Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → INDUSTRIE


ENERGIE/1541: Auf dem Holzweg - Warum das Verbrennen von Holz in Kohlekraftwerken keine Lösung ist (ARA Magazin)


ARA Magazin 25, 2019/20 - Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.

Auf dem Holzweg
Warum das Verbrennen von Holz in Kohlekraftwerken keine Lösung ist


Anfang 2019 wurde der Kohleausstieg in Deutschland beschlossen, doch ein entsprechendes Gesetz wird wahrscheinlich erst 2020 im Bundestag beraten. Der Entwurf sieht vor, die deutschen Kohlekraftwerke schrittweise zu schließen oder umzurüsten, so dass ihre Leistung von derzeit rund 45 Gigawatt (GW) auf rund 30 GW im Jahr 2022 und bis 2030 auf höchstens 17 GW reduziert wird. Spätestens 2038 soll mit dem Verbrennen von Kohle Schuss sein.

Die Bundesregierung setzt dabei in erster Linie auf Anreize. Über die Höhe der Stilllegungsprämien gibt es aber noch keine Angaben.


Wie es nicht laufen sollte, zeigt ein Blick in die Niederlande. Auch dort wurde ein Kohleausstieg beschlossen: Bis Ende 2024 sollen die beiden älteren Kohlekraftwerke vom Netz gehen, 5 Jahre später auch die drei neueren. Ein Schlupfloch wurde allerdings offengelassen. Wenn es bis dahin gelingt, die Feuerung von Kohle auf Holz umzustellen, können die Anlagen weiter in Betrieb bleiben. Großzügige Subventionen von bis zu 3,6 Milliarden Euro sollen die Anreize dafür liefern.

Den Löwenanteil der Zuschüsse will sich der deutsche Energiekonzern RWE sichern, der in den Niederlanden zwei Kohlekraftwerke betreibt. Das ältere ist die Amercentrale in der Nähe von Gertruidenberg mit einer Kapazität von 600 MW. Wenn das Kraftwerk in den kommenden Jahren auf 100 Prozent Holzfeuerung umgestellt wird, werden dort jedes Jahr rund 1,7 Millionen Tonnen Holzpellets verbrannt.

Um diese Menge an Pellets herzustellen, werden über 4 Millionen Kubikmeter Holz benötigt. Da das in den Niederlanden nicht zur Verfügung steht, stammen die Pellets derzeit hauptsächlich aus dem Baltikum und dem Südosten der USA.

Dort sind in den letzten Jahren große Pelletwerke entstanden, deren Produkte fast ausschließlich nach Europa exportiert werden. Während die Betreiber behaupten, dass für die Herstellung der Pellets in erster Linie Sägemehl und Reststoffe eingesetzt werden, konnten sich US-amerikanische Umweltorganisationen davon überzeugen, dass in den Werken große Mengen an ganzen Baumstämmen angeliefert werden. Viele davon stammen aus Naturwäldern, die nach dem Kahlschlag in Kiefernplantagen umgewandelt werden, um weiteren Nachschub für eine vermeintlich erneuerbare Energie zu liefern.

Bioenergie aus Holz - gut oder schlecht für das Klima?

Die Grundlage hierfür wurde mit der 2009 verabschiedeten EU-Richtlinie für erneuerbare Energien (RED) geschaffen. Darin wurde Biomasse aus Wäldern (sprich: Holz) ohne Einschränkung als "erneuerbare Energie" eingestuft. Seitdem wird es in vielen Staaten Europas verwendet, um den Anteil ihrer Energie aus "erneuerbaren" Quellen zu erhöhen.

Für viele scheint es selbstverständlich, dass die Nutzung von Holz von Natur aus gut für das Klima ist, da der Kohlenstoff in der Biomasse aus der Atmosphäre stammt und beim Wachstum der Wälder absorbiert wird - Biomasse also als "klimaneutral" eingestuft werden kann. Das mag seine Berechtigung haben, solange in erster Linie Waldrestholz und Abfälle aus der Holzwirtschaft als Brennstoff benutzt werden. Seit in einigen EU-Mitgliedstaaten aber großzügige Subventionen für das Verbrennen von Holz in Großkraftwerken zur Verfügung stehen, ist die Nachfrage deutlich gestiegen. Mittlerweile werden Holzpellets in Industrieanlagen mit einer Jahresproduktion von über 500.000 t produziert und über Tausende von Kilometern transportiert.

