Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INDUSTRIE

TECHNIK/090: Vattenfalls CCS-Demonstrationsanlage - keine zukunftsfähige Energielösung (GL Cottbus)


GRÜNE LIGA, Umweltgruppe Cottbus - Hintergrundpapier, 25. Oktober 2010

Vattenfalls geplante CCS-Demonstrationsanlage - keine zukunftsfähige Energielösung

Von René Schuster


0 Zusammenfassung

Mit einer Demonstrationsanlage zur CCS-Technologie am Braunkohlenkraftwerk Jänschwalde (Brandenburg) will der Energiekonzern Vattenfall ab 2015 die großtechnische Abscheidung von CO2 und dessen Verpressung unter bewohntem Gebiet beginnen. 180 Millionen Euro EU-Förderung sollen dafür fließen. Wir haben nach der Änderung des technischen Konzeptes die Unterlagen ausgewertet, welche Vattenfall Parlament und Genehmigungsbehörden vorgelegt hat und müssen folgendes feststellen:

Vattenfall plant den Neubau eines Kohlekraftwerkes am Standort Jänschwalde statt der bisher vorgesehenen Umrüstung vorhandener Anlagen auf CCS.
Die ohnehin wenig ambitionierten CO2-Reduktionsziele für 2020 des Landes Brandenburg können somit nicht wie bisher vorgesehen durch CCS erfüllt werden. Vattenfalls Vorschlag, dies durch Mitverbrennung von Biomasse und Steigerung des Wirkungsgrades bestehender Anlagen auszugleichen ist widersprüchlich und nicht nachhaltig.
Eine massive Laufzeitverlängerung der klimaschädlichen Bestandsblöcke am Standort Jänschwalde wird von Vattenfall vorbereitet und droht auch die Erreichung der für 2030 formulierten Reduktionsziele unmöglich zu machen. Dann würde die Umsiedlung von Dörfern für neue Braunkohletagebaue entgegen allen politischen Versprechen dem Weiterbetrieb klimaschädlicher Kraftwerke dienen.
Der Wirkungsgrad des Neubaukraftwerkes bleibt mit behaupteten 35,3% unter dem des Bestandskraftwerkes. Den massiven Wirkungsgradverlust durch CCS versucht Vattenfall durch fehlende Zahlenangaben zu verschleiern. Es dürfte jedoch etwa ein Drittel mehr Kohle zur Herstellung derselben Strommenge benötigt werden, als ohne CCS.
Vattenfalls Zahlen belegen: Die CCS-Technologie verbraucht für jede abgeschiedene Tonne Kohlendioxid etwa einen Kubikmeter Wasser zusätzlich. Die Vergrößerung des Kraftwerkes erhöht den Wasserverbrauch noch mehr, obwohl Wasser im Spree-Einzugsgebiet ein wertvolles und knappes Gut ist.
Im Genehmigungsverfahren zum Kraftwerksbau soll die Frage nach der Sicherheit des Transportes und der Endlagerung des Kohlendioxids ausgeklammert werden.
Mit nur 95prozentiger Reinheit des zu verpressenden CO2 will Vattenfall aus wirtschaftlichen Gründen hinter dem technisch Erreichbaren von vornherein zurückbleiben.

Auf den folgenden Seiten führen wir die genannten Punkte näher aus.


1 Verfahrensstand

Eingeleitet wird ein Verfahren zur Genehmigung wesentlicher Änderungen am Kraftwerk nach § 16 Bundes-Immissionsschutzgesetz. Zuständig dafür ist das Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV, früher Landesumweltamt - LUA). Transport und Endlagerung des CO2 sollen davon getrennt nach dem noch nicht verabschiedeten "Kohlendioxid-Speichergesetz" ("CCS-Gesetz") genehmigt werden, voraussichtlich in Zuständigkeit des Landesamtes für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR). Im Dezember 2009 reichte Vattenfall erste Unterlagen zum Kraftwerksbau bei den Landesbehörden ein. Am 25.02.2010 fand bereits eine Beratung zum Untersuchungsrahmen der Umweltprüfung (Scopingtermin) statt. Am 01.06.2010 gab Vattenfall jedoch Änderungen des technischen Konzeptes bekannt. Konkrete Angaben waren erst der Unterlage vom 17.09.2010 zu entnehmen, die zur Vorbereitung eines erneuten Scopings beim LUGV eingereicht wurde.[1] Zudem informierte Vattenfall am 25.08.2010 den Wirtschaftsausschuß des Landtages Brandenburg über das neue Konzept der Anlage sowie darüber, wie aus Sicht des Unternehmens die CO2-Reduktionsziele des Landes Brandenburg erreicht werden sollen.[2]


