden Stromangebots erfolgt über die drei Optionen Transport, Speicher und Energiemanagement. Durch ein Erzeugungsmanagement (Kombikraftwerke) folgt das Angebot an erneuerbarem Strom in geschickter Kombination dem Strombedarf. Über Transport findet ein überregionaler Ausgleich statt, Kurzzeitspeicher wie Pumpspeicherkraftwerke speichern EE-Überschüsse für Zeiten mit großer Stromnachfrage und geringem Stromangebot. Die gezielte Steuerung des Verbrauchs reduziert ebenfalls die Schwankungen in der Stromversorgung.

Über die Brücke Strom-Wasserstoff-Methan (EE-Methan) werden Strom- und Gasnetz gekoppelt, um regenerativen Strom für Verkehr, Wärme und die Langzeitspeicherung von Strom über Wochen und Monate verfügbar zu machen. Dadurch kann mit einem entsprechend ausgebauten regenerativen Anlagenpark, Speichern und konventionellen Gaskraftwerken bzw. vielen dezentralen KWK-Anlagen die Stromversorgung vollständig erneuerbar erfolgen.

Geplant ist ferner in einer ersten technischen Realisierungsstufe der Aufbau einer 10 MWel Anlage in Kopplung mit einer Biogasanlage, in der das Biogas ohne CO2-Abtrennung durch Zudosierung von Wasserstoff zu EE-Methan gewandelt wird. Die Inbetriebnahme dieser Anlage soll 2012 erfolgen.

Die Wärmeversorgung basiert auf Solarenergie (Sonnenkollektoren), Geothermie und Wärme aus der Kraft-Wärme-Kopplung. Hier sind ebenfalls kleine Speichersysteme erforderlich, um z. B. die KWK-Anlagen mit EE-Methan stromgeführt zu betreiben (Konzept Schwarmstrom).

Der Verkehr wird aus EE-Strom und EE-Methan über Elektromobilität und konventionelle Verbrennungsmotoren gespeist und angetrieben. Für spezielle Aufgaben (Flug-, Schiffs- und LKW-Verkehr) eignen sich auch Biokraftstoffe oder andere Kraftstoffe aus Wind- und Solarstrom (z. B. Dimethylether, erneuerbares Kerosin). Biomasse wird fast ausschließlich zur Erzeugung von EE-Methan verwendet, wobei lediglich Reststoffe zum Einsatz kommen. Dadurch werden Nutzungskonkurrenzen mit Nahrungs- und Futtermitteln vermieden und Flächen geschont bzw. frei für Pflanzen zur stofflichen Nutzung.

Die Integration von Energienetzen und -speichern ist ein entscheidender Bestandteil regenerativer Energiestrukturen. Wird ferner bei der Verwendung von EE-Methan das CO2 abgetrennt, kann es für die Methanisierung erneut verwendet und somit recycelt werden.

Durch die dauerhafte Speicherung des abgetrennten CO2 kann sogar ein Energiesystem mit Kohlenstoffsenke geschaffen werden, welches CO2 aus der Atmosphäre entzieht anstatt ihr mehr hinzuzufügen.

Quelle: Sterner, 2009, http://www.upress.uni-kassel.de/publi/abstract.php?978-3-89958-798-2

Abbildung 4: Entwurf einer 100% regenerativen Energieversorgungsstruktur für Strom, Wärme und Verkehr mit Speichern und Netzen für Strom, Wärme und Gas.
Quelle: Sterner, 2009, http://www.upress.uni-kassel.de/publi/abstract.php?978-3-89958-798-2
GuD = Gas- und Dampfkraftwerke; KWK = Kraft-Wärme-Kopplung


Fazit

Mit zunehmenden Anteilen Erneuerbarer Energien in der Energieversorgung bis hin zur Vollversorgung sind v.a. Ausgleichsmaßnahmen im Stromsektor notwendig, um eine stabile Stromversorgung sicherzustellen. Während in der Übergangszeit diese Aufgabe vorwiegend der konventionelle Kraftwerkspark übernimmt, müssen in Zukunft Erneuerbare Energien selbst die Bewältigung dieser Herausforderung lösen.

Drei Optionen stehen zur Integration bereit: Stromtransport, Stromspeicherung und Energiemanagement. Im Dreiklang ist der Ausgleich der fluktuierenden EE-Einspeisung durch Erneuerbare Energien selbst möglich: Der Ausbau von Stromleitungen ermöglicht die Verstetigung von Wind- und Solarstrom über einen weiträumigen Ausgleich. Die gesteuerte Erzeugung (Kombikraftwerk mit EE-Prognosen) und der gesteuerte Verbrauch (Lastmanagement, E-KFZ) gleichen den Verbrauch dem Angebot an. Darüber hinaus werden in jedem Fall Speicher sowohl für kurz- als auch für langfristige Schwankungen benötigt.

