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ASIEN/037: Indien - Müll zu Energie, Verbrennungsanlagen stoßen auf Widerstand (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Dezember 2010

Indien: Müll zu Energie - Verbrennungsanlagen stoßen auf Widerstand

Von Ranjit Devraj

Müllverbrennungsanlage in Neu-Delhi - Bild: © Ranjit Devraj/IPS

Müllverbrennungsanlage in Neu-Delhi
Bild: © Ranjit Devraj/IPS

Neu-Delhi, 14. Dezember (IPS) - Die Behörden des indischen Unionsterritoriums Neu Delhi wollen im Zuge des Emissionsrechtehandels drei Müllverbrennungsanlagen in Betrieb nehmen. Umweltschützer protestieren gegen den Plan. Sie warnen vor erheblichen Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung durch die Freisetzung von Chemikalien.

"Die Regierung irrt, wenn sie meint, dass die Bürger von Neu-Delhi nicht über Umweltprobleme Bescheid wissen", sagte Gopal Krishna von der Organisation 'Toxics Alliance Watch' im Gespräch mit IPS. Die Menschen seien keine Analphabeten aus entlegenen Dörfern und fürchteten, dass die geplanten Pilot-Anlagen ihre Gesundheit schädigten.

Laut Krishna leisten vor allem die Einwohner der Ortschaft Sukhdev Vihar südlich der Hauptstadt Neu-Delhi erbitterten Widerstand gegen das Vorhaben. Dort lebten viele Ärzte, Ingenieure, Schriftsteller und Künstler, berichtete der Umweltaktivist. Die Leute hätten sich bereits mit Erfolg gegen den giftigen Rauch aus einer Verbrennungsanlage für medizinische Abfälle gewehrt.

Gegen eine neue Fabrik in seinem Ort will sich Vanja Joshi in jedem Fall wehren. Das Projekt sei sogar noch gefährlicher als die Anlage für medizinischen Müll, erklärte der Mann, der Filme zum Thema Umwelt dreht. Auch der bekannte Maler Siddarth, der ebenfalls in Sukhdev Vihar lebt, zeigte sich völlig verständnislos. "Wie kann man erwarten, dass wir so etwas einfach hinnehmen?", meinte er.


Als Klimaschutzmaßnahme angepriesen

Zwei weitere Verbrennungsanlagen sind in den Gemeinden Timarpur und Ghazipur an nördlichen und östlichen Rand der Hauptstadt geplant. Die drei Fabriken sollen insgesamt rund 3.200 Tonnen feste Abfälle aus Neu-Delhi einäschern. Ab 2011 würden damit 26 Megawatt Strom produziert.

Die Behörden des Unionsterritoriums haben die Fabriken als Teil ihrer Klimaschutzinitiativen für den Zeitraum 2009 bis 2012 angekündigt. Sie beziehen sich damit auf den im Juni 2008 vorgestellten Nationalen Aktionsplan für Klimaschutz (NAPCC) der indischen Zentralregierung. Wie Krishna erklärte, schreibt NAPCC jedoch ausdrücklich eine biologische Abfallverwertung vor, mit der Treibstoff gewonnen werden könne.

In den USA sind die Gefahren durch Müllverbrennungsanlagen offiziell anerkannt. Die US-Umweltbehörde erklärte, dass alle diese Fabriken toxische Substanzen wie Kadmium, Blei, Quecksilber, Dioxin, Furane, Schwefelsäure sowie Feinstaub produzierten. Unter den langlebigen organischen Schadstoffen (POPs) sind vor allem Dioxin und Quecksilber hochgradig schädlich.

Ende Juni reichten die Bewohner von Sukhdev Vihar eine Petition gegen den Bau der Fabrik bei Delhis Chefministerin Sheila Dikshit ein. Außerdem zogen sie vor das Oberste Gericht in Neu-Delhi.

In der Nähe der geplanten Müllverbrennungsanlagen liegen drei große Krankenhäuser: das 'Holy Family Hospital', das 'Fortis-Escorts Heart Institute' und das 'Indraprashta Apollo Hospital'. Auch die 'Jamia Millia Islamia'-Universität ist nicht weit entfernt.

Krishna ärgert sich darüber, dass die Verbrennungsanlagen als Bestandteil des Emissionsrechtehandels und des Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM) legitimiert werden sollen. Die Behörden argumentieren damit, dass Energie aus nicht-konventionellen Quellen erzeugt wird.

Der Umweltexperte findet die Begründung "grotesk". "Müllverbrennungsanlagen produzieren Treibhausgase und sind damit nicht als Teil des CDM ", erklärte er. Nicht nur die Menschen, die in unmittelbarer Nähe der Fabriken lebten, seien in Gefahr. Die Schadstoffe könnten sich über eine Distanz von bis 1.600 Kilometer verteilen. Jeder einzelne der zwölf Millionen Einwohner von Neu-Delhi würden über die Nahrung toxische Stoffe aufnehmen. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://cdm.unfccc.int/
http://toxicswatch.blogspot.com/
http://pmindia.nic.in/climate_change.htm
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=53852


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. Dezember 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2010