2 Kurzdarstellung des Vorhabens

Der Block F ist mit 500 Megawatt Leistung einer von sechs Blöcken des Kraftwerkes Jänschwalde (3000 MW). Er besteht aus den Dampferzeugern (Kesseln) F1 und F2, die gemeinsam einen Turbinensatz und einen Generator antreiben. Vattenfall möchte den Block F so umbauen, dass CO2 nach der Verbrennung aus einem Zehntel des Abgasstromes ausgewaschen werden kann ("Post-combustion"-Verfahren). Daneben soll ein Block G neu errichtet werden, der die Kohle statt mit Luft mit reinem Sauerstoff verbrennt, um hoch konzentriertes CO2 zu erhalten. ("Oxyfuel"-Verfahren). Hier soll auch bereits die Kohlevortrocknung angewendet werden, welche für sich genommen den Wirkungsgrad erhöhen würde. Das abgeschiedene CO2 aus beiden Blöcken soll verdichtet und für einen Transport in Verpressungsgebiete vorbereitet werden. Im ursprünglichen Konzept sollte post-combustion für ein Viertel des Rauchgases aus Block F installiert und der Kessel F2 durch einen neuen Oxyfuel-Kessel F3 ersetzt werden.


Hier ein Vergleich in Tabellenform:











Blöcke A-E


herkömml.
Betrieb
 Block F       Block F                      
              CCS              CCS         
 Anteil       Umrüstung        Neubau      
 herkömml.-   post-            Oxyfuel-    
 Betrieb      combustion       Kessel      
Bestand


el. Leistung (brutto)
CO2-Menge pro Jahr
el. Netto-Wirkungsgrad
2500 MW
20 Mio. t
~ 35,6 %
    500 MW           0            0        
  4 Mio. t           0            0        
  ~ 35,6 %           0            0        
Konzept alt
Dez. 2009


el. Leistung (brutto)
CO2-Menge pro Jahr
el. Netto-Wirkungsgrad

2500 MW
20 Mio. t
~ 35,6 %

    125 MW        125 MW         290 MW    
  1 Mio. t      1 Mio. t     1-2 Mio. t    
                  28,9 %                   
                (bei ~ 70 % Abscheidung)   
Konzept neu
Sept. 2010


el. Leistung (brutto)
CO2-Menge pro Jahr
el. Netto-Wirkungsgrad

2500 MW
20 Mio. t
~ 35,6 %

    450 MW         50 MW         250 MW     3,6 Mio. t    0,4 Mio. t     1,3 Mio. t   
    (angeblich) 36,4 %         ~ 35,3 %    
(bei ~ 10 % Abscheidung[3])  (bei ~ 90%)   

Bei sehr hoher Auslastung könnten theoretisch auch bis zu 4,5 Mio. t CO2 pro Block emittiert werden, in der Tabelle wurde jedoch eine derzeit realistische Größenordnung dargestellt, die zudem in allen drei Varianten leicht vergleichbar ist. Die Wirkungsgrade sind bei CCS nur in Kombination mit der erreichten Abscheiderate aussagekräftig.


