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ENERGIE/1529: Energiewende aus dem Wald? Warum Holz nicht Kohle ersetzen darf (ARA Magazin)


ARA Magazin 23, 2017/18 - Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.

Energiewende aus dem Wald?
Warum Holz nicht Kohle ersetzen darf


Wenn von erneuerbaren Energien die Rede ist, denken die meisten an Sonne und Wind. Doch die helfen in erster Linie bei der Stromproduktion. In den Bereichen Wärme und Verkehr spielen sie kaum eine Rolle. Hier geht fast nichts ohne Biomasse. In flüssiger und fester Form liefert sie zwei Drittel der erneuerbaren Energie in der EU. Über die Plattform-Wald-Klima.de beschäftigt sich ARA intensiv mit diesem Thema.


Was tun, wenn absehbar ist, dass die selbstgesteckten Klimaziele nicht erreicht werden und immer mehr Stimmen eine Abschaltung von Kohlekraftwerken fordern? Die Frage stellt sich nicht nur bei uns, sondern z.B. auch bei unseren Nachbarn in den Niederlanden.

Vom Ziel, bei den erneuerbaren Energien bis 2030 einen Anteil von 27 Prozent am Energieverbrauch erreicht zu haben, ist man dort noch weit entfernt. Bisher sind es erst 5,6 Prozent (auch in Deutschland sind wir mit 14,6 Prozent gerade mal auf halbem Wege).

2016 entschied eine Mehrheit im holländischen Parlament, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken. Das hätte mit einer Schließung aller Kohlekraftwerke des Landes erreicht werden können. Gleichzeitig wurde beschlossen, den Anteil der erneuerbaren Energie bis 2020 auf 14 Prozent zu erhöhen. Um das Ziel zu erreichen, würde wenig später ein großzügiges Förderprogramm für die Verbrennung von Biomasse zur Produktion von Strom und Wärme beschlossen, auch in Kohlekraftwerken.

Holz als Rettung für Kohlekraftwerke?

Fragt man die Betreiber von Kohlekraftwerken, wie sie sich Klimaschutz vorstellen, ist selten die Rede davon, die Anlagen so schnell wie möglich abzustellen. Statt dessen soll der klimaschädliche Brennstoff Kohle durch einen vermeintlich klimafreundlichen ersetzt werden: Holz. Ohne größere Veränderungen an den bestehenden Anlagen können 10 Prozent der Kohle durch Holz ersetzt werden. Wenn es genügend Fördergelder für die nötige Umrüstung gibt, ist auch eine komplette Umstellung möglich.

Ausgerechnet das scheint jetzt zum Rettungsanker für niederländische Kohlekraftwerke zu werden. Fünf ältere Anlagen wurden bereits geschlossen. Für den Rest ist geplant, in mehr oder weniger großem Umfang Holz an Stelle von Kohle zu verbrennen. Denn die Regierung garantiert allen, die am Biomasse-Förderprogramm teilnehmen, nicht vor Beendigung der achtjährigen Laufzeit des Programms schließen zu müssen - und stellt dafür 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung.

Davon profitieren auch die deutschen Energiekonzerne RWE und Uniper (eine Abspaltung von E.ON), die in drei Anlagen zwei Drittel des niederländischen Kohlestroms produzieren.

In der Nähe von Rotterdam betreibt RWE seit 1980 das Heizkraftwerk Amer. Eine Schließung stand schon zur Diskussion, doch nun wird der Betrieb zu 50% auf Biomasse umgestellt. Bis 2020 soll der Anteil der Holzfeuerung auf 80% steigen. Für eine Leistung von 640 MW werden dann jährlich 1,8 Mio. t Pellets benötigt.

Woher kommt das Holz?

In Deutschland werden etwa 2 Millionen Tonnen Pellets pro Jahr hergestellt. Damit könnten gerade einmal die deutschen Pelletheizungen und Kleinkraftwerke betrieben werden. Solange dafür ausschließlich Durchforstungsholz, Altholz und die Abfälle aus Sägewerken verwendet werden, gibt es nur wenig Spielraum nach oben. Lieferungen nach Holland sind also nicht zu erwarten.

