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PRODUKT/168: Nachfrage nach Papier aus nachhaltiger Waldnutzung wächst (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt und Entwicklung - Rundbrief 1/2009
Schwerpunkt

Zertifiziertem Papier gehört die Zukunft
In Deutschland wächst die Nachfrage nach zertifizierten Papieren aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung

Von Johannes Zahnen und Helma Brandlmaier


Wälder sind viel mehr als Holz: Sie beherbergen - je nach Schätzung - bis zu 80 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten, stabilisieren als größter Kohlenstoffspeicher an Land unser Weltklima, speichern den Großteil unserer globalen Süßwasserreserven, verhindern Bodenerosionen und Überschwemmungen, sind Lebensraum und Speisekammer für mehrere hundert Millionen Menschen.

Mit ihren unzähligen Medizinalpflanzen sind Wälder außerdem eine schier unerschöpfliche Apotheke für unsere Gesundheitsvorsorge. Und schließlich sind Wälder ein nie versiegendes Vorratslager für Holz - zur Energiegewinnung, als Baustoff und als Grundstoff für Papier. Doch illegaler Holzeinschlag, Brandrodung, Umwandlung in Agrarland und nicht nachhaltige Forstwirtschaft haben zu einem dramatischen Niedergang der Wälder geführt: Rund um den Globus gehen jede Minute mindestens 28 Hektar Wald verloren - so viel wie 38 Fußballfelder. Der meiste Wald schwindet in den artenreichen Tropen. Doch auch in vielen Industriestaaten wie Deutschland ist der Wald zu über 99 Prozent nicht mehr ursprünglich und besteht häufig aus ökologisch öden Nadelbaum-Monokulturen.


Papier wird immer begehrter

Fast jeder zweite industriell gefällte Baum auf der Welt wird zu Papier verarbeitet. Weltweit werden derzeit pro Tag eine Million Tonnen Papier verbraucht, Tendenz steigend. Daher trägt die Papierindustrie eine besondere Verantwortung, für den Erhalt der Wälder auf nachweislich nachhaltig produziertes Holz umzusteigen. Herausgefordert ist aber auch der verantwortliche Konsument - besonders in Industrieländern wie Deutschland. Ein durchschnittlicher Deutscher verbraucht über 250 Kilogramm Papier pro Jahr. Insgesamt verbrauchte Deutschland damit mehr Papier als Afrika und Südamerika zusammen. Deutschland ist mit 22,6 Millionen Tonnen Papier der größte Papierproduzent Europas, exportiert rund 60 Prozent seiner jährlichen Papierproduktion (13,4 Millionen Tonnen) und ist zudem nach den USA der zweitgrößte Papierimporteur weltweit. Deutschland ist zudem mit vier Millionen Tonnen nach den USA der zweitgrößte Zellstoffimporteur der Welt. Die beiden Tropenwaldländer Brasilien und Indonesien liefern zusammen mit rund einer Million Tonnen rund 25 Prozent des gesamten von Deutschland importierten Zellstoffs. In beiden Tropenländern wurden und werden dafür riesige Flächen Regenwald vernichtet.


Nachhaltige Nutzung

Diesem fortschreitenden Niedergang der Wälder wirkungsvoll Einhalt zu gebieten, gelingt nicht allein mit Schutzprojekten, sondern vor allem auch durch eine Natur schonende Nutzung ihres Holzes. Das heißt: Wenn Holz aus einem Wald entnommen wird, müssen seine ökologischen und sozialen Funktionen erhalten bleiben. Dazu gehört zunächst, dass nicht mehr Holz entnommen werden darf als nachwachsen kann. Darüber hinaus müssen noch eine Vielzahl weiterer ökologischer und sozialer Aspekte berücksichtigt werden.

Dazu sind messbare Kriterien erforderlich, die von unabhängigen Dritten regelmäßig überprüft werden. Um die Aussage der Zertifizierung dem Kunden gegenüber sicher stellen zu können, muss kontrolliert werden, dass während des Produktionsprozesses vom Holzfäller über Sägemühle, Papiermühle bis zum Papiergroßhändler kein Holz aus nicht zertifizierten Wäldern mit zertifiziertem Material gemischt wird.