3 Neubau statt Umrüstung: kein Klimaschutz bis 2020

Die Tabelle zeigt: Kohleverbrauch und CO2-Emissionen steigen gegenüber dem alten Anlagenkonzept. Bei gleicher Volllaststundenzahl wird mit dem neuen Konzept weniger CO2 unterirdisch verpresst (1,7 statt bis zu 3 Mio. t), jedoch gelangt mehr CO2 in die Atmosphäre (23-24 Mio. t statt 21 Mio. t). Hauptgrund ist, dass der herkömmliche (klimaschädliche) Kessel F 2 nun nicht mehr außer Betrieb genommen, sondern weiter betrieben werden soll. Dies steht im Widerspruch zur Energiestrategie 2020 des Landes. Die 2008 von der Landesregierung beschlossene Strategie formuliert trotz eines Bekenntnisses zum Energieträger Braunkohle das Ziel, "die CO2-Emissionen im Land bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Wert aus dem Jahr 1990 zu senken. Bis zum Jahr 2030 sollen sie um weitere 35 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 reduziert werden."[4]

Das bedeutet:
CO2-Emissionen 1990 91,0 Mio. t
CO2-Emissionen 2006 59,5 Mio. t
Ziel 2020 54,6 Mio. t
Ziel 2030 22,8 Mio. t[5]

Im Kraftwerksbereich sollte das Reduktionsziel für 2020 durch die CCS-Demonstrationsanlage erreicht werden: "Durch Errichtung und Betrieb der ersten CCS-Demonstrationsanlage im Land Brandenburg am Energiestandort Jänschwalde können die CO2-Emissionen bei der Braunkohlestromerzeugung ca. ab dem Jahr 2015 um ca. 2 Millionen Tonnen pro Jahr reduziert werden."[6] Die Landesregierung stellt zudem in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage ausdrücklich klar: "Ein Weiterbetrieb des sogenannten Kessels "F2" des Kraftwerkes Jänschwalde zusätzlich zur geplanten CCS-Demonstrationsanlage widerspräche den CO2-Minderungszielen der Energiestrategie 2020."[7] Doch genau das hat Vattenfall jetzt vor.

Gegenüber dem Wirtschaftsausschuß behauptete Vattenfall trotz Vergrößerung des Kraftwerkes: "Der Brennstoffbedarf wird nicht steigen. Die Konzeption hat keine Auswirkung auf bereits genehmigte oder zur Genehmigung beantragte Tagebaue."[8]

Hierzu ist anzumerken:

Im Genehmigungsverfahren macht das Unternehmen völlig andere Aussagen: "Der Antransport der Rohbraunkohle erfolgt mittels Bahn. Der zusätzliche Kohlebedarf von durchschnittlich ca. 4.700 t/d für den Block G bedingt ca. 6 Züge mehr je Tag."[9] Auch der steigende Verbrauch an Kühlwasser (s.u.) spricht für größeren Brennstoffeinsatz. Den behaupteten geringere Ausstoß der Bestandsanlagen will Vattenfall also nicht verbindlich festschreiben lassen.
Die Außerbetriebnahme eines Dampferzeugers im Kraftwerk Jänschwalde ist ohne Beeinträchtigung des Demoprojektes technisch möglich. Von der zugesagten Außerbetriebnahme abzurücken, ist also nicht im CCS-Konzept begründet, sondern ein Versuch, die am Markt befindliche Kraftwerksleistung zu vergrößern und Gewinne zu maximieren.
Der Neubaublock G soll zudem nicht ständig mit CO2-Abscheidung betrieben werden. In zwei von drei definierten Betriebszuständen geht das Klimagas weiterhin in die Atmosphäre.[10]

Ob der Betrieb mit Abscheidung wirklich zum Normalbetrieb wird oder ein heimliches herkömmliches Neubaukraftwerk entsteht, ist nirgends verbindlich geregelt. Vattenfall hält sich alle Hintertüren offen, jederzeit zum Klimakiller-Betrieb zurückzukehren.