Kurzzeitspeicher und Langzeitspeicher ergänzen sich im Gesamtkonzept, da z. B. Pumpspeicherwerke effizienter und kostengünstiger für kurze Zeit Strom speichern können und Langzeitspeicher wie EE-Methan im Erdgasnetz diese Aufgabe für lange Zeiträume und große Energiemengen im saisonalen Ausgleich übernehmen. Eine weitere theoretische Möglichkeit der Langzeitspeicherung ist die Anbindung großer Pumpspeicher in Skandinavien.

Vorteilhaft an der Kopplung von Strom- und Gasnetz ist, dass auf die bestehende Gasinfrastruktur samt Speichern zurückgegriffen werden kann unbestehende Technologien (Gasbrenner, Erdgasfahrzeuge, Gaskraftwerke, Blockheizkraftwerke (BHKW)) genutzt werden. Über diesen Weg kann die größte Speicherkapazität in Deutschland erschlossen werden, die quasi "keine" Speicherbegrenzung hat. Der Ausgleich der fluktuierenden EE durch EE selbst wird durch das Konzept möglich: Sowohl Regel- und Ausgleichsenergie kann bereit gestellt werden, als auch eine "Grundlastversorgung" aus EE durch die Kombination von EE mit flexiblen Gaskraftwerken und BHWK.

Darüber hinaus kann über EE-Methan ein neuer Energievektor für Wind und Sonne in den Verkehrsbereich erschlossen werden und bestehende Barrieren für mehr Erneuerbare Energien in diesem Sektor (Begrenztes Biomassepotential, begrenzte Reichweite der Elektromobilität) beseitigt werden.

Das "EE-Methan"-Konzept kann somit ein Schlüsselelement in der notwendigen Transformation der Energiesysteme in 100% erneuerbare, stabile und emissionsfreie Energiesysteme darstellen. Eine regenerative Vollversorgung ist dadurch technisch möglich.


Die Autoren Michael Sterner, Yves-Marie Saint Drenan und Norman Gerhardt sind am Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel beschäftigt. Michael Specht, Bernd Stürmer und Ulrich Zuberbühler sind Mitarbeiter des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Stuttgart.


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Literatur:

Nitsch, J.; Wenzel, B. (2009): Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland - Leitszenario 2009. Bundesministerium für Umwelt, Natur- und Reaktorsicherheit, Berlin.

Saint-Drenan, Y.M.; von Oehsen, A.; Gerhardt, N.; Sterner, M.; Bofinger, S.; Rohrig, K. (2009): Dynamische Simulation der Stromversorgung in Deutschland nach dem BEE-Szenario "Stromversorgung 2020". Fraunhofer IWES, Kassel. http://www.bee- ev.de/_downloads/publikationen/studien/2010/100119_BEE_IWES- Simulation_Stromversorgung2020_Endbericht.pdf

Specht, M.; Baumgart, F.; Feigl, B.; Frick, V.; Stürmer, B.; Zuberbühler, U.; Sterner, M.; Waldstein,. G. (2010): Speicherung von Bioenergie und erneuerbarem Strom im Erdgasnetz. FVEE Jahrestagung 2009. Forschen für globale Märkte erneuerbarer Energien. FVEE, Berlin.

Sterner, M. (2009): Bioenergy and renewable power methane in integrated 100% renewable energy systems. Limiting global warming by transforming energy systems. Kassel University, Dissertation. http://www.upress.uni-kassel.de/publi/abstract.php?978-3-89958-798-2

Sterner, M.; Gerhardt, N.; Saint-Drenan, Y.M.; von Oehsen, A.; Hochloff, P.; Kocmajewski, M.; Lindner, P.; Jentsch, M.; Pape, K.; Bofinger, S.; Rohrig, K. (2010): Energiewirtschaftliche Bewertung von Pumpspeicherwerken und anderen Speichern im zukünftigen Stromversorgungssystem. Studie für Schluchseewerke AG. Fraunhofer IWES, Kassel. http://www.schluchseewerk.de/105.0.html

UCTE (2009): Country Data Packages. ENTSO-E, Brussels.
http://www.ucte.org/resources/dataportal/packages

Von Bremen (2009): Storage and Transport Capacities in Europe for a full Renewable Power Supply System. Raum-zeitliche Erzeugungsmuster von Wind- und Solarenergie in der UCTE-Region und deren Einfluss auf elektrische Transportnetze. EWEC 2009 (European Wind Energy Conference). Marseille.


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Quelle:
Solarzeitalter 1/2010, 22. Jahrgang, S. 51-58
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien
Redaktion: EUROSOLAR e.V.
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Erscheinungsweise: vierteljährlich
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2010