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AFRIKA/088: Nigeria - Zwischen Wirtschaftswachstum und ehrgeizigen Klimazusagen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. August 2015

Nigeria: Wirtschaftswachstum und ehrgeizige Klimazusagen - Regierung auf der Suche nach der goldenen Mitte

von Ini Ekott


Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von NDWPD, 2011

Häufige Überschwemmungen sind nur eine Folge des Klimawandels, mit denen sich Nigeria herumzuschlagen hat
Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von NDWPD, 2011

LAGOS (IPS) - Wenige Monate vor der Weltklimakonferenz im Dezember in Paris ist Nigeria mit seinen Klimaschutzzusagen im Rückstand. Doch anders als Äthiopien, Gabun, Kenia und Marokko, den afrikanischen Staaten, die bisher ebenfalls keine nationalen CO2-Reduktionsziele (INDCs) vorgelegt haben, ist ein Expertenteam mit der Erarbeitung der nigerianischen INDCs betraut.

Die INDCs sollen fester Bestandteil der Post-2020-Klimaaktionen werden, die die Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) im Dezember in Paris in einem umfassenden Klimaabkommens festschreiben wollen. Die INDCs müssen den Vereinten Nationen bis September vorliegen. Wie Samuel Adejuwon, Staatssekretär im nigerianischen Umweltministerium in Abuja, versicherte, ist man sich über eines im Klaren: Die Klimaziele müssen mit den nigerianischen Entwicklungserfordernissen kompatibel sein.

Nigeria ist Afrikas viertgrößter CO2-Emittent. Folgen des Klimawandels sind in dem Land bereits sichtbar. So begünstigt die wachsende Ausdehnung der Sahara den blutigen Kampf der 'Boko Haram'-Dschihadisten um einen eigenen Gottesstaat. Gleichzeitig befeuert die Landverödung den Ressourcenkonflikt zwischen Bauern und Hirten in Zentralnigeria, während sich im Süden Überschwemmungen aufgrund des ansteigenden Meerespegels häufen.

Wie aus einem im Oktober 2014 veröffentlichten Bericht des globalen Analyseunternehmens 'Mapelcroft' hervorgeht, zählt Nigeria zusammen mit Äthiopien, Bangladesch, Indien und den Philippinen zu den am stärksten von klimabedingten Konflikten bedrohten Ländern.

Für Nigeria wird es nicht leicht werden, die eigenen Emissionen im Rahmen der INDC nachhaltig zu drosseln, zumal die Wirtschaft des Landes fast vollständig vom Erdöl abhängt, dem wichtigsten Devisenbringer, der den Großteil des nationalen Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Höhe von 500 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet.


Multiple Baustellen

Wie Adejuwon erläuterte, hat Nigeria die Schwerpunktsektoren seiner Klimapolitik bereits identifiziert. Nun gehe es darum, die eigene Schmerzgrenze und die nationalen Entwicklungsbedürfnisse zu ermitteln. "Danach werden wir entscheiden, was wir in Paris an Reduktionsvorschlägen auf den Tisch bringen."

Ein weiteres Problem ist das Stromdefizit. Das 170 Millionen Einwohner zählende Land produziert 4.000 Megawatt Elektrizität. Dies bedeutet, dass ein großer Teil der Bevölkerung nach wie vor auf Holz, Holzkohle und Biomasse zum Kochen, Heizen und Lichtmachen angewiesen ist.

2014 hatten Nigerianer pro Tag mindestens zwölf Millionen Liter Diesel und Erdöl für den Betrieb von Notstromgeneratoren verbraucht, wie der ehemalige Energieminister Chinedu Nebo berichtete. Den täglichen Erdölverbrauch gibt das Nationale Erdölunternehmen mit 40 Millionen Liter an. Um die Verschmutzung durch den hohen Verbrauch des fossilen Brennstoffes zu verringern, müsste die Regierung in großem Stil auf erneuerbare Energien umsteigen, meinte Professor Olukayode Oladipo, einer der drei Klimaexperten, die die Regierung bei der Aufstellung der nationalen Klimaziele beraten.

Im letzten Jahr hatte der ehemalige Finanzminister Ngozi Okonjo-Iweala den Bedarf an Investitionen in den Energiebereich und die entsprechende Infrastruktur auf 14 Milliarden Dollar geschätzt.

Auch Oladipo zufolge besteht das Kunststück für Nigeria darin, einen gesunden Ausgleich zwischen den Klima- und Entwicklungserfordernissen hinzukriegen. "Wir wollen unser Wirtschaftswachstum nicht gefährden."

Im letzten Jahr hatte Nebo als damaliger Energieminister betont, dass Photovoltaikanlagen in den entlegenen Dörfern als Stromquellen willkommen seien. Allerdings werde man weiterhin auf Wasserkraft und auf Kohle setzen.

Nach Aussagen von Oladipo werden sich die nigerianischen Klimapläne unter anderem auf die Landwirtschaft konzentrieren. So wolle man die Stromgewinnung - weniger Erdöl zugunsten anderer Energieträger - diversifizieren und nach Antworten für eine Lösung der zunehmenden Ressourcenkonflikte suchen. "Wir sagen nicht, dass das Klima der alles entscheidende Krisenfaktor ist", betonte der Professor. "Doch trägt er zum Grad und zur Häufung der Konflikte bei."

Außer den Aktivitäten von Boko Haram im Norden mit 20.000 Toten kommt es in Zentralnigeria immer wieder zu Landstreitigkeiten zwischen Hirten und Bauern. Tausende Menschen kamen inzwischen ums Leben. Bei dem jüngsten Massaker im vergangenen Mai im Bundesstaat Benue, das Hirten der Volksgruppe der Fulani anrichteten, starben mindestens 96 Menschen, wie die Zeitung 'Punch' berichtete.

Die Regierung stimmt darin überein, dass der Klimawandel zu den Hauptursachen für die häufigen Auseinandersetzungen zählt. Doch bisher wurde nicht viel unternommen, um dem Problem beizukommen.

Oladipo ist zuversichtlich, dass der neue nigerianische Staatspräsident Muhammadu Buhari mehr Engagement im Kampf gegen den Klimawandel und dessen Folgen an den Tag legen wird. In seiner Amtsantrittsrede am 29. Mai hatte Buhari die Entschlossenheit seiner Regierung im Kampf gegen den Klimawandel angekündigt.


Vor allem Industriestaaten in der Pflicht

Doch laut Nnimmo Bassey von der 'Stiftung für die Gesundheit von Mutter Erde' bedarf es vor allem des verstärkten Engagements der weltgrößten Klimasünder. "Nigeria muss darauf beharren, dass die Industriestaaten ihre Emissionen vor Ort reduzieren, anstatt die Last den anfälligen Ländern aufzuhalsen."

Die Forderung nach einem Handeln dieser Staaten werde ein wichtiger Bestandteil der nigerianischen und afrikanischen INDC sein, versicherte Oladipo. (Ende/IPS/kb/05.08.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/08/nigeria-to-balance-ghg-emission-cuts-with-development-peculiarities/

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IPS-Tagesdienst vom 5. August 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2015

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