4 Emissionsreduktionen auf anderem Weg - Vattenfalls Mogelpackung

Angesichts der Tatsache, dass der Kraftwerksneubau auf CCS-Basis nichts mehr zur Erreichung der CO2-Reduktionsziele des Landes beitragen kann, behauptet Vattenfall, dieses Ziel auf anderem Wege erreichen zu wollen. Gemäß den Ausführungen vor dem Wirtschaftsausschuß am 25.08.2010 soll eine Reduktion um 2,0 Millionen Tonnen pro Jahr bis zum Jahr 2020 auf folgenden Wegen erreicht werden:[11]

minus 200.000 Tonnen pro Jahr durch die post-combustion-Anlage am Block F
minus 500.000 Tonnen pro Jahr durch "Mitverbrennung biogener Festbrennstoffe in Kraftwerken". Auf Nachfrage wurde ausgeführt, es handele sich um Holzhackschnitzel. Vattenfall werde diese weltweit aquirieren.
Minus 900.000 Tonnen pro Jahr durch "Wirkungsgradsteigerung und Portfoliooptimierung" bestehender Kraftwerke
Minus 400.000 Tonnen pro Jahr durch "optimierte Einsatzweise des Kraftwerkes Jänschwalde"

Hierzu ist anzumerken:

Die Mitverbrennung von Biomasse ist an den Standorten der Lausitzer Braunkohlekraftwerke keine nachhaltige Option des Klimaschutzes. Bei der weltweiten Aquise sind Nachhaltigkeitsstandards voraussichtlich nicht einhaltbar oder andere Biomassenutzer werden zu nicht nachhaltigem Wirtschaften gezwungen. Bei Verbrennung in bestehenden Vattenfall-Kraftwerken mit Wirkungsgraden zwischen 30 und 40 Prozent droht die Verschwendung von zwei Dritteln der Energie der wertvollen Biomasse. Energetische Biomassenutzung gehört deshalb in die Nähe der Wärmenutzer! Das ist in Lausitzer Kohlekraftwerke nicht möglich, ihr (teilweise extrem) geringer Anteil ausgekoppelter Wärme kann auch bei Verringerung des Kohleeinsatzes ohne Biomassezufeuerung gesichert werden. Das Vattenfall-Konzept liefe darauf hinaus, Biomasse aus dem Ausland in die Lausitz zu schaffen, den daraus produzierten Strom wieder überwiegend aus Brandenburg zu exportieren und die Wärme komplett in die Atmosphäre zu emittieren.
Sollten technische Wirkungsgradsteigerungen bis 2020 tatsächlich erreichbar sein, so hätte dieses Potenzial bereits Berücksichtigung in der 2008 erstellten Energiestrategie des Landes und ihren Reduktionszielen finden müssen. In diesem Fall hat Vattenfall die Landespolitik bisher bewußt über die technischen Möglichkeiten getäuscht.
Zudem stellen Wirkungsgradsteigerungen an sich noch keine Reduktion von Kohleeinsatz und CO2-Produktion sicher, da sie auch zu einer Mehrproduktion von Strom aus derselben Kohlemenge genutzt werden könnten. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Maßnahmen an den Turbinen stattfinden, um eine gleichbleibende Dampfmenge effektiver auszunutzen.
Sollten Verbrauch und Emissionen tatsächlich gegenüber dem bisherigen Betrieb nicht steigen, so liegt das an geringer Auslastung durch Einspeisung von Windstrom und Emissionshandel, die unabhängig von der Demoanlage wirken. Vermutlich treten diese Effekte auch schon vor deren Inbetriebnahme ein.
Weitere Investitionen in die Bestandsblöcke sollen offenbar später eine massive Laufzeitverlängerung für Deutschlands klimaschädlichste Kraftwerksblöcke begründen.