Trotz zahlreicher wissenschaftlich fundierter Warnungen, dass dies sowohl für das Klima als auch für die globalen Wälder schädlich sein könnte, wird Biomasse im Rahmen der 2018 überarbeiteten Richtlinie für erneuerbare Energien (RED II) weiterhin als erneuerbar eingestuft. Darüber hinaus werden Emissionen aus der Verbrennung von Biomasse im EU-Emissionshandelssystem mit Null bewertet.

Wissenschaftler warnen

Wissenschaftler aus dem Zusammenschluss der Nationalen Akademien der Wissenschaften (EASAC) haben kürzlich darauf hingewiesen, dass der derzeit zu beobachtende Ersatz von Kohle durch Holz zu einer Überschreitung der Zielvorgaben des Pariser Klimaabkommens führen könnte.

Der Grund ist einfach: Wenn Holz geerntet und zur Erzeugung von Energie verbrannt wird, gelangt der gesamte Kohlenstoff aus dieser Biomasse mit einem Schlag in die Atmosphäre. Da Holz einen geringeren Heizwert als Kohle hat, gelangt pro erzeugter Stromeinheit mehr CO2 in die Atmosphäre als bei der Verbrennung von Kohle. So kommt es zumindest unmittelbar zu einer Steigerung der Emissionen.

Dieses zusätzliche CO2 wird nur dann wieder absorbiert, wenn die Wälder nachwachsen. Dabei entsteht allerdings eine zeitliche Lücke zwischen der Freisetzung von Kohlenstoff und seiner späteren Aufnahme aus der Atmosphäre - die so genannte carbon payback period. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass dieser Zeitraum stark von der Art der Biomasse abhängt. Er kann kurz sein, wenn es sich um ungenutztes Restholz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern handelt. Sobald jedoch Bäume gefällt werden, um etwa als Rohstoff für die Pelletherstellung zu dienen, verlängert sich diese Zeit erheblich, von Fall zu Fall auf Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte. Diese Unterschiede werden in den EU-Richtlinien jedoch ignoriert: Holz wird grundsätzlich als "klimaneutral" behandelt und der CO2-Ausstoß bei der Verbrennung wird als Null gewertet.

Rechentricks statt Emissionsminderung

Dieser grundlegende Fehler ermöglicht es, die nationalen Emissionen auf dem Papier zu reduzieren, da durch den einfachen Wechsel von Kohle (wo Emissionen gemeldet werden müssen) zu Biomasse (keine Meldung) die Emissionen sofort reduziert werden können. Aus Sicht des Klimas sieht es jedoch anders aus: Der Anstieg der Emissionen hält an, bis die Amortisationszeit abgelaufen ist. Da nach dem Pariser Klimaabkommen aber dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, sind Amortisationszeiten von mehr als einem Jahrzehnt mit den Zielen des Klimaschutzes nicht vereinbar.

Das sollte auch bei der Ausgestaltung des Kohleausstiegs in Deutschland berücksichtigt werden. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz wird eine Förderung der Produktion von Energie und Wärme aus Biomasse bislang auf Anlagen bis maximal 20 MW begrenzt. Solange das so bleibt, ist eine Umstellung von Kohlekraftwerken auf Holzfeuerung nicht rentabel.

Eine Änderung - siehe Niederlande - hätte fatale Auswirkungen auf die Wälder in Deutschland und weltweit. Die gesamte deutsche Holzernte von rund 75 Millionen Kubikmetern pro Jahr würde gerade einmal ausreichen, um 10 GW an Kraftwerksleistung zu decken - das ist weniger als ein Viertel der aktuellen Kohlekapazität.


Anmerkungen

- Zur Energiegewinnung sollten nur regional verfügbare Reststoffe genutzt werden.

- In der Visual Story "Holz statt Kohle?" wird das Thema anschaulich erklärt:
plattform-wald-klima.de/holz-oder-kohle/

- Weitere Hintergrundinformationen finden sich in dem Artikel der EASAC-Wissenschaftler: Norton, Jones, Baldi et al. (2019): Serious mismatches continue between science and policy on forest bioenergy. Global Change Biology - Bioenergy

*

Quelle:
ARA Magazin 25, 2019/20, Seite 12 - 13
Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.
August Bebel Str. 16-18, 33602 Bielefeld
Telefon: 0521 / 6 59 43, Fax: 0321 / 213 140 96
E-Mail: ara@araonline.de
Internet: www.araonline.de
 
Das ARA Magazin erscheint jährlich.
Mitglieder und Förderer von ARA erhalten es kostenlos.


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2019

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang