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AGRARINDUSTRIE/007: Tagungsbericht - Tier-Gentechniker treffen auf ihre Kritiker (Globe-Spotting)


Globe-Spotting Themendienst

Tier-Gentechniker treffen auf ihre Kritiker

Ein Tagungsbericht von Susanne Gura, Oktober 2011


Anders als bei gentechnisch veränderten Pflanzen erfährt die Öffentlichkeit wenig über die weit fortgeschrittene Entwicklung gentechnisch veränderter Tiere, obwohl Industrie und die mit ihr verbandelte Wissenschaft gerne öffentliche Mittel in Anspruch nehmen. In den USA steht die Marktzulassung des ersten gv-Tieres, ein Gen-Lachs der Firma Aquabounty, kurz bevor, nachdem die US-amerikanische Lebensmittelbehörde FDA eine Unbedenklichkeits-Bescheinigung ausgestellt hat. Ein internationales Symposium über Gentransfer bei Tieren, das die Niederländische Gentechnik-Kommission COGEM am 25. Oktober in Amsterdam durchführte (http://cogemsymposium.halito.nl/), war eine seltene Gelegenheit, mit Managern und Forschern zu diskutieren. Doch deren Reaktion bestand weitgehend aus Schweigen, Ablenken und Diffamieren der Kritik.

Schweigen: Die Firma Aquabounty hat mit Hilfe eines Wachstumshormon-Gens und eines Antifrost-Gens Turbo-Fische entwickelt, die ihr Schlachtgewicht doppelt so schnell erreichen. Auch Umwelt und Ernährungssicherheit würden angeblich davon profitieren. Doch auf Einwände, dass Aquakulturen wegen ihres hohen Futterfischbedarfs und wegen der Emissionen die Ozeane belasten, ging Aquabounty-Chef Ron Stotish nicht ein. Auch die Frage, wie die Auflagen der US-Behörde eingehalten werden können, wenn die gv-Fischeier in andere Länder verkauft werden, wurde nicht beantwortet.

Verheimlichen: Um die öffentliche Ablehnung gegenüber genetisch veränderten Organismen zu durchbrechen, setzen ihre Befürworter große Hoffnungen auf die Mücke, nachdem jahrzehntelang die Bekämpfung des häufig tödlich verlaufenden Dengue-Fiebers, das durch Moskitos übertragen wird und in den Tropen weit verbreitet ist, keine Priorität für die Pharma-Konzerne hatte. Ohne die Öffentlichkeit adäquat zu informieren und ohne ausreichende Risikoforschung haben inzwischen durch die Firma Oxitec die ersten Freisetzungen gentechnisch veränderter Moskitos auf den Cayman-Inseln, in Malaysia und Brasilien stattgefunden. Die männlichen Mücken sind mit einem tödlichen Gen ausgestattet, das die Larven lebensunfähig macht. Selbst die zuständige EU-Behörde EFSA warnt unter anderem davor, dass Genübertragungen auf andere Mückenpopulationen und Allergien die Folgen sein können. Das Denguevirus könnte virulenter werden und Gelbfieber sich stärker ausbreiten oder andere Mücken könnten die freiwerdende ökologische Nische besetzen, merken zivilgesellschaftliche Organisationen an.

Ablenken: Klonen ist für die Gentechnik wichtig, weil durch die normale geschlechtliche Vermehrung nur ein Teil der Nachkommen die Transgene erben. Tierschutzorganisationen prangern Gentechnik und Klonen als grausam an, weil die meisten Klontiere nicht lebensfähig sind oder erhebliche Missbildungen erleiden. Allerdings versuchen Klonfirmen, derartige Daten als Geschäftsgeheimnisse unter der Decke zu halten. Die Befürworter verwiesen stattdessen darauf, dass beim Klonen kastrierter Sportpferde, was ein lukratives Geschäft zu werden verspricht, nur eins von drei Fohlen in den ersten Lebenstagen gestorben sei. Außerdem seien Klone nichts anderes als Zwillinge, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten geboren würden. Die Tierschutzwissenschaftlerin der Universität Utrecht, Frauke Ohl, forderte unterschiedliche Standards, beispielsweise für Mäuse, je nachdem ob sie Schädlinge, Labortiere oder Haustiere sind. Damit kann der Tierschutz für Klontiere ausgehebelt werden.

Diffamieren: Auch bei Verbraucherablehnung und ethischen Fragen, die im Vordergrund standen, wiegeln die Befürworter ab. Der Vorsitzende der Unilever-Beratungsgruppe für Globale Forschungsethik und Professor an der Universität Utrecht, Frans Brom, warnte vor ideologischen, fundamentalistischen und prozeduralen Gefahren der Ethik, die neue Technologien verzögern könnten. Allerdings haben Ethikkommissionen bisher bei der Entwicklung gentechnisch veränderter Tiere und dem Klonen keine Auswirkungen, wie unwidersprochen konstatiert wurde. Und die Befürworter hoffen auf eine sinkende Risikowahrnehmung der Gentechnik in der Öffentlichkeit, auf die einige Studien des EU-finanzierten Projekts PEGASUS hinzuweisen scheinen.

Siehe dazu auch das globe-spotting-SPECIAL 'Ware Fleisch'
http://www.globe-spotting.de/special_fleisch.html


http://www.globe-spotting.de/tier-gentechnik-in-der-kritik.html


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2011