5 Laufzeitverlängerung - auch bis 2030 kein Klimaschutz?

Die Demonstrationsanlage Block G wird von Vattenfall als notwendiger Schritt zur Entwicklung von kommerziellen Oxyfuel-Blöcken dargestellt, die nach 2020 entstehen sollen. Doch wenn diese Funktion für die Erprobung und Demonstration erfüllt ist, soll die Anlage mit ihrem elektrischen Wirkungsgrad von ca. 35% noch 15 weitere Jahre betrieben werden. "Mindestens 20 Jahre" Laufzeit (also 2015 bis mind. 2035) werden auch für den Block F angegeben [12], obwohl er zu 90% herkömmlich und klimaschädlich betrieben werden soll. Für die fünf weiteren Bestandsblöcke A-E wird die Aussage getroffen "In ca. 20 Jahren läuft aus heutiger Sicht auch die Nutzungsdauer des genehmigten Kraftwerkes Jänschwalde aus."[13] Dies bedeutet, Vattenfall plant einen Weiterbetrieb der klimaschädlichen Blöcke bis ins Jahr 2030.

Hierzu ist anzumerken:

Aufgrund des dann nicht mehr dem Stand der Technik entsprechenden Wirkungsgrades stellt ein Dauerbetrieb, der nicht mehr zu Entwicklungs- und Demonstrationszwecken nötig wäre, eine massive Verschwendung des Rohstoffes Braunkohle dar. Das ist weder mit dem Ziel der umweltverträglichen Energieversorgung noch effizienter Ressourcennutzung vereinbar.
Der Weiterbetrieb der Bestandsblöcke bis 2030 stellt auch die Klimaziele des Landes für 2030 komplett in Frage. Statt wie bisher oft behauptet, um 2020 klimafreundlich ersetzt zu werden, würden ineffiziente 500-MW-Blöcke bis 2030 oder länger betrieben.
Dann würden auch neue Braunkohletagebaue entgegen allen politischen Versprechen dem Weiterbetrieb extrem klimaschädlicher Kraftwerke dienen. Dies betrifft in Brandenburg die unfreiwillige Umsiedlung von etwa 2150 Menschen (900 im Tagebau Jänschwalde-Nord und ca. 1250 im Tagebau Welzow-Süd, Teilfeld II). Im sächsischen Tagebau Nochten, der durch eine werkseigene Kohleverbindungsbahn mit den brandenburgischen Kraftwerken verbunden ist, droht die Umsiedlungen weiterer etwa 1500 Menschen. In allen drei genannten Tagebauen plant Vattenfall die Kohleförderung zwischen 2020 und 2025 aufzunehmen.

6 Der Wirkungsgrad: jeder vierte Tagebau nur für die Abscheidung?

In den Scoping-Unterlagen gibt Vattenfall für den umgerüsteten Block F einen Nettowirkungsgrad von 36,4% und für den Neubau-Block G von 35,3% an.

Hierzu ist folgendes zu bemerken:

