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KATASTROPHEN/048: Planungszonen um AKWs sollen im Katastrophenfall nur akute Strahlenschäden verhindern (Strahlentelex)


Strahlentelex mit ElektrosmogReport
Unabhängiger Informationsdienst zu Radioaktivität, Strahlung und Gesundheit
Nr. 724-725 / 31. Jahrgang, 2. März 2017 - ISSN 0931-4288

Katastrophenplanung
Planungszonen um Atomkraftwerke sollen im Katastrophenfall nur akute Strahlenschäden verhindern

Von Thomas Dersee


Die Planungszonen um Atomkraftwerke sollen nach einem Beschluß der Innenministerkonferenz erweitert werden. Damit werden Empfehlungen der Strahlenschutzkommission umgesetzt. Die Planungszone für Evakuierungen soll beispielsweise von zehn auf 20 Kilometer erweitert werden. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 18/10830 vom 13. Januar 2017) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor.[1] Nach Darstellung der Bundesregierung werden damit sogenannte deterministische Strahlenschäden "vollständig ausgeschlossen".

Eine Studie, die die Grünen mit Bezug auf das belgische AKW Tihange anführen, bezeichnet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang als "unzureichend". Die Studie des Instituts für Sicherheits- und Risikowissenschaften an der Universität für Bodenkultur in Wien stellt Auswirkungen eines potenziellen Versagens des Reaktordruckbehälters im Block 2 des AKWs insbesondere für die Region Aachen dar.[2] Nach Meinung der Bundesregierung ist die Studie aufgrund unvollständiger Darstellungen nicht geeignet, um daraus Rückschlüsse für die Planungszone Aachen zu ziehen. Die Bundesregierung wolle nun mit Hilfe des Bundesamtes für Strahlenschutz eigene Ausbreitungsrechnungen durchführen. Dazu habe sie eine entsprechende Anfrage an die belgische Atomaufsicht gestellt, um repräsentative Quellterme für das AKW Tihange zur Verfügung gestellt zu bekommen.

Hintergrund: Im Jahr 2012 zeigten Ultraschalluntersuchungen am Basismetall der Reaktordruckbehälter (RDB) von Tihange 2 und Doel 3 eine große Anzahl von Einschlüssen und Rissen. Als Konsequenz forderte die belgische Regulierungsbehörde FANC die Lizenznehmer auf, erneut die Sicherheit der beiden Reaktoren zu demonstrieren. Diese Neubewertung wurde im Jahr 2016 von FANC akzeptiert und die Erlaubnis gegeben, den Betrieb bis zu 40 weitere Jahre fortzusetzen. Es gibt jedoch Zweifel, ob der Reaktordruckbehälter von Tihange 2 auch unter Unfallbedingungen noch als sicher einzustufen ist.


Anmerkungen

[1] Radiologische Auswirkungen beim Versagen des Reaktordruckbehälters im belgischen Atomkraftwerk Tihange 2, Bundestagsdrucksache 18/10830 v. 13.01.2017,
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/108/1810830.pdf

[2] N. Arnold et al.: Potential radiological Impacts of a Pressure Vessel rupture of Tihange 2, StädteRegion Aachen, 18, ISR Wien 2016,
https://forschung.boku.ac.at/fis/suchen.publikationen_uni_autoren?sprache_in=de&menue_id_in=400&id_in=&publikation_id_in=104790

http://tihange-abschalten.eu/wp-content/uploads/2016/10/Tihange_Studie_powerpoint_NM_April2016.pdf


Der Artikel ist auf der Website des Strahlentelex zu finden unter
www.strahlentelex.de/Stx_17_724-725_S07.pdf

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Quelle:
Strahlentelex mit ElektrosmogReport, März 2017, Seite 7
Herausgeber und Verlag:
Thomas Dersee, Strahlentelex
Waldstr. 49, 15566 Schöneiche bei Berlin
Tel.: 030/435 28 40, Fax: 030/64 32 91 67
E-Mail: Strahlentelex@t-online.de
Internet: www.strahlentelex.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2017

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