Zertifizierung von Wäldern

International sind zwei Zertifizierungssysteme verbreitet, die sich in den letzten Jahren auch im Papiersektor etabliert haben: Das "Programme for the Endorsement of Forest Certiion Schemes Council" (PEFC), das heute als Dachorganisation für verschiedene nationale Zertifikationssysteme dient, und der "Forest Stewardship Council" (FSC) als internationales Label mit nationalen Arbeitsgruppen.

PEFC ist eine Organisation ohne finanzielle Interessen, hat 33 nationale Organisationen weltweit und ist damit die größte Dachorganisation für Waldzertifizierung. PEFC fördert nachhaltig bewirtschaftete Wälder nach ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekten mit einer unabhängigen Zertifizierung durch Dritte. Höchste Vertretung von PEFC Deutschland ist der Deutsche Forst-Zertifizierungsrat. Keiner der großen Umweltverbände ist Mitglied des PEFC. Diese bemängeln unter anderem schlechte Mitsprachemöglichkeiten, zu wenig Kontrolle durch Zertifizierung ganzer Regionen, keinen Ausschluss von genmanipulierten Organismen oder zu wenig Ein auf soziale Aspekte wie zum Beispiel die Rechte von Ureinwohnern. Weltweit wurden bislang mehr als 200 Millionen Hektar zertifiziert, davon in Deutschland 7,2 Millionen Hektar (zum Vergleich: die Staatsfläche Deutschlands beträgt rund 35,7 Mio. Hektar). Der FSC ist ebenfalls eine unabhängige Nonprofitorganisation. Vertreter von Waldeignern, indigenen Völkern, Umweltgruppen und sozialen Verbänden sowie der Holzindustrie haben gemeinsam Regeln für eine verantwortungsbewusste Waldbewirtschaftung erstellt. Mehr als 100 Millionen Hektar Wald sind nach den Prinzipien und Kriterien des FSC weltweit zertifiziert, davon in Deutschland inzwischen 466.000 Hektar. Der Forstexperte Dipl.-Ing. Christian Bihlmaier hat im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie an der Universität Larenstein (NL) untersucht, wie Unternehmen der Papierbranche die beiden wichtigsten Zertifizierungssysteme einschätzen und wie sich die Märkte für zertifizierte Papiere künftig entwickeln werden. Demnach bietet PEFC für Waldbesitzer vor allem den Vorteil der geringeren Kosten. Das FSC-Label bietet hingegen eine größere Kontrollquote und damit eine bessere Garantie, dass die Zertifizierungskriterien auch tatsächlich umgesetzt werden. Dies führt zu geringerem Risiko für Käufer und zu größerer Glaubwürdigkeit.


Der Markt für zertifizierte Papiere

Wesentliches Ergebnis von Bihlmaiers Marktanalyse ist jedoch, dass es in Deutschland und Europa bei Verlagen, Papierherstellern und Konsumenten einen klaren Trend zu verstärktem Einsatz zertifizierter Papiere gibt. Dieser Trend beeinflusst alle Bereiche des Papiersektors. Treibende Kräfte dieses Marktes sind Verlage, die gezielt zertifiziertes Papier nachfragen und ihre Produkte entsprechend kennzeichnen. Trendsetter sind bekannte und große Unternehmen wie BBC Worldwide, Random House und das Versandhaus Otto, die FSC-Papier für Printmedien mit hoher Auflage einsetzen. Alle in Bihlmaiers Untersuchung und Interviews befragten Verlage sagten voraus, dass zertifiziertes Papier in Zukunft für das Verlagswesen an Bedeutung gewinnen wird.