die Angabe von 36% für die CCS-Gesamtanlage im Wirtschaftsausschuß suggerierte Vattenfall der Politik einen besseren Stand der Oxyfuel-Technik, als tatsächlich erreicht ist. Mit 35,3% liegt der Block G in Wirklichkeit nicht über, sondern unter dem Wirkungsgrad des Bestandskraftwerkes.
Die Differenz zwischen Brutto-Nennleistung (250 MW el) und Netto-Nennleistung (167 MW el) ist immens und bedeutet einen Eigenverbrauch des Blockes G von 33 Prozent des erzeugten Stromes. Dieser setzt sich aus dem "herkömmlichen" Eigenbedarf und dem durch CCS bedingten Mehrbedarf zusammen. Die Höhe des letzteren gibt Vattenfall nicht an und liefert auch keine Daten, die eine fundierte Ermittlung zulassen würden. Fest steht, dass die mündlich im Wirtschaftsausschuß getätigte Aussage, der Block "würde ohne CCS bei 43% liegen" (Nettowirkungsgrad auf dem Niveau des derzeitigen Neubaus in Boxberg) technisch nicht nachvollziehbar ist. Dann nämlich bliebe unklar, wozu der Oxyfuel-Block mit Kohlevortrocknung ausgestattet wird, die den Wirkungsgrad deutlich erhöhen soll und im Boxberger Block R noch nicht angewendet wird. In Wirklichkeit dürfte der Wirkungsgradverlust durch CCS deutlich mehr als die (nur mündlich) behaupteten 8 Prozentpunkte betragen. Unterstellt man einen relativ plausiblen Eigenbedarf ohne CCS von 5% der Bruttoleistung[14] so betrüge der Wirkungsgradverlust durch CCS 14,8 Prozentpunkte und mehr als ein Viertel (ca. 28%) der Kohle würden nur verfeuert, um das CO2 abscheiden zu können. Bei diesem Stand der Technik würde jeder vierte Tagebau allein für den Energiebedarf der Abscheidung aufgeschlossen. Andersherum ausgedrückt: Für dieselbe Strommenge wird über ein Drittel mehr Kohle (ca. 34%) benötigt, als ohne CCS. Der Energieaufwand für Transport und Verpressung ist dabei noch nicht berücksichtigt.
Der Nettowirkungsgrad von 35,3% lässt daran zweifeln, ob bei späteren kommerziellen Anlagen die von Vattenfall angekündigten 40 oder sogar 42% erreicht werden können. Die Kohlevortrocknung ist hier bereits eingesetzt, weitere Wirkungsgradsteigerungen sind nur durch deutliche Erhöhung der Dampftemperaturen und -drücke denkbar. Schon beim Neubau des Kraftwerksblockes R in Boxberg mit nur leichter Erhöhung der Dampfparameter bei eigentlich herkömmlicher Technik wird jedoch von Problemen bei der Kesseldruckprobe berichtet[15]
Ob der angegebene Wirkungsgrad in der Demoanlage wirklich erreicht wird, sollte im Falle eines Baues unabhängig nachgeprüft werden.
Der Wert von 36,4% für Block F liegt über allen bisher für das Bestandskraftwerk veröffentlichten Werten, die zwischen 35,0 und 36,0% liegen[16]. Dabei wird er durch den Energieverbrauch der post-combustion-Anlage sogar noch gesenkt. Die massiven Ertüchtigungsmaßnahmen, die zur Erreichung dieses Wertes erforderlich wären, sind in der Anlagen- und Verfahrensbeschreibung jedoch an keiner Stelle erwähnt.
Der Wirkungsgrad einer vollständig auf Post-combustion umgerüsteten Anlage ist nicht erkennbar. Denn im Block F sollen etwa 90% des entstehenden Abgases weiter unbehandelt über den Kühlturm in die Atmosphäre gelangen. Würde die Abscheidung auf den gesamten Abgasstrom angewendet, ließe der Energieaufwand den Wirkungsgrad deutlich sinken.
Der Energieaufwand von Transport und Verpressung ist in keiner der genannten Zahlen berücksichtigt. Diese sind jedoch ebenfalls elementarer Bestandteil der CCS-Technologie.
Grundsätzlich ist daran zu erinnern, dass als elektrischer Nettowirkungsgrad diskutierte Zahlenwerte stets einen Idealbetrieb der entsprechenden Anlage beschreiben. Gerade unter Teillastbedingungen, wie sie für Kraftwerke in den nächsten Jahrzehnten wahrscheinlich vorherrschen werden, können die in der Praxis erreichten Wirkungsgrade um mehrere Prozentpunkte tiefer liegen. Eine entsprechende Teillastkurve hat Vattenfall derzeit weder für den aktuellen Zustand der Bestandsanlagen noch für den geplanten Neubau veröffentlicht. Die scheinbare Verbesserung des Wirkungsgrades von 28 auf ca. 36% durch das neue Konzept[17] beruht größtenteils nur auf statistischen Effekten:
Der Oxyfuel-Kessel bekommt einen eigenen Generator. Damit muß der Wirkungsgrad nicht mehr mit post-combustion und herkömmlichem Betrieb gemittelt werden. (vgl.Tabelle)
Die Nachrüstung mit post combustion (höchster Energieverbrauch) wurde von 25% auf 10% des Abgasstromes des Blockes massiv verkleinert, der herkömmliche (klimaschädliche) Betrieb im Block F überwiegt bei weitem.
Zusätzlich fallen technische Komplikationen bei der Einbindung der Oxyfuel-Anlage in den Bestandsblock weg, nur hier werden tatsächlich verbesserte technische Eigenschaften erzielt. Den maßgeblichen Einfluß auf den Wirkungsgrad dürften aber die zwei oben genannten rein statistischen Effekte haben. Vattenfall arbeitet hier gegenüber Entscheidungsträgern mit falschen Zahlen, um einen größeren technischen Fortschritt zu suggerieren: In der Präsentation für den Wirtschaftsausschuß werden Wirkungsgrad und spezifische Restemissionen des alten Konzeptes nur der Oxyfuel-Anlage zugeordnet, obwohl sie Mittelwerte der verschiedenen Technologien darstellen.[18]