Der weltweit größte Exporteur von Holzpellets ist zur Zeit die USA. Von hier soll auch der größte Teil der rund 3,5 Millionen Tonnen Pellets kommen, die in Zukunft jedes Jahr in den Niederlanden benötigt werden.

Die Produktion konzentriert sich auf den Südosten der USA. Hier betreibt auch Innogy, die Ausgliederung des Energiekonzerns RWE, das nach eigenen Angaben größte Pellet-Werk der Welt. Georgia Biomass hat eine jährliche Produktionskapazität von 750.000 Tonnen.

Nach Recherchen der amerikanischen Naturschutzorganisation Dogwood Alliance ist wahrscheinlich, dass es seine Rohstoffe auch aus ökologisch seltenen Hartholz-Feuchtwäldern oder aus Kahlschlägen bezieht.

Klimafreundlich heizen?

Weil Holz eine geringere Energiedichte als Kohle, Öl oder Gas hat, muss mehr davon verbrannt werden, um die gleiche Energiemenge zu erzielen. Nach Berechnungen des Weltklimarates IPCC wird beim Heizen mit Holz fast doppelt so viel Kohlendioxid (CO2) freigesetzt wie beim Einsatz von Gas.

Für die Befürworter der Holzverbrennung ist das kein Problem. Sie gehen davon aus, dass der nachwachsende Rohstoff Holz beim Verbrennen nur so viel CO2 abgibt, wie die Bäume beim Wachsen vorher der Atmosphäre entzogen haben. Holzwachstum (CO2-Senke) und Holzverbrennung (CO2-Quelle) gleichen sich aus, deshalb sei Holz als Energieträger CO2-neutral.

Das gilt aber nur, solange die Holzernte nicht zunimmt, um den steigenden Bedarf an Brennstoff zu decken. Hierauf hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen bereits in seinem Umweltgutachten 2012 hingewiesen:

"Selbst wenn der Holzvorrat über die Zeit auf der Fläche konstant gehalten wird, muss für eine vollständige Bilanzierung die Speicherleistung, die ohne Nutzung erbracht würde, mit berücksichtigt werden. Die Reduzierung der CO2-Emissionen ergibt sich damit aus der Differenz von vermiedenen fossilen Kohlenstoffemissionen und dem durch die Holznutzung unterbliebenen Aufbau von Kohlenstoffspeichern im Wald. Wird nur die Substitution fossiler Energieträger verbucht, nicht aber die Verluste an sequestriertem (gebundenem) Kohlenstoff, entsteht ein 'Rechenfehler'."

Anders ausgedrückt: Holz, das nicht geerntet wird, vergrößert den Kohlenstoffspeicher des Waldes und trägt unmittelbar zum Klimaschutz bei. Wird es dagegen geerntet und verbrannt, belastet es die Atmosphäre mit einer größeren Menge an CO2 als der fossile Brennstoff, den es ersetzt.

Einen klimafreundlichen Beitrag zur Energieversorgung kann am ehesten das Holz leisten, das vorher zu anderen Produkten verarbeitet wurde, wie die Reste aus Sägewerken oder Altholz. Diese Sortimente werden aber bereits heute fast komplett genutzt.

Das Verbrennen von Holz in Großkraftwerken ist also eine Sackgasse. Trotzdem versuchen Energiekonzerne, es uns als klimafreundliche Lösung zu verkaufen. In den kommenden Jahren wird die Nachfrage nach Pellets allein in Europa um etwa 18 Millionen Tonnen steigen. Und damit auch der Druck auf die Wälder.



Mehr Informationen gibt es unter
www.plattform-wald-klima.de

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Quelle:
ARA Magazin 23, 2017/18, Seite 8 - 9
Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.
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Redaktion: Wolfgang Kuhlmann, Jürgen Wolters, Monika Nolle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2018

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