FSC und PEFC sind die beiden Label, die den Markt für zertifizierte Papiere dominieren. Die Papierhersteller bestätigen eine seit 2004 wachsende Nachfrage nach beiden Siegeln. Dabei ist FSC offenkundig das von Kunden deutlich bevorzugte Label mit einer größeren Marktpräsenz. Da allerdings das Angebot an FSC-Papieren durch die starke Nachfrage zunehmend knapper wird, greifen manche der Konsumenten und Endabnehmer, die gerne ein Papier mit Umweltzertifizierung haben möchten, zu PEFC-Papieren. Diese sind besser verfügbar, weil die Zertifizierung preiswerter ist, 100 Prozent ISO-konform und leichter erhältlich.


Fazit

Der Einfluss der Papierindustrie auf die Wälder und deren Zukunft ist aufgrund des weltweit hohen und weiter zunehmenden Bedarfs an Holz erheblich. Ein Erfolg versprechender Weg, die Auswirkungen dieser Branche auf die Bereiche Ökologie und Soziales so gering wie möglich zu halten, stellt die Zertifizierung der Waldbewirtschaftung dar. Wichtig ist dabei, dass die Zertifizierung diese Bereiche abdeckt und auch regelmäßig kontrolliert. Aus Sicht des WWF stellt FSC das derzeit anspruchsvollste Zertifikat für die Waldzertifizierung dar.

Der gesamte Markt für zertifizierte Papiere wächst inzwischen. Dabei wächst die Nachfrage nach Papieren, die das FSC-Logo tragen, deutlich stärker als die nach PEFC-Papier, da der FSC den meisten befragten Unternehmen glaubwürdiger erscheint. Die PEFC-Zertifizierung wird hingegen von Waldbesitzern bevorzugt, da ihnen die Umsetzung leichter erscheint.

Ungeachtet dessen werden nach übereinstimmender Prognose von Verlagen, Papierherstellern und Druckereien zertifizierte Papiere in der Zukunft eine wachsende Bedeutung erlangen.

Johannes Zahnen ist beim WWF Deutschland zuständig für den Bereich Unternehmenskooperation und Forstpolitik, Helma Brandlmaier arbeitet für das Forest Programme von WWF International mit Schwerpunkt Papier


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Welche Papiere hergestellt werden

• Graphische Papiere haben mit 10,1 Millionen Tonnen einen Anteil von fast der Hälfte am gesamten Papierverbrauch in Deutschland. Dazu gehören Zeitungspapiere (2,7 Millionen Tonnen) sowie Magazin- und Katalogpapiere plus Buch- und Büropapiere (zusammen 7,4 Millionen Tonnen).

• Der Bereich Verpackung ist mit 8,2 Millionen Tonnen (2006) der zweitwichtigste Papierverbrauchssektor in Deutschland.

• Für Hygienepapiere und Spezialpapiere wiederum werden jährlich jeweils 1,2 Millionen Tonnen Papier aufgewendet.


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Weniger Papier verbrauchen

Überkonsum in der industrialisierten Welt ist eines der zentralen Themen, zu dem sich Nichtregierungsorganisationen (NGO) weltweit beim Thema Papier zusammengeschlossen haben. "Nur zehn Prozent der Weltbevölkerung in Europa und in Nordamerika verbrauchen die Hälfte der weltweiten Papierprodukte. Würden alle Regionen der Erde in diesem Ausmaß Papier konsumieren - nicht auszudenken", sagt Helma Brandlmaier vom WWF International und Mitglied der Steering group der "Europäischen NGO Paper Vision". "Es ist deshalb eine Frage der Fairness, aber auch Notwendigkeit, dass Industrieländer ihren Überkonsum einschränken. Verteilungsgerechtigkeit zur Nutzung von Ressourcen wird ein riesiges Thema der Zukunft sein, nicht nur für Papier. Es darf nicht sein, dass wir einen wertvollen Rohstoff- Holz - zu einem Wegwerfprodukt machen."

Um auf Umwelt- und Sozialprobleme wie auf Lösungen für Konsumenten und Betriebe aufmerksam zu machen, wurde 2008 von fast 100 NGOs die Aktion "Shrink - stopping the madness of overconsumption of paper" ins Leben gerufen. Mehr dazu auf www.shrinkpaper.org im Internet.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2009
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2009