7 Steigender Wasserverbrauch: Vattenfall pumpt die Lausitz leer

Die Kraftwerkserweiterung um eine CCS-Anlage verursacht einen Mehrverbrauch an Rohwasser von 6,9 Mio. Kubikmetern pro Jahr im Kraftwerk Jänschwalde. "Somit erhöht sich die Brauchwassermenge von 63 Mio m3/a auf max. 70 Mio."[19] Der größte Teil des zusätzlichen Wassers (ca. 4 Mio. m3/a[20]) geht über die Kühltürme in die Atmosphäre und ist für Grund- und Oberflächenwasser in der Lausitz verloren. Diese Menge entspricht dem durchschnittlichen Wasserverbrauch von etwa 86 000 Personen in Deutschland[21].

Angesichts der rückläufigen Niedrigwasserdurchflüsse in der Spree wäre aber gerade das Gegenteil nötig: eine Verringerung der Kühlturmverluste in den Lausitzer Kraftwerken. Auch pro installierter Leistung verbraucht CCS mehr Wasser: Benötigten 3000 MW bisher 63 Mio m3 und der Zubau von 250 MW CCS erfordert weitere 6,9 Mio m3, so steigt der Verbrauch von 21000 Kubikmetern pro Jahr und Megawatt bei CCS auf 27600 m3/a*MW. Es ergibt sich ein Mehrverbrauch von 1,65 Mio. m3 Wasser für die Abscheidung von 1,73 Tonnen CO2: Die CCS-Technologie kostet damit für jede abgeschiedene Tonne Kohlendioxid etwa einen Kubikmeter Wasser zusätzlich! Dies ist aus wasserwirtschaftlicher Sicht bereits für die Demonstrationsanlage nicht verantwortbar, umso weniger für den von Vattenfall propagierten Neubau des gesamten Kraftwerksstandortes auf CCS-Basis. 8 Sicherheit von Transport und Endlagerung soll ausgeklammert werden! Aus der Anlage sollen pro Stunde 223 Tonnen CO2 [22] über Pipelines in die geplanten unterirdischen Endlager transportiert werden, man geht von 1,7 Millionen Tonnen im Jahr aus.[23]

Dennoch will Vattenfall dies in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung überhaupt nicht betrachten und offenbar mit der Kraftwerksbaustelle Fakten schaffen. Wir sind dagegen der Ansicht, dass eine Anlage zur Produktion verflüssigten Kohlendioxids nur dann genehmigungsfähig sein kann, wenn ein umweltgerechter und für die Öffentlichkeit sicherer Verbleib des CO2 nachgewiesen wird. Der bisher laufende Verpressungsversuch bei Ketzin soll nicht vor 2020 ausgewertet sein, aber Vattenfall will in Jänschwalde 2015 das erste Gas durch die Pipeline schicken. Zudem sollen Störfälle im Bereich von CO2-Verflüssigung und -transport nicht näher betrachtet werden, obwohl ein konzentrierter Austritt des Gases am nördlichen Rand des Kraftwerksgeländes eine viel befahrene öffentliche Straße unmittelbar beträfe.


9 Verunreinigungen des CO2-Stromes

Während bei der post-combustion-Nachrüstung eine Reinheit des abgeschiedenen CO2 von 99,5% vorgesehen ist[24] , plant Vattenfall, den Oxyfuel-Block auf 95% Reinheit auszulegen[25]. Da die übergroße Mehrheit des CO2 in der Oxyfuel-Anlage anfiele, würde auch die Verpressung mit ca. 95prozentigem Kohlendioxid erfolgen. Damit will Vattenfall aus wirtschaftlichen Gründen hinter der technisch erreichbaren Reinheit von vornherein zurückbleiben.


[1] Vattenfall: Untersuchung der voraussichtlichen umweltrelevanten Auswirkungen und Vorschlag zum Untersuchungsrahmen zur Vorbereitung der Umweltverträglichkeitsuntersuchung für die Errichtung und den Betrieb des CCS-Demonstrationsprojekts Jänschwalde am Standort Kraftwerk Jänschwalde vom 17.09.2010, im Folgenden: Scopingunterlage

[2] Das Demonstrationsprojekt im Land Brandenburg - Klimaschutz durch Innovation. Präsentation von Hubertus Altmann, Vattenfall Europe Mining & Generation vor dem Wirtschaftsausschuß des Landtages Brandenburg am 25.08.2010, im Folgenden: Präsentation im Wirtschaftsausschuß

[3] 20% des Abgasstromes bei einem der zwei Dampferzeuger entspricht 10% des Blockes.

[4] Bericht der Landesregierung "Energiestrategie 2020 des Landes Brandenburg", Landtagsdrucksache 4/6292, ausgegeben am 21.05.2008, im Folgenden: "Energiestrategie 2020", S.32

[5] Energiestrategie 2020, S.38

[6] Energiestrategie 2020, S.40

[7] Antwort der brandenburgischen Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 239 der Abgeordneten Carolin Steinmetzer-Mann (DIE LINKE) Landtagsdrucksache 5/614, ausgeben am 19.04.2010

[8] Vattenfall-Präsentation im Wirtschaftsausschuß, S.14

[9] Scopingunterlage S.11

[10] Betriebszustände 1 bis 3 siehe Scopingunterlage, Anlage 2 (Anlagen- und Verfahrensbeschreibung), S.13

[11] Vattenfall-Präsentation im Wirtschaftsausschuß, S.15

[12] Scopingunterlage S.5

[13] Scopingunterlage S.20

[14] Beim Boxberger Block R entsprechen 34,8 MW von 670 MW etwa 5,2% Eigenverbrauch. Vgl. Breuer, Heinrich: Beitrag zum Braunkohletag am 13.05.2005 in Dresden, Folie 14

[15] Vattenfall-Mitarbeiterzeitschrift terravatt, Februar 2010, S.9

[16] Vattenfall-Informationsblatt "Aus Braunkohle wird Energie". Zugriff am 11.10.2010 auf http://www.vattenfall.de/standortkarte/kraftwerke/pdf/fb_tgb_conojaewa_kw_jaewa.pdf

[17] Vattenfall-Präsentation im Wirtschaftsausschuß, S.12

[18] Vattenfall-Präsentation im Wirtschaftsausschuß, S.12

[19] Scopingunterlage, S.70

[20] Scopingunterlage, S.70

[21] angenommen wurden 127 Liter pro Tag und Person

[22] Scopingunterlage, Anlage 2 (Anlagen- und Verfahrensbeschreibung), S.17

[23] Vattenfall-Präsentation im Wirtschaftsausschuß, S.12

[24] Scopingunterlage, Anlage 2 (Anlagen- und Verfahrensbeschreibung), S.11

[25] Scopingunterlage, Anlage 2 (Anlagen- und Verfahrensbeschreibung), S.17


*


Quelle:
GRÜNE LIGA-Hintergrundpapier vom 25. Oktober 2010
Vattenfalls geplante CCS-Demonstrationsanlage - keine zukunftsfähige Energielösung
mit freundlicher Genehmigung des Autors
René Schuster, GRÜNE LIGA, Umweltgruppe Cottbus
c/o Eine-Welt-Laden, Straße der Jugend 94, 03046 Cottbus
Tel.: +49 355 - 4837815
E-Mail: umweltgruppe@web.de
Internet: www.lausitzer-braunkohle.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2010